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DerMMLrMer Bischofswerdaer Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Vies Blatt enthüll die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt- mannichaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschichten Beilagen: Bilderwoche, Jugend u. Deutschtum, Mode vom Tage, Frau und Heim, Landwirtschaftliche Beilage. — Druck und Verlag von Friedrich May G.m.b.H. in Bischofswerda. Fernsprecher Nr. 444 und 445 Grsch«in»»g»w«tse: Jeden Werktag abends für den folgend. Tag. für die Zeit eines halben Monats: Frei ins Hau» halbmonatlich Mk. l.20, beim Abholen in der Geschäftsstelle wöchentlich SO Pfg. Einzelnummer tO Pfg. 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Jahrgang Tagesschau. * Die Entscheidung über den Abschied des Generals von Seeckt ist noch nicht gefallen. Der Reichspräsident hatte am Donnerstag getrennte Besprechungen mit General von Seeckt und dem Reichswehrminister Dr. Gehler. * Die polnische Regierung lehnt immer noch die durch das Haager Schiedsgericht angeordnete Herausgabe des Stickstoffwerkes Lhorzow an Deutschland ab. * Die englische Bergarbeilerkonserenz hat die Regie- rungsvorschläge abermals abgelehnt. Durch weitere Be schlüsse der Konferenz ist eine außerordentliche Verschärfung der Lage eingetreten. Zu den mit " bezeichneten Meldungen finden die Leser Aus- > ihrliche- an anderer Stelle. Was sagt Amerika zu -en Wirren in China? Bon H. H e s s e - Neuyork. China erwacht. Jahrhundertelang wußte die Welt nicht, ob dieses ungeheure Land des himmlischen Reiches der Mitte mit seiner vieltausendjährigen Kultur vorwärts oder rückwärts ging oder ob es still stand. Nun aber erwacht es. Jahrhundertelang zurückgedämmtes Gefühlsleben drängt gegen die wankenden Dämme althergebrachter Ueberliefe« rungen. China erwacht — Asien erwacht und rüttelt an den Kel ten der weißen Eroberer, die es bedrücken. Von Peking bis Tokio, von Schanghai bis Indien brodelt es von Haß auf die Weißen, auf die Christen. Woher diese Unrast? Mehr als alle anderen hat der Weltkrieg der Christen dem „heidnischen" Asien die Augen geöffnet. Längst hatte es gefühlt, wie unduldsam, militari stisch, imperialistisch die christlichen Volker waren, bis das große Massenmorden ihnen die Bestätigung brachte, daß die io vielgerühmte Liebe und Brüderlichkeit vieler Christen nur Phrase war. So haben denn die sogenannten Vertragsmächte in China einen schweren Stand. Fünf Regierungen liegen in China im Kampfe, und die Stimmung der breiten Massen wird immer erbitterter — und fremdenfeindlicher. So mag denn die Zeit kommen, da China den fremden Eroberern ihre Verträge zerrissen vor die Füße wirft. Ein solcher weiter Rundblick von weltpolitischer Warte bestimmt die gegenwärtige Haltung Amerikas, die in einem gewissen Gegensatz steht zu der Meinung der Diplomaten in London, Paris und Tokio. Amerika sieht den Fortschritt des Nationalismus in China, während die anderen Mächte den Sieg der Reaktion wünschen — sie wollen China auch ferner teilen, um zu lferrschen und die Zwistigkeiten für sich auszunutzen. Amerika aber wünscht Ruhe um jeden Preis und einen starken Mann, der sie herzustellen vermöchte. Und mag er auch ein wenig oder sogar ziemlich radikal ange haucht sein — eine starke Zentralgewalt wäre Washington unter allen Umständen lieber als das gegenwärtige Chaos. In diesem Rennen um die Regierungsgewalt hatte Amerika auf Wupeifu gesetzt. Allein er versagte voll kommen. Die Kuomintang, die radikale Arbeiter» und Bolkspartei, verkündete seine endgültige Vernichtung. Washington nimmt die Tatsachen hin. Es verschloß sich schon vorher allen Vorschlägen, die England in letzter Zeit wiederholt machte und die eine militärische Besetzung Chinas durch Japan, England und die Vereinigten Staaten einlel- tcn sollten. Londons Politik wird von seinem kaufmänni- scheu Kontor in Schanghai bestimmt. In Washington aber herrscht überwiegend die Ansicht vor, daß der Nationalismus in China aus dem Siegesmarsche ist und man sich mit dieser Tatsache als unabänderlich abzufinoen habe. Aus diesem Grunde verlegt sich Amerika schon seit eini ger Zeit aufs Kompromisfeln, um sich den Anschein zu geben, als kenne es zum mindesten kein« Feindschaft gegen die nationalen Ziele Chinas, und sucht gleichzeitig da» Um sichgreifen des nationalistischen Fieber» möglichst zu hem- mcn, um noch einen Teil der Ernte einzubringen, solange di» Sonne scheint — bevor die schönen Aussichten verregnen und die Ausländer sich in der Rolle der betrübten Lohgerber sehen, denen die Fell« ihrer Vorrecht« in China fortge- schwömmen sind. Dor ollen Dingen aber sollte dies« Politik der Kompro- H die Vereinigten Staaten immer wieder al» den n id, den einzigen wohlwollenden Freund China» hin ¬ stellen. So wollte Amerika sich eine Dorzugsbehandlung seitens einer etwaigen radikalen Regierung Chinas im vor aus sichern und die Japaner und Engländer in den Hinter grund drängen. Dieses gute Einvernehmen bewog die Vereinigten Staa ten, China ein größeres Entgegenkommen zu bezeigen als irgendeiner anderen Nation. Mc. Murray, der amerika nische Gesandte in Peking, und Silas Srrawn, der amerika nische Vertreter auf der Zollkonferenz und in der Kommis sion für exterritoriale Angelegenheiten, hatten den direkten Auftrag ihrer Regierung, sich als Freunde der Chinesen auf zuspielen und bei jeder Gelegenheit durchblicken zu lassen, daß sie ein viel besseres Herz für die Ziele und Hoffnungen Chinas hätten als die Japaner und Briten. Allein alle Versuche konnten nicht Helsen. Das Umsichgreifen des natio nalistischen Geistes in China ließ sich nicht hemmen, und die Chinesen durchschauten das unehrliche Spiel des falschen Freundes immer mehr. Gleichzeitig waren die Engländer über diese „treulose Politik" sehr verschnupft. Auch die Konferenzen der Vertragsmächte, die die Un rast beschwichtigen sollten, blieben ergebnislos. War eine Einigung über die Erhöhung der chinesischen Zollsätze auch glücklich zustande gekommen, so ging bei der Teilung der Beute doch alles wieder aus dem Leim. Allein auch ohne dieses Mißgeschick standen die schönen Paragraphen schließ lich nur aus dem Papier, da eben eine starke Zentralgewalt fehlte, um die Zollgesetze durchzuführen. So fügt man sich denn in Washington in das unab änderliche Kriegsglück der Voltspartei und schwärmt ganz und gar nicht für ein militärisches Eingreifen in China. Denn was wären die Aussichten? Angesichts der ungeheu ren Ausdehnung des Reiches der Mitte ein Bandenkrieg, der riesige Opfer an Geld und Menschen verschlingen uiid sich jahrelang hinziehen würde. Eine Beschießung der Küsten würde den Koloß nicht im geringsten erschüttern. Wohl aber wäre es um die Weißen im Innern und ihre reichen Ansiedlungen geschehen. Der Krieg wäre also «in schlechtes Geschäft. Doch eine Vogelstraußpolitik treiben und die Ereignisse ignorieren — das erscheint Washington nach den Erfahrun gen dieser Taktik gegen Sowjetrußland auch wenig ver lockend. Die amerikanische Diplomatie war Rußland gegen über nicht kalt und nicht warm und konnte sich bis heule nicht zur Anerkennung der Sowjetunion ausschwingen, hat jedoch langst einscben müssen, wie sehr sie auf dem Trockenen sitzt und sich alle Auswege versperrt hat, die es ihr ermög lichen würden, sich mit Grazie aus der Patsche zu ziehen — und den über alles geliebten Geschäften mit Rußland freien Auftrieb zu gewähren, nach dem die amerikanische Industrie immer dringender verlangt. Mit der Politik des Ignorierens ist es also diesmal in der Bundeshaupts,adt nichts, vielmehr würde man selbst eine russcnfreundliche Zentralregierung in Kauf nehmen, falls sie nur die chaotischen Dinge in China wirklich meistert. Die nötige Bindung dieser radikalen Regierung würde man schon schnell besorgen. Denn wozu ist man Weltbankier? Man würde das gleiche Manöver ausführen, mittels dessen man sich in der dcuischcn Industrie Einfluß sichert — würde die Regierung von innen aushöhlen, indem man ihr An leihen vorsircckt, die Einfluß und Vorrechte als Pfand for dern. So bläst denn Amerika lockende Friedensschalmeien. Diese Fricdensschalmcien sollen den Haß besänftigen, den die Chinesen ihrem falschen Freunde entgegenbringen. Zum Glück kommt diesem ein Umstand zugute — die Japa ner und Engländer haben sich durch ihr brutales Vorgehen einen noch weit leidenschaftlicheren Haß des chinesischen Vol kes zugezogen, das nun schließlich von zwei Uebeln das klei nere, von drei Bedrückern den wählt, der es letzten Endes noch am wenigsten getreten. Das sichert Amerika immerhin ein gewisses gutes Einvernehmen mit einer Volksregierung. Allerdings hat es einen großen Rivalen — Rußland, den versteckten Organisator des neuen China. Noch keine Entscheidung im Kalle Geeckt. Berlin, 8. Oktober. (Drahtb.) Zu der Besprechung des Reichspräsidenten mit dem Reichskanzler ist cs am gest rigen Abend nicht mehr gekommen. Die Entscheidung über das Rücktriltsgcsuch t«s Generalobersten von Seeckt dürfte also frühestens heute zu erwarten sein. Der Reichspräsident empfing im Laufe des Tages Herrn von Seeckt und später den Reichswebrminisker Dr. Gcßlcr. Der Reichskanzler hatte eine Besprechung mit dem Relchsaußenministcr Dr. Stresemann. Die gestrigen Empfänge des Generawbersten von Seeckt und des Reichswehrmiuisters Dr. Geßler durch den Reichs präsidenten führen mehrere Blätter auf den Versuch des Reichspräsidenten zurück, den Konflikt zwischen dein Riini- sler und dem Chef der Heeresleitung gütlich beizulegen. Wie das geschehen könnte und ob ihr Versuch Erfolg gehabt Hal, ist den Blättern nicht bekannt. Jedenfalls sei eine Lösung,, die den Rücktritt Dr. Gcßlers nach sich ziehen müßte, nicht denkbar, da ein solcher Rücktritt unmöglich ohne Rückwir kung auf das Gcsamtkabinekt bleiben könnte. Heute vor mittag wird sich der Reichspräsident mit dem Reichskanzler besprechen. Im Anschluß daran dürste dann die Entschei dung über das Abschiedsgesuch des Ehefs der Heeresleitung fallen. Zur weiteren Aufklärung der Angelegenheit wird aus Berlin gemeldet: Der Reichswehrminister Geßler erfuhr aus Meldungen der Zeitungen, daß der Prinz in Uni form den Manöver» in Süddeutschland bei gewohnt habe, wandte sich darauf an den General von Seeckt, um von ihm informiert zu werden, und erhielt bei dieser Gelegenheit von dem Chef der Heeresleitung die Mit teilung, daß er selbst die Erlaubnis erteilt habe, daß der Prinz vorübergehend in die Reichswehr eingestellt werden solle. Damit steht fest, daß der Prinz in der Uniform der Reichswehr Dienst getan hat, was zweifellos als ein Ver - stoß g « gen den im Versailler Vertrag festgelegten Ausbau unserer Wehrmacht anzusehen ist. Hieraus mußte sich dann naturgemäß der Konflikt ergeben, der dann zum Rücktritts- gesuch Äeckts führte. Inzwischen werden neuerdings, aber nicht aus amt- lichen Quellen stammende Einzelheiten bekannt, die von einer Besprechung wißen wollen, die aus Anlaß eines geselligen Zusammenseins zwischen der Kronprinzes sin Cäcilie und dem Seneral von Seeckt stattgefunden hat. »ei dieser Gelegenheit soll die Kronprinzessin den Wunsch geäußert haben, daß ihr Sohn wieder in Beziehun- gen zum Heer trete» und sich militärisch betätigen möge. Man nimmt an, daß diese Besprechung rein gesellschaftlicher Natur wohl den Ausgangspunkt zu der späte- ren Erlaubnis des Generals geworden ist. Selbst wenn die Zusammenkunft, wie sie oben geschildert wurde, nicht die Ursache zu dem Eintritt des Prinzen in das Heer geworden ist, steht doch fest, daß Herr von Seeckt zweifellos in einem schwachen Augenblick sich eine Zustimmung ab ringen ließ, die besser unterblieben wäre. ' In den leitenden Reichskreisen ist man bemüht, die An gelegenheit so rasch wie möglich aus der Welt zu schaffen. Es ist nur darauf zurückzuführen, daß sich die Rückkehr des Reichskanzlers aus Bad Harzburg nicht so schnell bewerk stelligen ließ, wenn bis zur Stunde noch keine Entscheidung des Reichspräsidenten gefallen ist, die er nicht, ohne vorher mit Marx Rücksprache genommen zu haben, fällen wollte. ! Daran, daß das Rücktrittsgcsuch durch Hindenburg bewilligt wird, zweifelt man nach Lage der Dinge nicht. Pariser Gcho ?um Mcktrittsgefuch Seeckts. Paris, 8. Oktober. "(Drahtb.) Das Demissionsgesuch des Generals von Seeckt wird natürlich hier auch weiter hin als sensationelles Ereignis behandelt. Die Kommentare der Links- und Rechtspresse betonen die h e r v o'r r a ge n - de Leistung des Generals in Bezug auf die Organisa- tion der deutschen Reichswehr und die Schwierigkeiten, die er den Alliierten in der Entwasfnungsfrage in den Weg zu legen verstanden habe. Sceckts Rücktritt wird naturgemäß von der französischen Presse mit großer Befriedigung be- grüßt. Man erklärt, daß derselbe einen Vorteil für die end- gültige Durchführung der Entwaffnungsklausel des Verfall- ler Vertrages bedeute. Die offiziell bekanntgegebenen Gründe seines Rücktritts werden angezweiselt. Man ver mutet vielmehr in dem Rücktritt ein Arrangement, das die Durchführung der von Stresemann in Thoiry eingeleiteten Verhandlungen erleichtern soll. Gleichzeitg drückt man die Befürchtung aus, daß Seeckt nur durch die eine Tür hinaus gehe, um durch die ander wieder zurückzukehren. Es fehlt auch nicht an Wünschen, den Reichspräsidenten von Hinden burg in die Affäre verwickelt zu sehen. Der Tempi» be tont, daß der Rücktritt des Generals von Seeckt auf alle Fälle eine Wendung In der Geschichte der deutschen Repu blik bedeute. General von Seeckt hätte einen Staat im Staate dargestellt und selbst in seinem Posten als technischer Ratgeber sei er das Herz der Arme« und der Schöpfer der neuen deutschen Militärmacht gewesen. Reichswehrminister Dr. Geßler bildete nur die Deckung für das Wert der mili tärischen Reorganisation, das Seeckt mit seiner seltenen Energie durchzuführen verstanden habe. Von zuständiger sranzösischer Seite erging gestern abend an die französische Presse die Einladung, die Kommen-