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Postscheck-Konto: Amt Dresden Ar. LSLL. Gemeinde« veedondogtrokast« Bischofswerda Konto Nr. «4. Im Falle höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger irgend welcher Störung de» Betriebe» der Zeitung oder der Besörderungseinrich- tungen — hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung oder Nachlieserung der Zeitung oder aus Rückzahlung des Bezugspreises. MMMLrM-r Nr. 98 Mittwoch, den 28. April 192« Einzige Tageszeitung .m Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt mannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgericht», des Finanzamtes und de» Stadttats zu Bischofswerda. Der Ostvertrag. Einstimmige Annahme im Auswärtigen Ausschuß. Vertin, 27. April. Ueber den deutsch-russischen Vertrag, in der Diplomatensprache der Berliner Vertrag gunsten einer gemeinsamen Abwehrfront gegen den An schluß verständigen wollen, muß Frankreich wohl oder übel folgen, um nicht Italien eine neue Chance zu lassen. Frank reichs Haltung in der Anschlußfrage wird daher in erster Linie durch die italienische Haltung bestimmt werden, und nicht in Paris, sondern in Rom ist die Initiative zu suchen. Zu dieser an sich schon sehr verwickelten Frage kommt die der Kolonialmandate und das Problem einer etwaigen Rückgabe einiger Kolonien an Deutschland. Auch hier wird der stärkste Widerstand von Italien geleistet, das seit dem Abschluß des Versailler Vertrages darüber grollt, daß ihm nicht wie Frankreich Mandate auf Kosten der ehemaligen deutschen Kolonien übertragen worden sind. Mussolini wird bei der Erörterung einer Rückgabe deutscher Kolonien zunächst italienische Ansprüche anmelden und seine Zustim mung von Zugeständnissen an Italien abhängig machen. Schon heute läßt die italienische Presse durchblicken, daß Italien infolge seines Geburtenüberschusses weit eher geeig net sei, Kolonien zu verwalten, als das menschenarme Frank reich mit seiner stagnierenden Bevölkerungsziffer. Auch in dieser Frage befindet sich Frankreich in einer Verteidigungs stellung. Anschluß wie Kolonialfrage sind also für Frankreich Mittelmeerprobleme geworden, und seine Stellung zu ihnen wird nicht durch reine Vernunft- und Billigkeitsgründe, son dern durch die Rücksicht auf Italien bestimmt. Tagesschau. * Im Auswärtigen Ausschuß des Reichstages sprachen sich sämtliche Fraktionen? übereinstimmend für die Annahme des deutsch-russischen Vertrags aus. * Die Sowjetregierung hat den Außenkommissar Tschit scherin ermächtigt, Frankreich und Polen Verhandlungen über einen Neutralitälsvertrag anzubieten. Die deulsch - polnischen Handelsvertragsverhandlungea werden am 20. Mai in Berlin wieder beginnen. Zu den mit " bezeichneten Meldungen finden die Leser Au». lUlirliches an anderer Stelle. Anzeigenprei» (in Goldmark): Die 4S mm breite ebttzastigst Brundschriftzeile 2S Pfg-, örtliche Anzeigen 2V Psa, di, » »m breite Aeklamezrile (im Textteil) 70 Pfg. Zahlung in Dapiennmk zum amtlichen Brieskur» vom Zahltag, jedoch nicht Niedrig« »W zum Kur» vom Tage der Rechnung. — Rabatt »ach Taris. Wz Sammelanzeigen tarifm. Ausschlag. — Erfüllungsort BischosmpewG _ ! >1 81. Jahrgang» der heißt, hat Dr. Stresemann gestern vor dem Auswärtigen Ausschuß des Reichsrates Bericht erstattet. Der Auswärtige Ausschuß des Reichsrates trat um 3 Uhr zusammen. Von deutschnationaler Seite wurde bemängelt, daß der Wert des Vertrages durch die zu enge Bindung an die Locarnover träge und an die Völkerbundsatzung stark gemindert sei, während die Sozialdemokraten in dem Vertrag eine Ge fährdung der Verständigungspolitik gegenüber den West mächten sehen wollten. Abgesehen von diesen Zweifeln sprachen jedoch alle Gruppen des Ausschusses ihre Billigung für den Vertrag aus. Der Wortlaut. Derlin, 26. April. Der zwischen Deutschland und Ruß land in Berlin abgeschlossene Vertrag hat folgenden Wort laut: Die deutsche Regierung und die Regierung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, von dem Wunsche ge leitet, alles zu tun, was zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens beitragen kann, und in der Ueberzeugung, daß das Interesse des deutschen Volkes und der Völker der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken eine stetige vertrauensvolle Zusammenar beit erfordert, sind übereingekommen, die zwischen ihnen bestehenden freundschaftlichen Beziehun gen durch einen besonderen Vertrag zu bekräftigen, und haben zu diesem Zwecke zu Bevollmächtigten ernannt: die deutsche Regierung: den Reichsminister des Auswärtigen Herrn Dr. Gustav Stresemann, die Regierung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken: den außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Union der sozialisti schen Sowjetrepubliken Herrn Nikolai Nikolajewitsch Krestinski, die nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart haben: Artikel 1. Die Grundlage der Beziehungen zwischen Deutschland und der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken bleibt der Vertrag von Rapallo. Die deutsche Regierung und die Regierung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken werden in freund schaftlicher Fühlung miteinander bleiben, um über alle ihre beiden Länder gemeinsam berührende Fragen poli tischer und wirtschaftlicher Art eine Verständigung herbeizu- Artikel 2. Sollte einer der vertragschließenden Teile troh frledtt- chen Verhalten» von einer dritten Macht oder von meh reren dritten Mächten angegriffen werden, so wird der andere vertragfchlleßead« Teil während der ganzen Dauer de» Konfliktes ReutraN^ät beobachten. Sollte au» Anlaß eine, Konflikte» der in Artikel 2 DAkerbundspoNttk wäbvteu Art, oder auch zu einer 'leit, la der sich keiner der! Die Sozialdemokratie hat den neuen vertrag vertragschließenden Teile in kriegerischen VerwlL'- lungen befindet, zwischen dritten Mächten eine Koalier» zu dem Zwecke geschlossen werden, gegen einen der vertrag schließenden Teile einen wirtschaftlichen oder finanziellen Boykott zu verhängen, so wird sich der andere vertraaschllo- sende Teil einer solchen Koalition nicht anfchlla ßen. Artikel 4. Dieser Vertrag soll ratifiziert, uud die Ratlflkatlouoa«- kunden sollen in Berlin ausgetauscht werde«. Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und gilt sürdieDauervoafünfJahren. Die beiden vertragschließenden Teile werden sich rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist über die weitere Gestaltung ihrer politischen Beziehungen verständigen. Au Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet und ausge- ferligt in doppelter Urschrift in Berlin am 24. April 1S2S. (gez.) Stresemann. (gez.) Krestinski. * Dem Vertrag ist ein Notenwechsel beigestWAS« der russischen Note heißt es: „Beide Regierungen sind bei den Verhandlungen ^Wer den Vertrag und bei dessen Unterzeichnung übereinstim mend von der Auffassung ausgegangen, daß der von ihnen in Art. 1 Abs. 2 des Vertrages festgelegte Grund satz der Verständigung über alle die beiden Länder ge meinsam berührenden Fragen politischer und wirtschaft licher Art wesentlich zu der Erhaltung des allste-, meinen Friedens beitragen wird. Jedenfalls wer den sich die beiden Regierungen bei ihren Auseinander setzungen von dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Erhaltung des allgemeinen Friedens leiten lassen." In der deutschen Erklärung wird u. a. gesagt:, „Die deutsche Regierung ist überzeugt, daß die Zu gehörigkeit Deutschlands zum Völkerbund kein Hin dernis für die freundschaftliche Entwickelung der Be ziehungen zwischen Deutschland und der Union der sozia listischen Sowjetrepubliken bilden kann. Der Völkerbund ist seiner grundlegenden Idee nach zur friedlichen und ge rechten Ausgleichung internationaler Gegensätze bestimmt. Die deutsche Regierung ist entschlossen, an der Verwirk lichung dieser Idee nach Kräften mitzuarbeiten. Sollten dagegen, was die deutsche Regierung nicht annimmt, im Rahmen des Völkerbundes irgendwann etwa Best«, bungen hervorlrelen, die im Widerspruche mit jener grundlegenden Friedensidee einseitig gegen die Union der sozialistischen Sowjelrqmbliken gerichtet wären, so würde Deutschland derartigen Bestrebungen mitallemRach- druckenkgegenwlrken." Das Echo des Kerttner Vertrage» in der Berliner Dresse. Berlin, 27. April. (Drahtb.) Der „Tag" schreibt: Vielleicht wird der Vertrag als Regulator unserer Außenpolitik ein Gegengift gegen die schleichende Locarnokrantheit. Dann wird sein Abschluß» auf lange Sicht betrachtet, zweifellos als Aktivum zu buchen sein, so sehr er sich machtpolitisch auf Illusionen gründen mag. — Der „Lokalanzeiger" meint, darin, daß auch in diesem neuen Li- plomatenwerk der deutsche Locarnismus zum Ausdruck kommt, liege beschlossen, daß man selbst einem, wenn auch nicht gerade selbstbewegenden, so doch ganz nützlichen und einwandfreien Ver trage, wie dem deutsch-russischen, gegenüber kühl bis ans Herz hinan bleiben müsse. — Die „Deutsche Tageszeitung" sieht in dem Vertrag einen Schritt auf dem Wege, die deutsche Handlungs freiheit wieder herzustellen. — Die ,Kreuzz «ttung" weist da rauf hin, daß der Vertrag In keiner Weise eine neue Lage schasst oder rechtlich oder tatsächlich etwas an der Einstellung Deutschlands zu den Locarnomächten ändert. Sie begrüßt ihn aber, weil er das Bestreben zeige, sich wenigstens nicht von den Westmächten al» Sturmbock gegen Rußland verwenden zu lassen. — Die „Täg liche Rundschau" schreibt: Man wird erwarten dürfen, daß der Vertragsabschluß seinen Zweck erfüllt» eine Brück« friedfertiger Entwicklung und gemeinschaftlicher Zusammenarbeit zwischen dem Westen und dem Osten zu sein. — Die „Germania" sagt: Die Vereinbarungen brauchen das Tageslicht nicht zu scheuen, enthalten sie doch nicht«, was als ein Vorstoß gegen die anderen Mächte gegenüber «ingegangenen Verpflichtungen aufgefaßt werden könnte. — Die „Vossische Zeitung" weist darauf hin, daß es sich wirtlich nicht um ein Abkommen handele, das gegen Geist und Wortlaut de» Vertrages von Locarno und d« VSlkerbnndspaktes verstößt; im Gegenteil bedeute der Vertrag «ine Erweiterung de» internationalen Friedenswerkes, weil Rußland nicht zum Völker bund gehöre.— Da» „Berliner Tageblatt^ nennt den Vertrag eine selbstverständlich« Ergänzung der Locarnoverträa«. — Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" nimmt an, da durch diesen Vertrag die deutsche Pofmon in der Welt nicht un wesentlich gestärkt worden ist. — Die „Deutsche Zeitung" Gedauert, daß der Vertrag nicht «inen Bruch mit der Locarno- "ik bedeutet. — ver „vorwtt»t?p>tr trag gebllllgt.nnt« der Erfch tnnngoweis«: Jeden Werktag abend- für den folgend. Tag. Bezugopeet» lür die Zeit eine, halben Monat»: Frei in» Haus halbmonatlich Mk. 1.20, beim Abhol«« tu der Geschäftsstelle wöchentlich so Pfg. Einzelnummer 15 Pfg. — Alle Postanstallen, jowie unsere Zeitungsausträger und die Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. <W7ckgeökriD» Unabhängige Zeitung für alle Ständern StadtMU Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschichM Beilagen: Sonntags -UnterhalkÄgsblatt und Lemdwirtschastllche' Beilage Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag von Friedrich May G. m.b.H. in Bischofswerda. Fernsprech«Nr. 444 und 44A Frankreichs Mittelmeerpoliiik und -er Anschluß. Von R. Ling- Paris. Immer mehr stellt es sich heraus, daß sowohl die Frage des Anschlusses Oesterreichs an Deutschland als auch die der Rückgabe ehemaliger deutscher Kolonien ein Mittelmeerpro blem geworden ist. Eine starke Stellung im Mittelmeer ist für Frankreich in Anbetracht seiner Verbindungen mit Syrien, Maier, Tunis und Marokko eine unerläßliche Be dingung. Gerade in diesen Tagen hat eine nordafrikanische Konferenz in Tunis stattgefunden, an der die betreffenden Gouverneure und Residenten der eben genannten französi schen Schutzgebiete und Departements teilgenommen haben. Diese Konferenz wurde am Vorabend der Reise Mussolinis nach dem italienischen Tripolis abgehalten — eine Reise, die sehr geeignet war, Frankreich zu beunruhigen. Seit län gerer Zeit ist das Mussolinische Italien daran, Italiens Stellung im Mittelmeer in oller Eile auszubauen. Eine mächtige Luftflotte in Verbindung mit einem gewaltigen Ausbau der Unterseeflotte soll geschaffen werden, die Italien zur ersten Mittelmeermacht machen sollen. Es bedarf kei ner besonderen Ausführungen, daß ein solches Uebergewicht Italiens über die französischen Mittelmeerkräste die militä rische Lage Syriens und der anderen französischen Mittel meergebiete sehr gefährden würde. Die französische Flotte ist ohnehin nicht sehr stark und nicht sehr modern. Immer lauter aber verkündet Mussolini italienische Ansprüche im Mittelmeer, die sich nicht mehr auf Erweiterung des italie nischen Tripolisgebietes beschränken, sondern schon ganz offen das französische Tunis angreifen. Hier ist die Bevöl kerung überwiegend italienisch und ein besonderes franzö sisch-italienisches Abkommen sichert ihr bestimmte Privile gien. Dieses Abkommen ist aber sehr kurzfristig und kann jederzeit von drei Monaten zu drei Monaten gekündigt werden. Ein solcher Zustand paßt Mussolini nicht mehr, und er hat schon die direkte Anfrage an die französische Adresse gerichtet, ein auf längere Zeit geltendes endgültiges Abkommen zu treffen. Der italienische Nachbar Frankreichs wird aber auch in anderen Mittelmeergebieten unangenehm. Vor kurzem lief durch die Presse das Gerücht einer englisch-italienischen Ver ständigung über Kleinasien, und wenn dieses Gerücht auch später dementiert wurde, so genügte es schon, um die öffent liche Meinung in Frankreich nervös zu machen. Denn ein solches Abkommen würde keineswegs der Stellung Frank reichs in Syrien und dem türkischen Freunde günstig sein. Schon seit längerem ist Italien dabei, seine militärische Stellung vor der klelnafiatlschen Küste auszubauen. Auf Rhodos und im Dodekanos sind mächtige Forts und Flotten stützpunkte angelegt worden, die im Ernstfall die Verbin dung Syriens mit Frankreich stark gefährden dürsten. Hin- zu kommt die immer stärker werdende Stellung Italiens im Handelsverkehr des syrischen Schutzgebiete». Heut« schon Merwiegt die italienische Flagge die französische, ist der Ge- schästsumsatz der italienischen Bankniederlassungen größer als der der französischen und kommt damit die Ausfuhr Ita liens der Frankreichs nach Syrien beinahe glelch. Ja, e» sind schon indirekte Dünsche Italiens auf Ersetzung Frank reichs in Syrien laut geworden. Alles n allem, eine sehr lästige Zunahme des italienischen Einflußes im Mittelmeer. Im Interesse seiner überseeischen Verbindungen kann Frankreich an dieser Zunahme aber nicht achtlos Vorbei gehen und dies um so weniger, al» Stallen und Jugo slawien sich anfchicken, in der Anschlußfrage «ine gemeinsame Front zu bilden und zu diesem Zwecke alt« Streitigkeiten zu begraben. Damit wird der Anschluß zu einem französischen Mittelmeerproblem, denn Frankreich kann nicht zusehen, daß sein jugoslawischer Verbündeter auf eigene Faust Abmachungen mit dem größten Nebenbuhler Frankreich» im Mittelmeer trifft. Da nun aber die beiden Staaten sich, «-