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oder zu dieser Zeit als „Waldhufendorf" neu entstanden ist. Dasselbe ist von dem benachbarten Burkau zu sagen, bei dem auch beide Möglichkeiten vorliegen. Seine erste sichere geschichtliche Erwäh nung findet unser Ort im Äahre 1223 oder wenn man will 1228, und zwar in der vielgenannten und vielgedeuteten meißnisch-böhmischen (oberlausitzischen) Grenzurkunde, in der die „bischöflich-meißnischen" Besitzungen in der Ober lausig von den „königlich-böhmischen" genau geschieden wur den und gewissermaßen eine Niederschrift über die „Berai- nung" der beauftragten „Echeideleute" darstellt. Ihr ent nehmen wir, daß Rammenau damals zur „königlich-böhmi schen" Oberlausitz gehörte. Die Grenze gegen den südlich und östlich gelegenen „bischöflich-meißnischen Burgward Göda" verlief zu dieser Zeit vom Grunabache weg mitten durch den Sumpf (in mediam paludem) zwischen Ram menau und Geißmannsdorf (quae est inter Ramnou et Giselbrehtstorf), welch letzterer Ort somit bereits in den Göduer Bezirk gehörte. Vom Rammenauer Mühlteich (exinde) lief dann die Grenze an der Geißmannsdorfer Nordflur nach Osten zum „Weißen Stein" (albus lapis), worunter eine jetzt namenlose Felsklippe des Butterberges, wenn nicht dessen Gipfel selbst zu verstehen ist. Wir wissen also, dieser Urkunde zufolge, daß unser Dorf im dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts unter dem Namen „Ram nou" bestand und daß es dementsprechend heute auf ein siche res Alter von 70V Jahren zurückblicken kann. Weniger gut als über seine einstige Lage sind wir über die ä-1 t esten Besitzer unseres Ortes unterrichtet. Dorf und Rittergut gehörten jedenfalls im 15. Jahrhundert den Herren von Kamenz". 1421 verzichtete „Borso ein Herr von Kamenz, auf Rammenau", und seine Vettern Heinrich und Balthasar auf Pulsnitz, auf „drei Mark Zins" zu „Rammenau" zugunsten einer Altarstiftung in Kamenz. Als später von der großen Herrschaft Kamenz immer mehr Be sitzungen abbröckelten, ist unser Dorf dem Gütergebiet der „Herren von Ponikau" auf Elstra zugeschlagen worden. Im Jahre 1503 wird als „Pertienzort" (Beiort) von Elstra un ter anderem auch Rammenau genannt. Als „Wolf von Po nikau" auf Elstra im Jahre 1580 starb, erhielten seine vier Söhne Hans Fabian Elstra, Tobias Rammenau, Wolf Frankenthal und Abraham Kriebitz. Dies wird auch be stätigt in einem im Burkauer Pfarrarchiv befindlichen Le benslauf des Pfarrers Meißner, den 1612 Tobias von Po nikau auf Rammenau gemeinschaftlich mit Hans Fabian auf Elstra und Prietitz nach Frankenthal berufen hatte. Wann die Familie des Tobias von Ponikau auf Rammenau er loschen ist, wird uns nicht berichtet, gewiß ist es nicht allzu lange nach 1612 geschehen. Die Besitznachjolger der Familie von Ponikau waren die „Herren von Staupitz"; 1634 gehörte Rammenau einem „Christoph v. Staupitz"; seine Nachkommen wurden 1646 und 1657 ausdrücklich als Inhaber von Rammenau genannt. Infolge eines Subhastationsprozesses gingen 1659 Teile des Gutes an die „v. Kottwitz" über, die dann von der Familie v. Seydewitz abgelöst wurden. Nach diesen wurde 1717 das Besitztum dem „Kammerherrn und Appellationsrat Ernst Ferdinand Kmoch aus Elstra" u. a. zugeschlagen. Dieser verlegte das Rittergut „vom alten Hofe" weg an den jetzt trockengelegten sogenannten Kleppschteich und erbaute es mit den gesamten Hofgebäuden neu. Die bedeutenden Kosten des für jene Zeit großartigen Gutes und die englische Gar tenanlage zerrütteten aber seine Vermögensverhältnisse so, daß er bei Nacht und Nebel entfliehen mußte. Das Gut kam 1774 abermals unter den Hammer und gelangte an „Franz Joseph v. Hoffmann", der das bisherige „Mannlehngut" in ein „Erb- und Allodialgut" verwandelte. 1749 übernahm es dessen Vetter, „Johann Albericus von Hoffmann", Gehei mer Kabinettsrat, und 1780 dessen Sohn, „Johann Centu- rius, Reichsgraf von Hoffmannsegg". Dieser hat sich als Naturforscher einen Namen gemacht. Er verkaufte 1795 Rammenau an einen Rittmeister „Friedrich o. Kleist, Ritter des Malteser und St. Johannisordens". Das Schloß ist (nach Gurlitt) eine sehr stattliche, nach einheitlichem Plane errichtete Anlage. Die Äußenarchitek- tur des zweigeschossigen, mit hohem Mansardendach versehe nen Bauwerkes ist einfach. Das Innere des Gebäudes zeigt drei verschiedene Bauzeiten. Die Raumverteilung, die Fen ster und der Turm und mehrere beachtenswerte barokke Stuckdecken verweisen auf die Zeit de» ersten Erbauers Kmoch, gering sind verhältnismäßig die Umgestaltungen unter Hoffmannsegg, dagegen sind unter K l e ist am A n - fang des 19. Jahrhunderts vielfach Umgestaltun gen vollzogen morden. Diese sind außer am Stil jener Zeit an der mehrfach wiederholten Abbildung des Malteserkreu zes zu erkennen. Aus jüngerer Vergangenheit bewahrt das Schloß viele Andenken an die berühmten Gelehrten Al exander und Wilhelm von Humboldt, da die Gemahlin des 1880 in den Besitz des Gutes gelangten Kam merherrn „Hans Kurt Ernst v. Posern" eine geborene von Humboldt war. Wenn wir auch an dieser Stelle von einer eingehenden Würdigung der kunstgeschichtlichen bedeutsamen Innenarchitektur und Raumausstattung absehen müssen, möchten wir doch nicht verfehlen, das Urteil eines unserer ersten sächsischen Kunsthistoriker, Cornelius Gurlitt, über das Schloßinnere anzufügen: „Durch die Ausstattung unter Friedrich v. Kleist ist das Rammenauer Schloß das wohl bedeutend st e Denkmal der Innendekoration seinerzeit inSachsen geworden." Von den kirchlichen Verhältnissen des Ortes Rammenau ist zu bemerken, daß wir im Jahre 1495 erst malig sichere Kunde von ihnen erhalten. Zu diesem Zeit punkte gehörte unser Dorf der „Meißner Bistumsmatrikel" (Bistumsverzeichnis) zufolge unter den Erzpriester stuhl Bischofswerda", der 14 Pfarrorte der Gegend umfaßte und wohin auch der damals übliche „Bischofszins" zu entrichten war. Vermutlich hat aber unser Ort schon bei der Eindeutschung der Gegend in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine eigene Kirche erhalten, die sogenannte „Bistumsmatrikel" geht übrigens in ihrer ursprünglichen Anlage bis auf das Jahr 1346 zurück. Zu dem heutigen Kirchgebäude wurde 1736 der Grundstein gelegt, 1749 wurde dasselbe der Benutzung übergeben, 1879 wurde der Turm erneuert. Als eine besondere Merkwürdigkeit unseres Ortes ist die uralte Pfarrlinde zu bezeichnen, die ein Alter von über 500 Jahren haben soll. Sie ist eine Som merlinde (Tilia platyphyllos Srap) und steht nahe der Pfarre. Vermutlich war dieser Ort früher Dorfplatz oder gehörte wenigstens zum Erbgericht; denn dasselbe grenzt un mittelbar an das Pfarrgrundstück. Möglicherweise ist sie eine vormalige „Gerichtslinde". Darauf scheint auch eine im Dorfe erzählte Sage hinzudeuten, die besagt: „Wer unter diese Linde tritt, muß sterben". Der Volksmund weiß ferner von diesem Baum zu berichten: „Eine junge Frau, die unter den Baum tritt, wird eines Kindleins genesen." Die „alte Kirchengalerie" schreibt um 1832 von unserer Linde: „Als eine Merkwürdigkeit Rammenaus ist noch zu erwähnen die im Pfarrgarten befindliche große Linde. Sie hat, 1)4 Ellen über dem Erdboden gemessen, einen Umfang von 20 Ellen und obwohl sie inwendig ganz hohl ist, grünt sie dennoch immer ganz frisch und fröhlich, nur haben leider die höchsten Aeste, die die Krone bildeten, weggenommen werden müssen, weil zu befürchten stand, daß sie sonst bei heftigem Sturm umgebrochen werden könnten. Wahrschein lich stammt sie noch aus den Zeiten der Reformation. Das Kirchensiegel stellt diese Linde als ein Wahrzeichen Ramme- naus dar." Tatsächlich zeigte der alte im Archiv befindliche Kira-en- stempel sowie die jetzige Siegelmarke und der gegenwärtig im Gebrauch befindliche Pfarrstempel das Bild der Linde. Die „Mitteilungen des sächsischen Heimatschutzes" be richten 1908 u. a. folgendes: „Im Jahre 1907 hat man die Krone abermals gestutzt aus Sorge, der alte Stamm möchte ihre Last nicht mehr tragen; deshalb beträgt die gegenwär tige Höhe nur zehn Meter. Aber frisch und üppig treiben die Aststummel neue Schossen saftigen Grüns, und so steht der uralte Greis als ein Bild unbesiegbarer Lebenskraft." 0. Sch. Mer ein Ganzer werden will. Ihr eigenen Halbheit huldigen, die nur immer sich entschuldigen! Wer ein Ganzer werden will. Hält dem rechten Tadel still! Reinhold Braun. Druck und vertag von Friedrich May, G. m. b. verantwortlich für die Schriftleitung Mar Niederer, lllmtüch in Bischofswerda.