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Sie geheime Sitzung. - Kaum war Kowark hinausgeeilt, da kam das Ehepaar Kaspar ins Frauenzimmer hereingestürzt, laut rufend: Sie kommen, sie kommen! Hietzke sprang auf: Die Geheimen? Ja, komm ins Gastzimmer; am Fenster kannst du sie sehen! — Wahrhaftigkeit; und in der Kutsche, staunte Hietzke. — So was ist deinem Fremdenhof noch nicht passiert, August! Ich hab ihn renommiert! rühmte August. Ich hab ihn renoviert! rühmte Auguste. Hinaus! hinaus! befahl Hietzke; macht die Honneurs vor dem „hochachtungsoollen" Besuch. Während sich die beiden Wirtsleute noch über ihre Ver dienste stritten, kamen die Herren von Hohenfels und Hin richs schon herein und stellten sich vor. — Die Gegenvorstel lung übernahm sofort Hietzke: Ludwig Hietzke, Schuhmacher meister und Schulvorstand von Hinterwinkel. Herr und Frau Kaspar, August und Auguste, Besitzer unseres erstklassigen Fremdenhofes. Sie haben wohl unsern Brief erhalten, wandte sich Herr von Hohenfels an Kaspar, und alles Nötige zu unserer Auf nahme vorbereitet? . Hietzke übemahm die Antwort: Kaspar wird die ver wöhntesten Ansprüche in seinem renommierten Gasthof be friedigen. In seinem renovierten Gasthofe, widersprach Auguste. Also die Hohen Herren hören, wie großstädtisch es sich hier leben läßt, betonte auch Hietzke. Dieser Schuhmachermeister scheint ein Original zu sein, flüsterte Herr von Hohenfels seinem Kollegen vom andern Ministerium zu. Da es aber Hietzke dennoch gehört hatte, fügte er laut hinzu: Jawohl, meine Herren, bei uns ist alles Original — bis auf den Sand. — Alter, echter, treuer Sand. Die „ge heime" Bermessungskommission wird uns darin ganz genau einschätzen! Sie sind wohl über den Inhalt unserer Zuschrift unter richtet? fragte Herr Hinrichs. Jawohl, Herr Geheimer Finanzrat, es gibt kein Ge heimnis zwischen mir und August. — Und selbst Auguste hat keins vor mir! — Und eine Flurbesichtigung ist Sache des Gemeinderates, dem anzugehören wir beide die Ehre haben. — Meister Hietzke verneigte sich tief, was von den Geheim räten ebenso tief erwidert wurde. — Und Vorstand Gottlieb Marschner wird wohl nun endlich auch Ihr Schreiben geöff net haben und zur Sitzung kommen. — Nimm doch den Herren die Mäntel ab, August, befahl Hietzke seinem Freun de. Du, Auguste, kannst in deinem renovierten Fremden zimmer alles vorbereiten; denn die Herren von der Vermes sungskommission werden gewiß nachher zu speisen wünschen. — Beide Herren lehnten aber ab; denn sie hätten schon in Mühlbach zu Mittag gegessen, worauf sich Auguste wieder in den Saal hinauf begab. Die Herren setzten sich hierauf am großen runden Tisch, unterm Zodiakus, nieder. Auch Hietzke nahm Platz und sah sie erwartungsvoll an. Kaspar aber setzte ihnen, ohne auf Bestellung gewartet zu haben, zwei Glas Zuckerbier vor — Es ist eine dringliche und für die Hinterwinkler Gemeinde schicksalsschwere Angelegenheit, die uns heute, leider gerade an Ihrem Kirmesfest, im Auftrage der Regierung zu Ihnen herführt.— Hietzke blickte mißtrauisch zum Zodiakus empor und sagte mehr für sich, als für die Herren: Dringlich und schicksals schwer! — Achtung, Ludwig; die Lokomotive naht! — Herr Oberstleutnant, wandte er sich dann an den Geheimen Kriegsrat, das sieht ein Blinder, daß man zur Flurauf nahme keine Kriegs- und Finanzräte zu uns schickt. Aber zum Schicksal gehören immer zwei: einer, der's schickt, und einer, den's trifft. — Wir Hinterwinkler wollen uns unser Schicksal selber machen und immer unterm Zodiakus. Ob gut oder schlecht, es soll unser Schicksal sein! Unterm Zodiakus? — Was meinen Sie damit? fragte Herr Hinrichs. Den himmlischen Kreis über Ihnen, Herr Finanzrat, unsere Hauptsehenswürdiakeit: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau usw., wie sie auch im Kalender zu feben sind. Die Geschichte und das Gedeihen von Hinterwin kel steht und fällt mit diesem himmlischen Gleichnis; daran tühre niemand. — Höndr weg! sage ich, Ludwig Hietzke! Aber wenn es sich um das „Wohl" — Hietzke stutzte — um das Wohl des Vaterlandes handelt, muß jede Gemeinde hilfsbereit sein; ja, sie muß bereit sein, sich selbst zu opfern, wenn es das Ganze erfordert, mahnte von Hohenfels. — Hietzke sprang auf, und August kam aus dem Schänkstock herunter: Lassen Sie uns mit den heidnischen Opfern in Ruh! rief Hietzke erbittert; dann sich an seinen Freund wendend: Wo ist Marschner? — Hast du noch nicht nach ihm geschickt? — Ja. Er hat aber sagen lassen, er ließe noch warten; sie wären gerade beim Kaffeetrinken und hätten wichtigere Sachen zu tun, als Ratssitzungen abzuhalten. Hietzke trillerte den Donauwalzer und wiegte sich mit seinen geschweiften Beinen auf dem Stuhle hin und her; August klimperte mit den Gläsern im Schänkstock; da trat Vorstand Marschner mit der Tabakspfeife ein. Sein Ratsmitglied Hietzke ging ihm entgegen. — Komm, Gottlieb, setz dich nieder. Deine Entschuldigung ist uns schon zugegangen. — Aber sei gefaßt: das Schicksal pocht an den Zodiakus da oben, und es wird eine sehr „ge heime" Sitzung werden. Fortsetzung folgt.) Verkehrserziehung anno 1816. Eine Verordnung im Markgrafentum Oberlausih. Die für das ganze Reichsgebiet angeordnete Verkehrserzie hungswoche vom 8.—16. Juni 1934 ist mit großem Erfolge durch geführt worden. Mit besonderem Interesse hört man nun, daß schon vor 118 Jahren der Oberamtshaupimann im Markgrafentum Oberlausitz von Kiesenwetter eine schon s. Zt. notwendig gewor dene Verkehrsordnung erlassen hatte (Gegeben auf dem Königl. Sächs. Schlosse Ortenburg zu Budijsin, am 2. Dezbr. 1816). Jene Verordnung enthält auch Strafbestimmungen, die die Chaussee- Aufseher von jedem Zuwiderhandelnden einzuheben berechtigt was ren. War der Reisende der strafbaren Handlung, deren er sich ver dächtig gemacht hatte, nicht sofort geständig oder zu überführen, so mußte er nach Höhe der darauf gesetzten Strafe einen Betrag beim Chaussee-Aufleger hinterlegen; bei Weigerung der Zahlung mußte der Reisende die Pfändung gewärtigen; eine besonders An zeige war zu erstatten. Jene Verkehrsordnung hatte 10 Punkte, wie nachstehend er sehen werden kann. 1. Wer durch den Graben fährt, zahlt — Taler 16 Groschen, Wer durch oder in den Graben reitet — „ 12 „ Wer Vieh durch selbigen treibt, oder weiden läßt, zahlt von Pferden und ' Rindvieh, vom Stück ..... — „ 6 „ von Schweinen, Schafen und Ziegen, vom Stück — „ 2 „ 2. Wer an die Gräben näher als 1 Fuß ackert, solche beschädigt oder anfüllt, zahlt - „ 12 3. Wer auf den Fußsteigen fährt . .1 „ —. „ Wer auf den Fußsteigen reitet . . — „12 » 4. Wer die Dossierung (Böschung) aus- niüht —, „ 16 „ 3, Wer in einem schon eingefahrenen Gleise fortführt und wenn er gewarnt wird, nicht sogleich ein frisches Gleis annimmt — „ 4 6. Wer einen Meilenzeiger, Marquier- stein oder eine Warnungstafel beschä- digt, zahlt, außer dem Schadenersätze, an Strafe ... .... 1 „ — „ 7. Wer einen Prellstein oder Vorrats- Haufen um- und auseinanderfährt oder einen Pfahl verletzt und auszieht, Zahlt — „ 12 8. Wer Bauholz mit einem Ende auf ' der Chaussee hinschleppen läßt oder ein Rad mit der Kette einhemmt, zahlt . 1 S 9. Wer Glas, Scherben, Mist oder andern Unrath auf die Chaussee bringt oder daraus abladet —! 16 10. Jeder ohne Unterschied der Ladung und Bespannung, Post oder anderes Fuhr- werk, ist gehalten, auf gegebenes Zei- chen, dem entgegenkommenden oder nachfolgenden Wagen auf die Hälfte des Gleises zur rechten Hand auszuwei- chen; wer dem entgegenhandelt, zahlt — „ 12 „ Diese Ordnung wurde s. Zt. in den Gerichten bekanntgegebeih so „publictret in dem Gericht zu Niederneukirch den 1K Januar 1817 durch den Richter Johann Christoph Dreßler". kk.