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Mfchofswerüaw Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Vies Blati enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt mannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und de« Stadtrats zu Bischofswerda. Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschtchten Beilagen: Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Beilage Geschäftsstelle Bischofswerda,- Altmarkt 15. — Druck und Verlag von Friedrich May G.m.b.H. in Bischofswerda. Fernsprecher Nr. 444 und 445 Grfch tteungoweife: Irden Werktag abend, für den folgend. Tag. Bezugspreis iür die Zelt eines halben Monats: Frei ins Hau» halbmonatlich Mk. 1.20, beim Abholen in der Geschäftsstelle wöchentlich SO Pfg. Einzelnummer 15 Psg. — Alle Postanstalten, ^wie unsere Zeitungsausträger und die Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Postscheck-Xonto: Amt Dresden Nr. 1S2L. 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Der Reichsparteivorstand des Zentrums beschloß, di? Zentrumsangehörigen aufzufordern, beim Volksentscheid nicht für die Enteignung der Fürsten zu stimmen. * In Paris herrscht starke Beunruhigung über de» neuen Frankensturz. Man erwartet den Rücktritt der Re gierung. Nach einer Meldung aus Bukarest hat die rumänische Regieruna infolge der russischen Truppenkonzentrierung an der polnischen Grenze, entsprechend den Besttmmungen des polnisch-rumänischen Vertrages teilweise eine Mobilisierung der Streitkräfte angeordnet, die an der bessarabischen Grenze zusammengezogen wurden. * Zur Erleichterung und Beschleunigung der Durchfüh rung veterinärpolizeilicher Maßnahmen gegen die Maul- und Klauenseuche hat das sächsische Wirtschaftsministerium eine neue Verordnung erlassen. Zu den mit * bezeichneten Meldungen finden die Leser Aus- sübrliche- an anderer Stelle. Vertrauensvotum für das Kabinett Marx. Berlin, 19. Mai. Am Regierungstische: Reichskanzler 2r. Marx mit den übrigen Mitgliedern des Reichskabinetts. Auf der Tagesordnung steht als einziger Punkt die Ent- gegennahme einer Regierungserklärung der Reichsregie rung. Die Regierungsparteien haben dazu einen Antrag ein gebracht, der besagt: „Der Reichstag nimmt von der Regie rungserklärung Kenntnis und geht über alle Anträge zur Tagesordnung über." Reichskanzler Marx der sofort das Wort erhielt, führte folgendes aus: Die Reichsregierung, die am heutigen Tage vor die deutsche Volksvertretung tritt, setzt sich mit Ausnahme des Kanzlers aus denselben Männern zusammen wie das Kabi nett Luther. Reichskanzler Dr. Luther ist aus unserer Mitte geschieden. Nach einer längeren Würdigung der politischen Arbeit seines Amtsvorgängers fuhr Marx fort: Ich glaube mit der Meinung weiter Kreise dieses Hohen Hauses übereinzustimmen, wenn ich annehme, daß bei der Zusammensetzung des neuen Kabinetts eine eingehende und umfassende Regrerungserklärung nicht erforderlich erscheint. , ..... Das Kabinett wird die bewährte Außenpolitik des Reiches weiterführen. Diese Politik, die mit der Regelung der Reparationsfragen in London begann, sollte ihren Abschluß in den Verträgen von Locarno finden. Wir hoffen, daß die Verhandlungen der Studienkommission in Genf dazu führen werden, die Locarno-Verträge bald end gültig in Kraft zu setzen und Deutschland die Möglichkeit zu geben, als ständiges Mitglied des VSlkerbundrats an besten großen Aufgaben mitzuarbeiten. Der zwischen Deutschland und der Sowjet regte - rung geschlossene Vertrag fügt fick durchaus in diese Poli tik ein. Er ist ein Ausdruck der freundschaftlichen Bezieh ungen zwischen Deutschland und seinem großen Wichen Nachbarvolk«, und ein weiteres Glied in der Reihe der Ver träge, die dem Frieden und der Festigung Europas dienen sollen. Obwohl keine verfassungsmäßige Verpflichtung hier für besteht, wird der Vertrag angesichts feiner Bedeutung demnächst dem Reichstag vorgelegt werden. Schwere wirtschaftliche Not, die sich insbe sondere in der langandauernden und außergewöhnlichen um fangreichen Arbeitslosigkeit äußert, lagert nach wir vor auf weiten Kreisen des deutschen Volkes. Hier Abhilfe zu schaf fen, wird auch von der gegenwärtigen Regierung als vor nehmste Pflicht betrachtet. Wenn ich nicht auf die Bedürfnisse und Wünsche der einzelnen Wirtschafts- und Verufrkreise eingehe, so soll das nicht eine Geringschätzung darstellen. Wir werden ihnen bis an die Grenze des Möglichen entgeganzukommen stets bestrebt sein. " Zwei Fragen allerdings erfordern nach meiner Mei- nung «ine besondere Erwähnung. Der Gnmd fiegt in bau Ereignissen der letzten Wochen. Sch weis« zunächst auf den von der Mehrheit des Reichstages gefaßten Beschluß hin, der das Schreiben des Herrn Reichspräsidenten zur Flaggenfrage begrüßt und im Einklang mit diesem Schreiben den Wunsch nach Herbeiführung einer Einigung zu lebendigem Ausdruck bringt. Die Reichsregierung wird mit ganzer Kraft daran gehen, die Wege, die das Schreiben des Herrn Reichspräsi denten andeutet, einzuschlagen und das durch jenes Schrei ben gesteckte Ziel zu erreichen. Selbstredend wird hierdurch Bestand und Durchführung der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 5. Mai dieses Jahres, deren Rechtsgültigkeik nicht bezweifelt werden kann, in keiner weise berührt. Ferner möchte ich die Frage der Auseinandersetzung zwischen den Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern nicht unerwähnt lassen. Der Termin zum Volksentscheid ist auf den 20. Juni anberaumt worden. Die grundsätzliche Einstellung der Reichsregierung zu dem dem Volksentscheid unterbreiteten Gesetzentwurf über die entschädigungslose Enteignung der Fürsten erleidet durch die Umbildung des Kabinetts keine Aenderung. Die Reichsregierung wird des halb auch den Gesetzentwurf, den die frühere Regierung ge mäß einem Kompromißantrag der Regierungsparteien dem Reichstag unterbreitet und den dieser in der vorigen Woche mit der verfassungsmäßigen Mehrheit angenommen hat, dem Reichstag zur weiteren Beratung zuleiten. Die Reichsregierung bittet den Reichstag um seine Unterstützung in ihrem Bestreben, auf der Grundlage der republikanischen Weimarer Verfassung das Wohlergehen des deutschen Volkes in all seinen Teilen zu fördern und die Einheit des Reiches unter gleichzeitiger Achtung der Rechte der Länder zu schützen. Nur im engsten verständnisvollen Zusammenarbeiten zwischen Regierung und Volksvertre tung ist das erstrebte Ziel zu erreichen. Die Aussprache. Nach einer Regierungserklärung erhält Abg. Müller- Franken (Soz.) das Wort. Der Redner stellt fest, daß sich Dr. Luther, obwohl er sich zum parlamentarischen System bekannte, doch über das dem Parlamentarismus Selbstver ständliche hinweggesetzt habe. Es wurden entscheidende Maß nahmen getroffen ohne jede Fühlungnahme mit den Par teien. Der Sturz Luthers muß eine Warnung und Lehre für die kommenden Regierungen sein. Falsch sei es, zu be haupten, daß die Flaggenfrage dem deutschen Volke schnuppe sei, das deutsche Volk in seiner großen Mehrheit wolle von Schwarz-Werß-Rot gar nichts mehr wissen. (Lachen rechts.) Die Ausführungen zur Flaggenfrage genügen nicht. Die Fraktion werde daher einen Gesetzentwurf einbringen, der die Beflaggung der staatlichen Gebäude und der diplomati- schen Vertretungen regelt. Der Redner stimmt den Ausfüh rungen des Kanzlers über die Erwerbslosenfürsorge und über die Weiterarbeit auf dem Boden der Weimarer Verfas sung zu. Redner äußert sich dann zu der Regierungsbildung und erklärt, daß die Schaffung einer Mehrheitsreaierung an der Politik der Dolkspartei gescheitert sei. Die Verein barung zwischen Zentrum und Dolkspartei sei höchst zwei deutig. Das Zentrum sehe in der Feststellung, daß für die Mehrheitsbildung nur Parteien in Frage kommen können, die sich auf den Boden der Verträge stellen, sicher den Weg zur Großen Koalition, wahrend die Volkspartei damit einen Wink mit dem Zaunspfahl an die Deutschnationalen richte. Der Redner behandelt weiter die neuesten Veröffentlichungen über beabsichtigte Putsche und erklärt unter lautem Wider spruch der Rechten und der Kommunisten, daß die revolu tionäre Kampfkraft der Kommunisten gebro chen sei. Dagegen müssen die Mitteilungen über Be sprechungen der Reichswehr mit Rechtsverbänden außer ordentlich ernst genommen werden. (Unruhe rechts!) Even tuelle Mißtrauensanträge werde die sozialdemokratische Fraktion ablehnen. Die sozialdemokratische Fraktion sei be reit, die Regierung solange zu unterstützen, als sie die ange kündigte Politik beibehalk. Im übrigen habe seine Partei eine Auflösung des Reichstages nicht zu sürchten. Reichrinnenminister Dr. LSI; stellt gegenüber den Be hauptungen des sozialdemokratischen Redners fest, daß zwi schen dem Rattonaloerband det deutschen Offiziere und der Reichswehr «ine Verbindung nicht oestehe. Jede Verbin dung mit politischen verbänden sei streng verboten. Abg. Graf v. Westarp (Deutschnat.): Das neue Kabinett hat alle Kennzeichen einer provisorischen Minderheitsregie rung, die auf die Unterstützung der Sozialdemokraten ange wiesen ist und den Uebergang bildet zu einer Regierung, der auch die Sozialdemokraten angehören. Das ergibt sich klar daraus, daß bei der Regierungsbildung das Zentrum Dr. Geßler als Reichskanzlers ausdrücklich mit der Begründung abgelehnt hat, daß Dr. Geßler bei den Sozialdemokraten Widerstand find,-. An der Regierungserklärung war das wichtigste, was verschwiegen wurde. Man hört kein Wort über die Gefahren der bolschewistisch-revolutionären Bewegung (Lachen links), über den unerhörten revolutio nären Skandal des Potemkinsilms. (Erneutes Gelächter links^) In der Außenpolitik muß festgestellt werden, daß die Dr. Luther in Genf gegebenen Zusagen nicht gehalten worden sind. In Genf war zugesagt worden, daß Vie Rück wirkungen im besetzten Gebiet ebenso in Kraft treten sollten, als wenn Deutschland schon dem Völkerbund angehöre. Da von ist aber nichts zu spüren. Wir können aber «ine Regie rung nicht unterstützen, die den sozialdemokratischen Forde rungen nach besitzfemdlichen Steuern entgegenkommt. Wir verlangen vielmehr eine Entlastung der Produktion. (Rufe links: Schlicken!) In der Flaggenfrage entspricht die Regie rungserklärung im allgemeinen unserer Auffassung. Wir erwarten, daß die Regierung ihrer früheren Erklärung ent sprechend beim Volksentscheid sich gegen den Fürstenraub wenden wird. Andererseits können wir eine Regierungs politik, die auf eine Unterstützung der Sozialdemokraten an gewiesen ist, nicht unterstützen. In den Fällen, wo die So zialdemokraten sich der Regierung versagen, darf sie Nicht damit rechnen, daß wirhelfend einsprinaen. Di« Mittelparteien und besonders das Zentrum müssen «Mich einsehen, daß nur ohne und gegen die Sozialdemokratie, nicht aber gegen die Deutschnation.alen und die hinter ihnen stehenden Wirtschaftsgrupven und politischen Kreise bei uns regiert und dem Vaterlands vorwärtsgeholsen werden kann. (Lebh. Beifall rechts. Zischen links, erneuter Beifall rechts.) Die Parteien der Regierungskoalition geben getrennte Erklärungen ab, in denen sie sich wohl all«'hinter den Kanzler stellen, in denen aber auch die verschiedenen Nuancierungen klar in Erscheinung treten. Abg. Schneller (Komm.) sagt dem neuen Kabinett den gleichen Kampf an, den die Kommunisten gegen das Kabi nett Luther geführt hätten. Abg. v. Graefe (Völk.) begründet einen Antrag, der Her Reichsregierung aus Gründen der Innen- und Außenpolitik das Mißtrauen ausspricht. Damit schließt die Aussprache. Ein kommunistischer Antrag auf namentliche Abstimmung über die vorliegenden Anträge wird nur von den Kommunisten und Völkischen, also nicht ausreichend unterstützt. In einfacher Abstimmung wird darauf der Antrag des Zentrums, der Demokraten, der Bayerischen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei an genommen: Der Reichstag nimmt von der Erklärung der Reichs regierung Kenntnis und geht über alle Anträge zur Ta gesordnung über. Gegen den Antrag stimmten die Völkischen und Kom munisten, während die Deutschnationalen sich der Stimme enthielten. Nach 5 Uhr vertagt sich der Reichstag auf den 7. Juni, 3 Uhr nachmittags. Die Berliner Presse zue Regierungserklärung. Vertin, 20. Mai. (Drahtb.) Der Lokalanzetger nennt den gestrigen Tag der Regierungserklärung einen kleinen Tag. Nicht einmal die Worte über die Verfassungsmäßigkeit der Flag genoerordnung hätten Widerspruch erfahren, obwohl darüber Luther noch vor 8 Tagen gestürzt worden sei. Der Tag meint, die Regierungserklärung sei zwar korrekt aber inhaltlos gewesen. — Die Tägliche Rund sch au hebt als das wesentliche der Re gierungserklärung hervor, daß noch einmal die Tatsache nachdrück lichst betont worden sei, daß die Regierung die Flagaenverordnung aufrecht erhalte und durchführt. Die demokratische Aktion gegen Luther erscheine doppelt grotesk, wenn man sie rückschauend be trachte, aber sie habe doch leider vom Standpunkt der Demokraten einen Erfolg gehabt, der den Umschlag in der Haltung der Links parteien erkläre. Der Reichskanzler Dr. Luther lei der Neigung nach rechts verdächtig gewesen. Von dem Reichskanzler Marx sei die Linke überzeugt, daß er nie mit Rechts anknüpfen, sondern viel mehr darauf sehen wird, daß der Anschluß nach Links nicht ver loren geht. Zur praktischen Durchführung der Großen Koalition fehle zur Zeit aber jede Voraussetzung. —Da, Berlin«» Tageblatt v«rmißt in der Regierungserklärung «ine besonder« Erklärung, daß die Durchführung der Floggenverordnung aus un- bestimmte Zeit ausgesetzt sei und bedauert, daß darüber unter den Regierungsparteien keine Einigung »»erzielen gewesen sei. — Der Bärsenkurier sagt, jede» Won der RegierungrerNärung sei tief in Farblosigkeit getaucht. Marx bedürfe auch keine« lange» Programms, weil sein Name schon ein Programm sei. — Der „Vorwärts" meint, es sei ein« Regierungserklärung oBw neuen Kurs und ohne neue Ideen gewesen. Di« Verhältnisse blie ben nach wie vor unklar und gespannt, viel« sprech« dafür, daß die Mehrheit für «ine künftig« Regierung, zu der da» Kabinett Marr ja nur den Uebergang bilden soll, nicht durch Verhandlungen der Parteien, sondern erst in schweren Kämpfen gewonnen «en»». — Di« „Bossische Zeitung" legt den Hauptwert der gestri gen Reichstagssttzung aus dl« Erklärung de« Sttich»immmchWWch