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gleich und Verständigung würden unvollkommen kein, wenn nicht auch an der Saar politisch und wirtschaftlich normale Zustände erreicht werden «innen und wenn Deutschland nicht bet. der ersten sich bietenden Gelegenheit in den Kreis der Mächte zugrlassen würde, die an der kolonialen Erschlie- ßuna der Welt beteiligt sind. Wenn über die politische Brr» Kündigung mit Frankreich hinaus noch «ine wirt« sch aftlich«.Entente erreichbar ist, so würde das mit Freuden zu begrüßen sein und unter diesem Gesichtspunkt sei auch der Gedanke eines finanziellen Entgegenkommens hinsichtlich der dem Treuhänder für die Reparationen über gebenen Cisenbahnobligationen erörterungs fähig. Die außenvolitische Rehabilitierung Deutschlands wird auch die Windereinsübrung Deutschlands in den Or ganismus der Weltwirtschaft vorteilhaft beeinflussen. Die Erkenntnis ist auf dem Marsch, daß Deutschland nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich in einem geordneten europäischen Wirtschaftsleben nicht zu entbehren ist. Die innenwlrtschafiliche Entwicklung bereitet nach wie vor ernst« Sorgen. Anzeichen der Besserung sind vorhanden, aber noch bedingt die Unterhal tung unseres Erwerbslosenheeres einen Aufwand von 100 Millionen Mark monatlich. Die Regierung wird demgegenüber ihre Politik der Ankurbelung der Wirtschaft und des Arbeitsmarkte» mit Entschlossenheit sortzusetzen haben. Als nächstes großes Problem der staats wirtschaftlichen und privatwirtschaftlichen Entwicklung steht der endgültige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden bevor. Die innerpolitische Ent wicklung zeigt eine erfreuliche Konsolidierung. Der in Sach sen unternommene Versuch, bet den bevorstehenden Land tagswahlen die Tendenz eines Ausschlusses der Sozialdemo kratie von der staatlichen Verantwortung als Kampfparole zu etablieren, würde ein schwerer und verhängnisvoller psychologischer Fehlgriff gewesen sein, um so schwerer, als gerade in Sachsen in mehrjähriger Koalitionsregie rung die Sozialdemokratie eine stark« Staatsver antwortung betätigt hat. Ich bestreite den Wehr verbänden jede Berechtigung, zur politischen Samm lung aufzurufen. Aluanzminister Dr. Dehne: In der Politik kann man nur von Tatsachen ausgehen, Ideale kann man zu erreichen versuchen. Als die Deutsch nationalen die Locarnopolitik mitmachen sollten, da zeigte es sich, daß sie nicht imstande waren, ihre Ideale hinter die reale Wirklichkeit zu setzen. Anders haben die 23 sächsischen Sozialdemokraten gehandelt. Wir werden nachweisen kön- li'Sn, daß wir eine Politk getrieben haben, die sich sehen las- sen kann. Die sächsischen Steuern, die wir noch in diesem Landtag durchgebracht haben, sind eine unerfreuliche Erscheinung, aber sie sind uns zwangsläufig vom Reiche auf- «legt worden. Die Beamten- und Personalpolitik des Staates steht glücklicherweise nicht mehr im Vordergrund des Streites. Minister a. D. Dr. Seyferl ging nochmals auf die Bedeutung der Großen Koalition in Sachsen ein. — An die programmatischen Vorträge schlossen sich interne Verhandlungen an. Auf dem Parteitag wurden mehrere Entschließungen einstimmig angenommen, in denen u. a. in Anbetracht der Wrker werdenden Wirtschaftskrise und der damit sich er höhenden Zahl der Erwerbslosen gefordert wird, das Ar beitsbeschaffungsprogramm sofort in die Tat umzusetzen. Zur Linderung der Not der Erwerbslosen werden seitens der Staatsregierung sofortige Hilfsmaßnahmen erwartet. Die Haltung der Reichs- und Landtagsfraktion in Kultur- und Schulfragen wurde gebilligt. — Der Landesparteitag setzte ferner einen Ausschuß ein, der zusammen mit dem Landesparteioorstand die endgültige Kandidatenaufstellung für die Landtagswahlen regelt. Strafantrag gegen Eberts Sohn. Berlin, 24. September. Nach einer Meldung des „Vor wärts" aus Brandenburg hat der Reichswehrminister Dr. Geßler gegen den verantwortlichen Redakteur der sozial demokratischen „Brandenburger Zeitung" Fritz Ebert, den Sohn des verstorbenen Reichspräsidenten, Strafantrag we gen Beleidigung der Reichswehr gestellt. Das Blatt hatte der Reichswehr staatsfeindliche politische Tätigkeit und Miß achtung der Reichsfarben vorgeworfen. Neues aus aller Wett. Sensationeller Juwelenraub am Hellen Lage. Mil Revolver und Rauchbombe. — Für 150 000 Mark Juwelen geraubt. Berlin, 25. Sept. Ein schwerer Raubüberfall, der in feiner Ausführung an die Raubzüge der berüchtigten Reu- yorker Banditen erinnert und wohl in der Srlmlnalgeschichte der Reich-Hauptstadt ohne Beispiel dastehl, ist am Sonn abendnachmittag um Uhr, also am bellichten Tage, in der belebtesten Geschäftsstraße de« Berliner Westen«, der Tauentzlenftraße in unmittelbarer Rühe de« Wittenberg platzes verübt worden. Zwei gutgekleidete Herren drangen in da» Juweliergeschäst vonMarotti L Freink S. m. b. h. in der Tauentzienstraße 7, ein, trieben mit vorgehal tenem Revolver da» Geschästspersonal in ein Hinterzimmer, raubten au» dem Schaufenster die aus einer Glasplatte lie genden Juwelen im werte von etwa 150 000 „tt und warfen, al« in diesem Augenblick ein Kunde da» Geschäft betrat, eine Rauchbombe, die da« ganze Geschäft in dichten Qualm hüllte. Im nächsten Augenblick ergriffen die Banditen die -lucht, rauuteu quer über die Straße tu da» Kaufhaus de» Westen«, wobei fle sich die Verfolger und da» Vareahau«- personal mit Revolvern vom Leibe hiesten, und entkamen schließlich durch eia ebeufaS» zu de« Raushav» gehäreude» Reben bau» nach der Dalianer Straße ZU. Obwohl das Ueberfallkommando und die Kriminalpoli zei in wenigen Minuten zur Stelle waren, konnte man bi«- her der Täter nicht habhaft werden. Der heftige Knall der explodierenden Feuerwerkskörper und der Rauch, der durch die offengebltebene Ladentür au» dem Geschält herausdrang, hatten zwar sofort die Aufmerksamkeit des Publikums auf den Laven gelenkt, aus dem dann gleich darauf, laut um Hilfe rufend, das Personal auf die Straße eilte. Unter dem Geschrei „Haltet den Diebl" setzte einewildeIagd hin ter den beiden Räubern ein, Vie mit den Revolvern in der Hand nach dem Eingang des Kaufhauses des Westens rann ten. Hier war man durch den Lärm bereits aufmerksam ge macht worden. Die vor dem Kaufhaus promenierend« Menge stob, als di« Banditen mit dem Revolver in der Hand hecon- eilten, panikartig auseinander. Am Eingang des Kauf hauses stellte sich den beiden der dort postierte Dortier ent gegen, der den Versuch machte, wenigstens einen der Räuber sestzuhalten. Dieser und seln Komplice richteten aber sofort ihre Waffen auf den Pförtner, der angesichts der entschlosse nen Miene der beiden vor ihnen zuruckwich. Mit den Pi stolen in der Hand drängten sich die Banditen dann durch die zahlreichen Käufer und sonstigen Besucher des Kaufhauses und entkamen in der allgemeinen Panik und Verwirrung. Vier Kommissare der Berliner Kriminalpolizei mit einem Heer von Beamten sind ununterbrochen unterwegs, um alle Schlupfwinkel derartiger Verbrecher zu durch stöbern und etwaigen Spuren nachzuforschen. Bisher ist über ein greifbares Resultat noch nichts bekannt geworden. Vor allen Dingen sind alle in Frage kommenden Stellen in- und ausländischer Polizeibehörden, Iuwelengeschäfte, Pfandleihen usw. von der Tat in Kenntnis gesetzt worden, und man bat ihnen, soweit das nach den Angvoen der geschä digten Geschäftsinhaber möglich war, eine Beschreibung der geraubten Juwelen übermittelt, damit bei ihrem etwaigen Austauchen im Handel sofort zugegriffen werden kann. Un gewöhnlich stark ist diesmal die Beteiligung des Publikums an den Ermittlungen der Kriminalpolizei. Die Ermittlun gen der Kriminalpolizei haben ergeben, daß es sich hier um einen von langer Hand vorbereiteten, sehr sorgfältig ausgeführten Plan handelt. Gesehen worden sind beim Einbruch nur zwei der Räuber, aber die Polizei rech net bestimmt damit, daß mindestens eine dritte Person, die Schmiere stand, gleichfalls in die Tat verwickelt ist. Auf die Ergreifung der Täter wurde für die Wiederherbeischaffung der geraubten Werte eine Belohnung von insgesamt 15 000 Mark ausgesetzt, und zwar hat das Polizeipräsidium 3000 Mark und die geschädigte Firma 12 000 Mark ausgesetzt. — Schon wieder ein Eisenbahnattentat durch Schul jungen. Vor der Durchfahrt eines Güterzuges von Kauf beuren nach Schongau wurde eine Anzahl großer Steine auf das Gleis gelegt. Nur der Aufmerksamkeit des Zug führers ist es zu danken, daß kein Unglück geschehen ist. Der sofort eingeleiteten Untersuchung gelang es, als Täter zwei Schuljungen aus Linden festzustellen. Erst kürzlich wurde auf der gleichen Strecke ein ähnlicher Anschlag verübt. — Lynchjustiz in Miami. Drei Neger, die in der Nähe von Miami beim Plündern überrascht wurden, sind von der Menge gelyncht worden. Ihre Leichen wurden verbrannt. Sie hatten versucht, die Ringe einer toten Frau, die inmitten ihrer ebenfalls toten Kinder lag, zu stehlen. Die Ankunft von Marinetruppen bereitete der Plünderung auf dem Strand von Miami ein Ende. — Thoiry-Sorgen der Amerikaner. In der amerika nischen Oeffentlichkeit finden die politischen Vorgänge, die sich während der Genfer Tage in dem kleinen Iuradörfchen Thoiry abgespielt haben, kaum mehr Beachtung als die Aeußerlichkeiten dieser denkwürdigen Begegnung. In amerikanischen Blättern werden lange Berichte darüber be richtet, wieviel Zigarven Stresemann und wieviele Briand während der Unterredung geraucht haben. Bisher steht di« "New Pork Tribüne" mit sechs Zigarren für Briand und vier für Stresemann an der Spitze der Liste. Von den ebenfalls gemeldeten vier Weinflaschen und zwei Mineral wasserflaschen wird dagegen bislang eine Verteilung noch nicht berichtet. Aus Sachsen. Karrdtaaskandidaten der Deutschen Dotkspartei. Am Sonntag tagte in Dresden der ostsächsische Wahl kreisvertretertag der Deutschen Volkspartei. Als Spitzen kandidaten für die Landtagswahl stellte er auf: 1) Oberbürgermeister Dr. Blüh er, Dresden: 2) Staatsminister Dr. Kaiser, Dresden: 3) Privatus König, Kötzschenbroda; 4) Kaufmann Beck, Herrnhut; 5) Frau Dr. Hertwig-Bünger, Dresden; 6) Studienrat Hardt, Löbau; 7) Reichsbahnrat Dr. Hartwig, Dresden; 8) Fleischerobermeister Luntze, Bautzen; 9) Professor Dr. Hofsmann, Freiberg; 10) Finanzdirektor i. R. Anders, Dresden; 11) Studienrat Müller, Pirna; 12) Reichsbahnschlosser Bayer, Dresden. Die drei ersten Kandidaten wurden unter lebhaftem Bei fall durch Zuruf gewählt. Kandidaten der Mlrtschaftspartei. Lfe Reichrpartel de» deutschen Mittelstandes, (Wirt- schaftsvartei) hielt cim Sonntaa in Dresden ihren Wahlkreis- vertrewrtag ab. In der cm« dem ganzen Wahlkreise Dres den-Bautzen beschickten Versammlung fanden die program matischen Richtlinien sür den bevorstehenden Landtagswahl, kampf, die vom Parteivorsitzenden Obermeister Kaiser und von Rechtsanwalt Dr. Wilhelm vorgetragen wurden, volle Zustimmung. Einstimmig stellte man für die ersten 10 Plätze der Kandidatenliste im Wahlkreis Dresden- Bautzen folgende Herren auf: 1) Bäckerobermeister Hermann Kaiser, Dresden 2) Baumeister und Stadtverordneter Walther Groß mann, Dresden, 3) Rechtsanwalt Dr. Wilhelm, Dresden, 4) Kohlenhändler und Stadtverordneter Hermann Aß- mann, Dresden, 5) Gastwirt und Kaufmann Richard Thümmel, Cosse- baude, 6) Schneiderobermeister u. Stadtrat Kurt Hofmann, Kamenz, 7) Syndikus Georg Lißke, Dresden, 8) Landwirt Ernst Bretschneider, Copitz, 9) Friseurobermeister Bruno Stephan, Löbau, 10) Milckhändler und Stadtverordneter Max Becher, Dresden. Nach Erledigung und Besprechung der praktischen Auf- gaben im Wahlkampf und einer eingehenden Aussprache über die Gemeindewahlen sckstoß der Obermeister Kaiser mit einem Appell zu reger Mitarbeit die Versammlung. Sächsischer Philologetrtag. Am Freitagoormittag wurde der Sächsische Philologen tag durch eine Bertreterversammlung im Sitzungssaale des Landtagsgebäudes in Dresden eröffnet. Nach Erledigung des geschäftlichen Teiles berichtete Studienrat Dr. Forker über Besoldungsfragen. Längere Verhandlungen über Satzungsänderungen schlossen sich an. Einen breiten Raum nahm die Aussprache über die Pressetätigkeit des Philo logenvereins im Anschluß an Referate des Studienrats Dr. Richter und des Oberstudiendirektors Dr. Boehm ein. Dr. Boehm verlas dabei eine von der Lehrerschaft des Pädago gischen Instituts an der Technischen Hochschule zu Dresden eingesandte Erklärung, die sich auf die von Dr. Boehm dem Prof. Dr. Seysert vorgeworfenen Zitatenfälschungen bezog. Das Wichtigste dieser Erklärungen lag in der Mitteilung der von den Einsendern getroffenen Feststellung, daß die Ab weichungen der Seyfertschen Zitate fast ausschließlich durch das Uebertragen des Stenogramms in Schreibmaschinen schrift entstanden sein. Dr. Boehm stellte hierzu fest, daß also Prof. Seyfert schwer«, die wissenschaftliche Ehre eines anderen antastende Angriffe verbreitet habe, ohne sich vorher zu überzeugen, ob denn sein stenographisches Ma nuskript überhaupt richtig übertragen worden sei. Einen weiteren wichtigen Punkt bildete die Denkschrift des Mini steriums sür Volksbildung zur Neuordnung des höheren Schulwesens in Sachsen. Studienrat Dr. Ehrentraut verlas die vom Minister Dr. Kaiser hierzu abgegebene Erklärung. Die Kredite für die Urrrvetter- geschädigten. Zu den schon gebrachten Mitteilungen über die Maß nahmen, die die Regierung zur Linderung der Not der Hochwassergeschädigten getroffen hat, wird von zuständiger Seite noch ergänzend mitgeteilt, daß hinsichtlich der Dar lehen nicht völlige Freiheit von jeder Sicherstellung vorge sehen worden ist. Die für die Gewährung von Krediten an Privatgeschädigte von der Regierung zur Verfügung gestellte Summe von 2 Millionen RM. wird der Landesgenossen schaftskasse überwiesen, die sie zur Weitergabe von Not- standskreditcn durch Vermittlung der Sächsischen Landwirt schaftsbank zu verkaufen hat« Da die Landesgenossenschafts kasse dem Staate gegenüber für rechtzeitigen Eingang der Zinsen und der je zur Hälfte in vier und in fünf Jahren fälligen Darlehnsbeträge haftet, muß ihr, bezw. der von ihr mit der Erledigung der Geschäfte beauftragten Landwirt schaftsbank das Recht zustehen, von den Kreditnehmern in dem unbedingt nötigen Maße Sicherheiten zu fordern. Für die einzelnen Kreditgesuche wird die Landwirtschaftsbank Vordrucke den Amtshauptmannschaften und bezirksfreien Städten zugehen lassen. Die ausgefüllten Kreditanträge sind der Landwirtschaftsbank durch die genannten Verwaltungs behörden unmittelbar mit ihren amtlichen Bescheinigungen vorzulegen. Etwaige Gesuche der Geschädigten, die an die Landwirtschaftsbank direkt ohne Vermittlung der zustän digen Verwaltungsbehörde eingehen, müssen von der Bank erst an diese zur Prüfung gesandt werden. Es empfiehlt sich daher, daß alle Kreditgesuche nur bei den Verwaltungsbe hörden angebracht werden. Plauen. 27. Sept. Sartoffelmißerake im Vogllande. Die Kartoffelernte im Vogllande ist jetzt im Gange und es läßt sich erst heute übersehen, wie geradezu katastrophal diese Ernte durch den abnormen, nassen Sommer gelitten hat. Auf vielen Böden wird kaum die Aussaat geerntet werden. Im Durchschnitt kann mit. einem Ausfall von 50—70 v. H. gegenüber der Normalernte gerechnet werden. Selbst die schlechteste Kartoffelernte in den letzten Jahrzehnten reicht nicht an da» diesjährige Ergebnis heran. Dresden. 27. Sept. Berufung. Staatsanwalt Thierack von der Staatsanwaltschaft Leipzig ist als Staatsanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden berufen worden.