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Tageblatt firAisihosswerda Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Der Sächsische Erzähler ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekannt machungen der Amtshauptmannschaft, de« Arbeitsgerichts und des Haupt zollamts zu Bautzen, des Amtsgericht«, des Finanzamt», der Schulinspektion und de» Ltadtrat» zu Bischofswerda behördlicherseits bestimmte Blatt Aleukivch und Umgegend Unabhängige Zeitung für alle Ständein Stadt und Land. Dicht verbreitet in allen Volksschichten. Beilagen: Illustrierte» Sonntagsblatt / Heimatkundliche Beilage / Frau und Heim / Landwirtschaftliche Beilage / Iugendpost. Druck und Bering von Friedrich May, G. m. b. H. in Bischofswerda. — Postscheckkonto Amt Dresden Nr. 1521. Gemeindrverbandsgirokaffe Bischofswerda Konto Nr. 84 Erscheinungsweise: Jeden Werktag abends für den folgenden Tag. Bezna»v«i» Nir di« Zelt «ine» halben Monats: Frei in« Hau halbmonatlich Mt. 1L0, beim Abholen in der Geschäftsstelle wöchentlich SO Psg. Einzelnummer 10 Pfa. (Sonnabend- und Sonntagsnummer IS Psg.) Fernsprecher Ami Bischofswerda Nr. 444 und 445. Im Falle höherer Bemalt — Krieg oder sonstiger irgendwelcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Beförderungseinrich tungen — hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieserung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückzahlung de» Bezugspreises. Anzeigenpreis (in Reichsmark): Di« 44 mm breit« «inspawa« Millimeterzeile 10 Psg , örtliche Ameigen 8 Psg., Sm TextteU di« vü mm breite Millimeierzeile 30 Psg. Für da» Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Nummern und an bestimmten Plätzen kein« Gewähr. — Erfüllungsort Bischofswerda. Nr. 1V3 Sonnabend, den 18. August 1S28. 83. Jahrgang Tagesschau. Reichspräsident von Hindenburg hat Donnerstag abend mittet» fahrplanmäßigen Schnellzuge» 12 Uhr 4 Mn. Bremen in Richtung Hannover verlosten. Er wird nach einem kurzen Aufenthalt dorl- selbfi nach Bayern Weiterreisen, um in Dietramszell seinen geplan ten Urlaub zu verbringen. * Drei Angestellte der J.-G. Farbenindufirie in Ludwig-Hafen sind unter dem Verdacht der Wirtschaftsspionage zugunsten Stank- reich» verhaftet worden. Die Untersuchung ergab, daß Frankreich ein über ganz Deutschland verbreitete« Reh der Werkspionage or ganisiert hat. * Da» Zentralkomitee der kommunistischen Partei Deutschland» hak beschlossen, einen Volksentscheid über den Panzerkreuzerbaa einzuleiten. * Der französische Ministerrat ist in dringlicher Form für den 23. August einberufen worden. Vie Anwesenheit sämtlicher Mini ster wird al» unerläßlich bezeichnet. * In Spalako ereigneten sich Donnerstag abend feindliche Kundgebungen gegen Italien. Der italienische Konsul und der Vlzekousul wvrden in einem Lokal tätlich angegriffen. * Die amerikanischen Flieger Hassel und Lramer find mit ihrem Flugzeug „Greater Rockford" zu einem Etoppenflug nach Irland und Stockholm aufgestiegen. * Der amerikanische Millionär und Flieger Levlne hat in Des sau ein Iunker»flugzeug vom Typ der „Bremen" bestellt. Er will damit -inen Flug nach Tokio und von dork nach Amerika unlerneh men. * Zwischen Belgrad und Risch entgleiste die Lokomotive eine» Lxpreßzuges: drei Personen wurden getötet. * Die Sowjetmongolei hat dem Staat Barga ein Ultimatum gestellt, in welchem ein wiederzusammenschluh verlangt wurde. Rach der Ablehnung des Ultimatum, ist die Kriegserklärung er folgt. Vie chinesische Vstbahn und japanische Bergbau- und Holz- lnkeressen sind in Mitleidenschaft gezogen. *) Ausführliches an anderer Stelle. Französische Wirtschaftsspionage. Drei Verhaftungen in Ludwigshafen. Ludwigshafen o. Rh., 16. August. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft sind kürzlich drei Angestellte der französi schen Geheimpolizei, der sogenannten Suretä im besetzten Ge biet, verhaftet worden. Die Verhafteten sind drei Angestellte der I.-G.-Farbenindustrie in Ludwigshafen, und zwar der Laborant Fritz Hellmann, der Laborant Richard Müller, beide aus Ludwigshafen und der Techniker Franz Schwarz wälder aus Mannheim. Sie wurden nacheinander am 27. Juli, am 31. Juli und am 4. August festgenommen. Bei der gleichzeitig in den Wohnungen der Verhafteten vorgenommenen Haussuchung fiel einerorückendesDe- weismaterial in die Hände der deutschen Polizei, aus dem einwandfrei heroorgeht, daß die drei Angestellten im Dienste der französischen SuretS standen und für die von ihr systematisch betriebene Werkspionage in der deutschen chemi- schen Industrie benutzt wurden. Die französische Werkspio nage erstreckte sich in der Hauptsache auf das Werk Ludwigs hafen und Oppau der J.-G. Farbenindustrie, aber auch auf die Leuna-Werke in Merseburg. Die Beziehungen der Ver hafteten zu dem französischen Spionagedienst reichten bis Dezember 1S27 zurück. Das Ziel der französischen amtlichen Werkspionage war darauf gerichtet, neue wichtige und erfolgversprechende Betriebsgeheimnisse auf Gebieten, die für die deutsche Wirt schaft weittragende Bedeutung haben und geeignet sind, die deutsche Volkswirtschaft vom Ausland« unabhängig zu ma chen, auszukundschaften und der französischen Industrie aus zuliefern. Obwohl es im letzten Augenblick gelang, die Ma chenschaften der Suretü oufzudecken, konnte leider nicht mehr verhindert werden, daß bereits einige Betriebsgeheimnisse in die Hände der Gegenseite geraten sind. Die Auftraggeber der verhafteten Agenten sind der kommandierende Chef, der Chefinstrukteur u. einige Inspektoren der französischen Geheimpolizei. Diese wurden fachmännisch angeleitet und unterstützt von einer Persönlichkeit, die ihr Büro in Paris hat. Bon dort aus reisten sie regelmäßig an ganz bestimmten Tagen in die Industriezentren am Rhein, um di« Berichte und Zeichnun- gen, die von der „Suretü" entwendet worden sind, auf ihre Verwendbarkeit für die französisch« Industrie zu prüfen und Die Libertö schließt ihre Ausführungen mit dem er neuten Hinweis darauf, daß die Rhetnlandräumung «ine große Gefahr bedeute, well Deutschland dadurch sein« Hände in Mittel- und Osteuropa frei bekäme. Polen hätte feine Unruhe bereits deutlich zu erkennen gegeben. Da» Blatt schließt, die französische Diplomatie befinde sich in einer sehr schwierigen Lage. Es werde ihr nicht leicht fallen, sich daraus zu befreien. Zu den Aeußerungen der Libertö bemerkt der Pariser Vertreter der TU.: Wie wir zu wissen glauben, handelt «» sich bei der in dem Pariser Blatt erwähnten Sondierung, die in Paris, London, Brüssel und Rom erfolgt sein soll, um kein« Demarchen, sondern vielmehr um ein« Ankün digung, in welcher Weise man in Deutschland beabsich tige, die Unterhaltung zwischen den Außenministern bei ihrer nächsten Zusammenkunft zu führen. Gedacht ist hier vielmehr an Genf als an Paris, da man sich auch auf deut scher Seite vollkommen klar ist, daß der amerikanische Staats sekretär Kellogg an einer derartigen Unterhaltung nicht teil nehmen werde. Diese Ankündigung der von deutscher Seit« beabsichtigten Gesprächsthemata bezweckt, auch der Gegen seite die Möglichkeit zu geben, sich für di« immerhin recht verwickelten Fragen der Rheinlandräumung vorztckereiten, um nicht nachher auf Einwendungen zu stoßen, daß die tech nische Seite der Frage noch der Vorbereitung bedürfe. Don einer Ablehnung, von der die LibertS spricht, kann daher unter keinen Umständen die Rede sein, wenn man sich ver gegenwärtigt, daß deutscherseits nicht» andere» al» «in« An kündigung in loyaler Form erfolgt«. „Manchester Guardian" über die europäische Lage. London, 17. August. „Manchester Guardian", sagt in einem Leitartikel: Niemand glaubt heute, daß England, Frankreich oder Deutschland Krieg wünschen. Aber wenn diese drei Länder nicht Zusammenarbeiten können, um ihn zu verhindern, dann wird der Krieg kommen. Gegenwärtig sind aber die Aussichten auf eine solche Zusammenarbeit gering und sie werden immer geringer. In gewisser Hinsicht ist tat sächlich die Lage ernster als in den Tagen von Locarno, wo Frankreich und Deutschland einander wie Feind« gegenüber- standen. Das Blatt lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Reihe von Zwischenfällen, „die nur verständlich sind, wenn man voraussetzt, daß der Wunsch besteht, die Rheinlandbesetzung aufreizend und herausfordernd zu machen" und fährt fort: Entweder ist dies das Ergebnis einer vorbedachten Politik, die zu der Annahme zwingen müßte, daß die britische Regie runa Locarno und vieles andere aufgegeben habe oder aber, es ist das Ergebnis fahrlässiger Dummheit. In beiden Fäl len sind die Aussichten ernst. Niemals waren Staatskunst und gesunder Menschenverstand notwendiger als jetzt, denn wir treiben wegvonLocarno und «in paar Fehler tön nen alles aufs Spiel setzen, was in jahrelanger Bemühung für den Frieden gewonnen worden ist. — Leider ist die Stimme des „Manchester Guardian" nicht die Stimme Eng lands. Das oppositionelle Blatt steht mit seinen Mahnungen ost vereinzelt. Einberufung des franrästfchrn Ministerrats für den 23. August? vtb. Pari», 17. August. „Malin" bestätigt heut« eine von einer in Pari, erscheinenden amerikanisch«» Zeitung «»»gesprochen« Ver mutung, daß entgegen der früheren Absicht ooch noch vor dem 1. September ein Ministerrat stattfinden soll. „Matin" «klärt, dich die Mitglieder der Regierung die Aufforderung erhalten haben, am 23. August einem Miiustrrrat belzuwohnea, und daß la der Auffor derung darauf aufmerksam gemacht wird, daß die tatsächliche An wesenheit sämtlicher Maifier unerläßlich sei. Vies« uner- wartete Einberufung eine» Miaisterrale», so fährt da» Blatt fort, und dl« ungebräuchlich« Erwähnung der llnerläßlichkett der tat sächlichen Anwesenheit der Minister lasten die Vermutung auftom- men, daß im Verlaus der Beratung« der Ministerpräsident fei« Kollegen ml« nicht nur dringlichen, sondern auch besonder» wicht«, gen Problemen zu befassen haben wird. Die Räumungsfrage. Die deutsche Außenpolitik nähert sich immer mehr dem Punkte, an dem sie sich klar entscheiden muß, ob der bisher verfolgte Weg weiter gegangen werden soll oder nicht. Die Absicht des deutschen Reichsaußenministers, die Rheinland frage in diesem Jühr noch zu erledigen, hat keine über mäßige Aussicht auf Erfolg. Denn der französische Gegen- spieler versteift sich immer mehr auf den Standpunkt, daß die Rheinlandfrage in irgendeiner Form mit dm Repara tionen und den interalliierten Schulden verknüpft werden müsse. Das bedeutet die Hinauszögerung aller Lösungen, da Amerika nicht vor der Beendigung seiner Präsidentschafts wahl und England nicht vor der Erledigung seiner Neu wahlen entscheidende Schritte zu tun bereit sein werden. Auch die Feierlichkeiten bei der Unterzeichnung des Kellogg- Paktes, über die man sich jetzt in den beteiligten diploma tischen Kreisen den Kopf über die Zeremonien zerbricht, werden keine Gelegenheit bieten, die wirklichen Probleme der internationalen Außenpolitik und die lebenswichtigen deutschen Wünsche gebührend zur Sprache zu bringen. O Pari», 18. August. Die Liberia schreibt, es lasse sich nicht mehr verheimlichen, daß die deutsche Regierung durch Vermittlung ihrer Botschafter in Paris, London. Brüssel und Rom sondiert hab«, ob sie am 27. August die Rheinlandräumung mit Aussicht auf Er- folg verlangen könne. Die Antwort sei ablehnend ausgefallen und habe besagt, daß di« Gelegenheit nicht gün- stig sei, da Kellogg nur zur Unterzeichnung de» Paktes käme und nicht wünsche, in die europäischen Angelegenheiten ver- wickelt zu werden. Die französisch« Regierung habe zu verstehen gegeben, daß sie der Räumung gegen Gegen leistungen und Garantien, die im übrigen noch völlig unbe stimmt seien, zustimmen würde. Di« deutsch« Regierung habe sich auf ihr moralisches Recht zur Forderung der Räumung berufen und darauf hingewiesen, daß «in Recht nicht bezahlt werden könne. Trotzdem sei Deutschland im Geist« der Ver ständigung bereit, sich sür die Räumung der dritten Zone ein Kompensationsobjekt zu überlegen, falls die zweit« Zone vor Ivöv geräumt würde. Mieder ein österreichisch-italienischer GrennwischenfaU. Innsbruck, 1«. August. Der Tiroler Anzeiger berichtet: Mehr- «re Wiener Journalisten unternahmen von Außer-Dillgratten in vsttirol eine Bergtour auf das Pfannhorn. Unterhalb der öster- reichisch-italienischen Grenze wurden die Tournisten auf österreichi- chem Gebiet von zwei italienischen Finanzbeamten angehalten und zur Auswelszeigung aufgefordert. Di« Touristen weigerten sich, sich aurzuweisen. Bei ihrem Rückmarsch wurden sie in einer Entfer nung von 200 bi» 280 Meter von den zwei italienischen Atnanzorga- nen verfolgt und gleichzeitig mit 8 bi» 6 Gewehrschüssen bedacht, di« glücklicherweise ihr Atel verfehlten. den „Surets"-Beamten und ihren Helfershelfern weitere An weisungen zu geben. Die Bezahlung der Agenten für ihre Spionagetätigkeit richtet sich nach dem Ergebnis der Prü fung. Aus Aeußerungen der Suretöbeamten gegenüber den verhafteten Agenten geht hervor, daß der fachmännisch« Lei ter der Werkspionage an gewissen zentralen Stellen in Paris ein und aus geht. Die Suretäveämten gingen bei der An Werbung ihrer Agenten und Helfershelfer ohne alle Scheu vor, im Vertrauen darauf, daß sie als Mitglieder der Besat zungsarmee dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen sind. Durch die Ausdeckung der Spionage in den Werken Lud wigshafen und Oppau der J.-G. Farbenindustrie ist ein wandfrei sestgestellt, daß das französische amtliche Spionageneh über ganz Deutschland ausgebreilel ist. Ein weiterer Angestellter der J.-G. Farbenindustrie, der bis 1927 im physikalischen Laboratorium im Werk Oppau und dann in Leuna tätig war, war mit der Spionage in den Leu nawerken beauftragt, für das die französische Werkspionage besonderes Interesse zeigte und für das sie eifrig Spione such te, während nach ihren Aeußerungen im Werk Ludwigshafen eine genügende Anzahl von Agenten tätig war. Auch auf das Werk Leverkusen der J.-G Farbenindustrie und vor allem auf die dortigen Betriebe der pharmazeutischen Abtei lung und auf das Werk Höchst am Main war der französi sche Werkspionagedienst bereits angesetzt, als durch die Ver haftung der drei Angestellten in Ludwigshafen das gesamte Werkspionagesystem ver französischen Surrt« klar aufgedeckt wurde. H> Man darf über aufsehenerregende große Skandale vom Schlage Rüsselsheim und der französischen Manöver unter keinen Umständen diese „kleineren" Fälle übersehen, die ge eignet sind, der deutschen Volkswirtschaft den allergrößten Schaden zuzufügen. Cs wäre endlich an der Zeit, daß diplo matische Schritte ergriffen würden, um diese Wirtschaftsspio nage ein für allemal zu verhindern. Nachdem man infolge der restlosen Abrüstung Deutschlands keine militärischen Ge heimnisse mehr auskundschaften kann, verlegt man sich auf die ebenso nach Lage der Dinge viel rentableren Schnüffe leien in der deutschen Wirtschaft. Dem deutschen Botschafter in Paris, dem nach offiziellen Verlautbarungen im Augenblick die Wahrnehmung deutscher Wirtschaftsinteressen im besetz ten Gebiet obliegt, erwächst hier eine dankenswerte Aufgabe.