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von der Beurteilung der unmittelbaren Lage in Oesterreich zu der Frage hin. was nnn sowohl in Oesterreich al» auch auf internationalem Plan weiterhin gescheh«« wird, hierbei wird besonder» von der Linkspresse die Einschaltung de» Völkerbundes verlangt. Eine gewisse Beunruhigung über die weitere Lntwilktung der österreichischen Politik ist gleich zeitig festiustellen, wöbet Zweifel an der Festigkeit des von Dollfuß hinterlassenen Erbe» austreten. Gerüchte über einen bevorstehenden Hrimwehrpntsch. DMrrksterrat in Wien unter uerstiirktem Schutz. Idolen, 29. Juli. Allerlei Gerüchte durchschwirren die Stadt. Es heißt, daß die Polizei in höchste Alarmbereit- chast gesetzt wurde. Richtig ist tatsächlich, daß viele Gast- tätien unh CafähÄuser, die bis 10 Uhr abends hätten offen- zchalten werden dürfen, plötzlich auf polizeiliche Anordnung chließen mutzten. Bor dem Gebäude der Polizeidirektion tehen jetzt Maschinengewehre, während sie bisher im In- nern des Gebäudes aufgestellt waren. Die Bewachung des Bundeskanzleramtes wurde verstärkt. Reuter-London mel det einen bevorstehenden Heimwehrputsch. Andere Gerüchte erzählen, daß bei den zahlreichen Neuaufnahmen in Schutzkorpsverbände sich politische Gegner eingeschlichen hätten, die nun zum Los chlagen entschlossen seien. Von offiziöser Seite wird m tgeteilt, daß augenblicklich im Bundeskanzleramt ein M nisterrat über die Neubildung des Kabinetts tagt, und daß verstärkte Sicherheitsmaßnahmen ollen Möglichkeiten vorbeugen sollen. Bemerkenswert ist folgende amtliche Mitteilung, die am Sonntagabend erschienen ist: „Die Bundesregierung hat den Polizeivizepräsidenten 2r. Michael Skubl unbeschadet seiner bisherigen Funktion als Stellvertreter des Polizei präsidenten Wiens zum Generalinspizierenden für die Bun- polizeibehörde bestellt. In dieser Eigenschaft obliegt Dr. Skubl die Aufgabe, die Versetzung des ganzen Dienstes bei allen Bundespolizeibehörden laufend einer eingehenden Ueberprüfung zu unterziehen und bei Mängeln in personel ler und sonstiger Hinsicht Abhilfe zu schaffen." Man schließt aus diesen Mitteilungen, daß in den letzten kritischen Tagen sich innerhalb der Exekutive gewisse Reibungen er geben haben müssen. Die amtliche österreichische Verlust liste. Dnb. Wien, 29. Juli. 2n der Nacht zum Sonntag wurde eine amtliche Verlustliste für alle Formationen der Regierungstruppen veröffentlich. Danach betrugen die Ver luste auf selten der Regierung insgesamt 78 Tote und 165 Verwundete. Die stärksten Verluste weist das Freiwillige Schuhkorps auf. das 48 Tote und 10Z Verwundete zu be klagen hat. Das Bundesheer meldet 18 Tote und 37 Ver wundete, die Gendarmerie 10 Tote und 20 Verwundete und die wiener Polizei zwei Tote und fünf Verletzte. Nach privaten Meldungen sollen die Verluste der Auf ständischen sich auf annähernd ?00 Tote beziffern. Line Ueberprüfung dieser Meldung ist natürlich nicht möglich. - Schießerei in Gra;. Dnb. Wien, 28. Juni. In Graz kam es am Sonnabend zu Schießereien. Nach privater Quelle sollen ein Toter und zahlreiche Verletzte zu verzeichnen sein. Karwinfky erklärt: Aufstand beendet! Staatssekretär Sarwinsky teilte in einer Rundfunk ansprache mit, daß der Aufstand als zusammengebrochen gelten könne. Die Verluste des Bundesheeres beziffern sich nach amtlichen Angaben auf zwei Offiziere und 15 Mann, die getötet wurden, und 4 Offiziere und 20 Mann Schwer verletzte. Uur Volksbefragung kann Oesterreich retten. Wenn man auf die sich widersprechenden Rundfunkmeldungen eingeht, nach denen es einmal heißt, in Oesterreich herrsche absolute Ruhe, während Minu ten darauf derselbe Sender von Kämpfen in der Steiermark und soundsoviel Toten berichtet, so ergibt sich für die Welt ein eigenartiges Bild von dem augenblicklichen Zustand in Oesterreich, der nur dadurch eine Klärung erfahren kann, daß das Volk nun endlich einmal das Recht bekommt, seinerseits durch den Stimmzettel seinem Willen Ausdruck zu geben. Dies allein ist der Weg, der Oesterreich befrieden kann, slavische ,.:et da- ml daß 800 bi» 1000 Mann untergobracht werden sollen. um damit den europäischen Frieden, der durch die letzten Vorkommnisse sehr stark gefährdet wurde, zu sichern. Kewelse für eine Keteiliguna Dr. Umtelens am Aufstand? Wien, 29. Juli. Die amtliche Mitteilung von der Ab berufung Dr. Rintelens vom römischen Gesandtenposten wird hier allgemein dahin aufaefaßt, daß die Regierung of fenbar trifftige Beweise dafür in Händen hat, daß Dr. Rintelens in den Aufstand der letzten Tage verwickelt war. Die Absetzung Dr. Rintelens wird hier allgemein als ein bedeutendes Ereignis angesehen. Selbstmord des Wiener Polltzel- revierinfpektors. . Dnb. Wien, 30. Juli. Der Slcherheltswachenlnspektor Doppler stürzte sich am Sonntagabend aus einem Fenster des Pollzelgebäudes in die Tiefe und blieb schwerverletzt liegen. Doppler war der Kommandant der Slcherhelt»- wachenabteilung, die im Bundeskanzleramt am Mittwoch voriger Woche Dienst machte, als die Putschisten eindran gen und sie überwältigte. Doppler wurde am Sonntag, um seine Rolle bei diesen Vorgängen aufzuklären, zur Staatspolizei gebracht und verhört, während diese» Ver hörs riß er sich los und stürzte sich au» dem 4. Stock. Das österreichische Sundesheer er kennt die Tapferkeit der Aufstündi- schen an. Wien, 29. Juli. Bemerkenswert ist ein am Sonnabend erschienener militärischer Bericht über die Kämpfe am Pyhrn-Paß und im Ennstal. Während die zivilen Behör den die Aufständischen immer nur als „fluchwürdige Rebel len" und „Mörderbanden" bezeichnen, zollt der Bericht des Heeres dem besiegten Gegner ritterliche Achtung. Der Schlußsatz dieses Berichtes lautet: Die Aufrührer hatten bei den Kämpfen um den Pyhrn-Paß schwere Verluste erlit ten. So wurden fünf Tote geborgen. Aber auch die Ver luste der bewaffneten Macht waren empfindlich. Einer der tapfersten Ofiziere des Weltkrieges, Major Charvart, Al penjägerregiment 8, der einzige Offizier der alten österrei chischen Armee, dessen Brust zweimal die goldene Tapfer keitsmedaille für Offiziere schmückte, fand den Heldentod. Die Ruhe ist in diesen Aufstandsgebieten wieder hergestellt. Die irregeleiteten tapferen Bergbewohner wurden zur Nie derlegung der Waffen gezwungen. . , Aufständische überschreiten die sndslavische Grenze. DNB. Belgrad, 29. Juli. Das „Deutsche Volksblatt" in Neusatz berichtet aus Marburg an der Drau, daß S50 Auf ständische aus Kärnten die südslawische Grenze überschritten hätten. Sie hätten den süüslavischen Behörden 200 Infan- teriegewehre, 1 Maschinengewehr und eine große Anzahl von Revolvern ausgeliefert. Die Waffen seien österreichische Militärgewehre, die in italienischen Fabriken umgearbeitet worden seien. Die „Prawüa" berichtet, daß die Flüchtlinge nach Warasdin in Kroatien gebracht worden seien. Unter Bundeskanzlers, der Bundespräsident, das ganze diploma tische Korps mit den Sondervertretern der Großmächte und dem päpstlichen Delegierten Nunitur Sibilia, dem Sondervertreter Mussolinis, Botschafter di Martino, dem ungarischen Außenminister Kanya, der Vertreter des engli schen Königs, Selby, dem Vertreter des Völkerbundes, Rost van Toningen. Die Reichsregierung war durch den gegenwäriigen Geschäftsträger Prinz zu Erbach vertreten, der an den Beerdigungsfeierlichkeiten an der Spitze sämt licher deutscher Gesandtschaftsmitglieder teilnahm. Vor dem Sarg schritt Kardinalerzbischof Jnnitzer mit der hoben Gesstlichkeit Oesterreichs. Den Schluß bildete die Ab teilung des Bundesheeres. Im Stephansdom erfolgte die Einsegnung der Leiche durch Kardinal Jnnitzer. Der Zu« bewegte sich sodann nach dem Friedhof in Hietzing. Die endgültige Beerdigung wird in den nächsten Tagen in dem Heimatdorf des Kanzlers er folgen. Nach dem Eintreffen des Trauerzuges auf dem Hietzin ger Friedhof sprachen am offenen Grabe Bundesminister Dr. Schuschnigg für die dem Bundeskanzler direkt un terstellt gewesenen Wehroerbände, Stabschef Dr. Kem p t- ner für die Verbindungen des österreichischen Kartellver bandes und die Verbindung „Franco Bavaria". Die Trauerfeier für Dollfuß Keichenkondukt vom Wiener Rathaus ;um Metzinger Friedhof. Wien, 29. Juli. Am Tage des Leichenbegängnisses für den ermordeten Bundeskanzler Dr. Dollfuß hatte die ganze Stadt seit den frühen Morgenstunden schwarz geflaggt. Auf allen öffentlichen Gebäuden und den Gesandtschaften sind die schwarzen Fahnen auf Halbmast gehißt. Die Trauerfeier begann vor dem Rathaus. Auf der großen Freitreppe des Wiener Rathauses wär der Sarg aufgebahrt worden. Offiziere des Deutschmeisterordens hielten die Ehrenwache. Auf dem freien Platz vor dem Rathaus hatten ein Regiment Kavallerie, ein Infanterie bataillon und die Wehrverbände Aufstellung genommen. Von allen Kirchtürmen Wiens läuteten die Glocken. Vundespräsideni Miklas hob in einer Ansprache die Bedeutung der Persönlichkeit Dollfuß' und seine Verdienste als Oesterreicher und Deut scher hervor. Nach ihm sprach Vizekanzler Fürst Star- Hemberg, der dem toten Bundeskanzler im Namen der Regierung, der Wehrverbände und der Armee die Treue bis übers Grab hinaus schwor. - Der außerordentlich lange Zug bewegte sich sodann durch die Straßen Wiens. Der Sarg Dollfuß' wurde auf einer Lafette geführt. Dem Sarg folgten die Familie des ihnen befänden sich Professoren, Lehrer, Aerzte und Rechts- anwälte. Mehr als die Hälfte seien jedoch junge Leute unter 20 Jahren. Diele von ihnen hätten keinen Pfennig bei sich und trügen die Kleider Ihrer Arbeitsstätten, sie sie bei Aus bruch der Revolte plötzlich verlassen hätten. Sie erzählen, daß schwere und verlustreiche Kämpfe im Lavanstal in Kärnten stattgefunden hätten. Errichtung eine» großen Kager» für die österreichischen Aufständischen in Warasdin. Belgrad, SO. Juli. (Eig. Funkmeld.) Die Blätter be- richten aus Warasdin in Kroatien, daß dort «in großes La ger ftlr die österreichischen Ausständischen, die die südsla Grenze überschritten haben, errichtet wird. Man rechn, i ' ss,' V ' Bisher sind, wie bereits gemeldet, etwa 500 Mann einge- jroffen. Sie wohnen vorläufig in einer Schule. Sämtliche Blätter haben Berichterstatter nach Waras din entsandt und veröffentlichen jetzt Unterredungen mit einzelnen Aufständischen. i Au» den Berichten geht übereinstimmend hervor, daß die Revolte in Oesterreich nicht vorbereitet wckr, sondern b« den Aufständischen selbst die größte lleberraschung auslöste. Di« Flüchtlinge stammen aus dem Lavanstal« in Kärnten und haben an den Kämpfen um Wolfberg teilgenommen. Sie erzählen, daß sie durch ein Manöver des Bundesheer« zum Rückzug gezwungen worben seien. Nachdem basierst« große Gefecht mit den Bundestruppen unentschieden ver- aufen sei, habe ihnen der Kommandant einen Waffenstill- tand angeboten, um Verhandlungen einzuleiten. Dl« Auf- ländischen hätten da» Angebot angenommen, weil sie hoff en, weiteres Blutvergießen vermaden zu können. Als die Zeit abgelaufen war, hab« sich aber herausgeftellt, daß aus Dien unterdessen ein neues Bataillon des BundesheSres auf Motorrädern hervngezogen worden war, bas die Auf ständischen im Rücken angriff. Diese hätten sich nunmehr zurückziehen müssen, aber mit der Absicht, sich hart an der südslavischen Grenze zu verschanzen. Dabei sei ein« Gruppe von 500 Mann aus Versehen auf füdflavischer Gebiet gera ten und habe die Waffen abliefern müssen. Eine ander«, Gruppe habe . knapp an der Grenze Stellungen beziehen können und setze den Kampf fort. , Berichte au» den Grenzbezirken bestätigen, daß in Kärn ten tatsächlich noch gekämpft werdet Man halle aber die Lage der Aufständischen nicht für sehr aussichtsreich, Va e» ihnen an Lebensmitteln mangele und die südslavlsche Regie rung die Grenze hermetisch abgesperrk habe. Deutschland am Wiener Putsch nicht beteiligt. London, 30. Juli. „Daily Telegraph" beschäftigt sich in einem Leitaufsatz in tendenziöser Weise mit dem Verhält nis Deutschland—Oesterreich und stellt die unerhörte Be hauptung auf, daß Deutschland sich vor -em Tode von Dr. Dollfuß in die inneren Angelegenheiten Oesterreichs einge mischt habe. Trotzdem muß sich das Blatt zu dem Zuge ständnis bequemen, daß kein Grund zu der Annahme be stehe, daß die deutsche Regierung an dem Ausstand in Men beteiligt gewesen wäre. Der ganze Aufruhr sei zu plump Link«: Di« Aufbahrung de« Bundeskanzler« «m Wiener Rathause. Zu Föhen de« Katafalk« knien betend* Rannen. — Recht«: Gaaz Wien glühte den tote» Bu»d««kanjler. Die endlos« Schlang« von Manschen, bl« sich vor b«m Wiener Rathaus« anftelilr, um vor drnf dort aufgebaalrn Katafalk de« Kanzlrr« vordrizadojitl«»«».