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DerSMscheLrMer Wie immer nach großen Kriegen, so hat gegenwärtig die pazifistische Ideologie erheblich an Boden gewonnen. Sie bildet setzt sogar die Grundlage der amtlichen deutschen Außenpolitik. Aber wir sind auch hier die doktrinären Deut schen geblieben, die wir waren. Mit derselben Ehrlichkeit, mit der wir es früher auf den Haager Konferenzen ablehn ten, das heuchlerische Spiel der anderen mitzumachen, be kennen wir uns jetzt umgekehrt mit feierlichem Ernst amtlich zum Pazifismus. Gewiß hat kein europäischer Staat ein so dringendes Interesse an der Erhaltung des Friedens, wie das entwaffnete Deutschland, das rettungslos der Schau platz jedes künftigen europäischen Krieges sein würde. Eine kriegerische Abenteurerpolitik zu treiben kann keinem Deut schein einfallen, der seine fünf Sinne beisammen hat. Aber indem wir der augenblicklichen Lage Rechnung tragen, dür fen wir uns nickt selbst verlieren. Wie die erzwungene Ab rüstung uns nicbt zu einer inneren Selbstpreisgabe unseres natürlichsten und wichtigsten Rechtes als Volk und Staat führen darf, so müssen wir uns auch davor hüten, daß die durch den Zwang der Umstände gebotene Friedenspolitik bei uns zu einem ideologischen Pazifismus umschlägt, der die sittliche Kraft unseres Volkes zermürben würde. Sollte der Ernst einer weltgeschichtlichen Stunde dann erneut vor unserem Volk stehen, so fände sie nur ein schwaches, entnerv tes Geschlecht. Gewiß werden Kriege auf europäischem Boden immer seltener werden, vielleicht ganz aufhören. Gleichwohl sind sie aus dem bewegten Ablauf historischen Geschehens nicht wegzudenken, wenn man seinen Blick über die Grenzen des alten Europa erhebt. Und doch ist die Idee vom ewigen Frieden nicht nur, wie uns in diesen Weihnachtstagen wiederum besonders zum Bewußtsein kommt, weder müßig noch unfruchtbar. Rur muß man sich über ihr Wesen klar sein. Wie die Vor stellung einer Gemeinschaft, in der die Rechtsgrenzen von selbst und ohne Zwang gewahrt werden, ein Kunstgriff des juristischen Denkens ist, um einen Begriff des Rechts zu er bosten, dem alle zufälligen Merkmale fehlen, so ist auch der Gedanke des ewigen Friedens eine Fiktion, der jede Realität fehlt und die gleichwohl vom theoretischen Gesichtspunkt aus ihren Wert hat. Daß aber die Friedensideee nicht mehr als eine Fiktion ist, bestätigt auch Kant der von den Pazifisten gern als ihr Kronzeuge herangezogen wird. In seiner „Rechtslehre" sagt er, der „dauernde Friedenszustand" ist „von dem Ideal einer rechtlichen Verbindung der Men schen unter öffentlichen Gesetzen bergekommen," bleibt aber doch freilich „eine,unausführbare Idee". Das lehrt die Philosophie ebenso wie ein unvoreingenommener Blick in die Geschichte. Das russisch—türkische—Bündnis. Die Auswirkung der über das Mossulgebiet gefällten Entscheidung auf die Weitergestaltung der Politik im nahen Orient prägt sich deutlich in dem eben zustande gekomme nen russisch-türkischen Reutralitätsvertrag aus. Die Angora- Regierung hat damit eine Rückendeckung gewonnen, die ihr weitreichende Aktionsfreibeit zur Durchführung ihrer asia tischen Pläne gewährt. Dadurch gewinnt sie auch In den in London weiter zu führenden Verhandlungen über Mossul eine bei weitem gefestigtere Stellung als die bisher aufrecht erhaltene Anlehnung an Frankreich Ihr jemals bieten konnte. Jene französisch-türkischen Verhandlungen, die in der Zeit des griechisch-türkischen Krieges der Angora-Republik erste Vorteile brachten und späterhin auch die Möglichkeit zur Er- Weiterung des türkischen Nationalstaates nach Cilicien er öffneten, hatten ihren Zweck seinerzeit durchaus erfüllt. Da eine weitere Unterstützung von feiten Frankreichs den eige nen französischen Interessen in Snrien sowie den vorder asiatischen Belangen Englands widersprochen hätten, war die Angora-Regierung bereits merklich von Frankreich ab gerückt. Das engsisch-französische Abkommen, da« anschei nend kurz vor der Genfer Verhandlung über Mossul im Zu sammenhänge mit dem Besuche de« neuernannten Oberkom- missars für Syrien, Iouvehel zustande gekommen Ist, gab für die Angora-Regierung den Ausschlag, Ihrer Politik eine andere Richtung zu geben. Voraussichtlich werden Frank reichs Schmierigkeiten in Syrien in der nächsten Zeit eine erhebliche Verschärfung erfahren, da es nun den neuen Zie len Kemal Paschas entsprechen muß, Frankreichs Kräfte möglichst zu binden. Für die Durchführung eines Kriege» um das Mossulgebiet würden die türkischen Kräfte, soweit nur militärische Handlungen dabei in Frage kommen, sicher lich ausreichen. Eine andere Frage aber ist es — und die man sich in Anaora mit allem Ernst vorlegen wird, ob die Türkei wirtschaftlich stark genug gerüstet und innerlich ge nügend konsolidiert ist, um sich an ein so groß«» gefährliches MÄgevLcrTd-» Unabhängige Zeitung für alle Ständern Stadt und Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschichten Beilagen: Sonnlags -Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Beilage Geschäftsstelle Bischosswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag von Friedrich Maq G. m. b.H. in Vischoiswerda. Fernsprecher Nr. 444 und 445 - Bischofswerdaer Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Dies Blau enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amlshaupt- Mannschaft, der-Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrals zu Bischotswerda. -st Oer Traum vom ewigen Frieden. Line Veihaachtsbetrachkung. In diesen Tagen, da der Stern von Bethlehem wieder leuchtet, und die heiligen Klänge vom Frieden auf Erden er tönen, erfüllt die Menschheit jener Sehnfuchtstraum, der so alt ist wie sie selbst, der Traum vom ewigen Frieden. Dabei wird freilich allzu leicht die harte geschichtliche Tatsache vergessen, daß pazifistische Vorsätze stets nur den Weg zu neuen Kriegen gepflastert haben. Immer, wenn man meinte, zu einem endgültigen politischen System ge kommen zu sein, wie nach dem Dreißigjährigen Krieg und nach 1815, zeigte es sich, daß das Ende nur der Beginn neuer Veränderungen war, und daß im Leben der Bölker be ständig nur der Wechsel ist. Staaten können eben nicht un beweglich nebeneinander liegen, wie gepreßte Pflanzen in einem Herbarium, sie blühen und welken, überschatten und verdrängen sich, und aus diesem Werden und Vergehen, diesem ununterbrochenen Daseinskampf, ist der Krieg einfach nicht wegzudenken. Nein, erwidert der Pazifist. Seht ihr nicht das Neue, das werden will? Fühlt Ihr nicht, wie nach Jahrhunderte langen Kämpfen die vereinigten Staaten Europas sich end lich auf blutgedrängtem Boden zusammenschließen, um nicht non der übrigen Welt überflügelt zu werden? Nicht lange mehr könnte es dauern, dann würden alle Schlagbäume, Zollsperren und Paßkontrollen zwischen Warschau und Lissabon niedergelegt, und die Millionen von Soldaten, Grenz-Paß- und Zollwächtern einer produktiven Beschäfti gung zugeführt werden. — Wir wollen hier ununtersucht lassen, inwieweit dieser paneuropäische Gedanke eine him melblaue Utopie ist. Aber was ist das für ein enger Hori zont, zu glauben, daß mit dem Zusammenschluß Europas das entscheidende Fundament für den sogenannten ewigen Frieden^ gelegt sei! In Nordafrika, Kleinasien und im fer nen Osten rast die Kriegsfurie, und selbst im europäischen Wetterwinkel, auf dem Balkan, droht der Sturm jeden Tag neu loszubrechen. Die Mobilisierung der farbigen Völker im Weltkrieg hat sie in Bewegung gebracht, ihre Verwen dung gegen weiße Gegner in Europa hat das Prestige der weißen Rasse zerstört, und damit sind die Zeiten des Dor kriegsimperialismus, wo mit einigen Kriegsschiffen und einer Handvoll Mannschaften halbe Kontinente beherrscht werden konnten, endgültig vorbei: Der Weltkrieg hat di« Explosivstoffe auf diesem Erdball in unheimlicher Weise ver mehrt, und es ist unabsehbar, wo die im Gange befindliche Erhebung der farbigen Erdteile einmal enden wird. Diese Weltlage ist auch der entscheidende Grund dafür, daß die westeuropäischen Mächte trotz der in Genf von Zeit zu Zeit oufaeführten Abrüstungskomödien nie die Bestimmung des Versailler Diktats, in gleicher Weise wie Deutschland abzu rüsten. erfüllen werden. Wenn den Worten von Frieden, Abrüstung und Völ kerrecht, die die regierenden Staatsmänner überall im Munde fübren, Wille und Kraft wirklich entsprechen würden, könnte man wohl wähnen, dos Zeitalter des ewigen Frie dens sei nahe sterbeioekommen. Aber schon die Tatsache müßte miß^ouilch machen, daß bereits lange vor dem Welt kriege die Phrasen des Pazifismus zum Handwerkszeug der internationalen Diplomatie gestörten. Es ist nichts bezeich nender für das Wesen jenes offiziellen Vorkriegspazifismus, als daß just der russische Zar den Anstoß zu den Haager Friedenskonferenzen gegeben hatte. Tagesschau. * Das Keichsarbeitsministerium hat Vorschläge für Un terstützung der Gemeinden bei ihren Maßnahmen gegen die Erwerbslosigkeit ausgearbeitet. Zwischen Deutschland und England schweben Verhand lungen über eine Erleichterung der Einreise von jungen Kaufleuten und über die Praxis der englischen Zollbehörden. Das deutsch-tschechische Sohlenabkommen ist bis zum 30. Juni 1926 verlängert worden. Nach einer Meldung aus Washington hat Präsident Loolidge die Einladung zur Abrüstungskonferenz endgültig angenommen. Das Urteil im Dolchskoßvrozeß ist durch die Freitag nachmittag erfolgte Zurücknahme der Berufung seitens des Angeklagten Gruber und der daran anschließenden Zurück nahme der Gegenberufung des Klägers Prof. Coßmann rechtskräftig geworden. Zu den mit * bezeichneten Meldungen finden die Leser Aus- jährliches an anderer Stell«. Unternehmen heranwagen zu können. Auch darf dabet nicht vergessen werden, daß Griechenland und auch Italien zu einem Flankenangriff sich entschließen würden, soball» ihnen England die Zusicherung neuer Gebietserwerbung«» macht. Der Ausbau der mit einem großen Fliegerlandungs platz versehenen Flottenstation in Rhodos, den Italien im Augenblick durchführt, spricht dafür, daß der italienische Imperialismus neue Ziele im Aegäischen Meer sucht. Ander seits wird jetzt, nach dem Abschluß des russisch-türkischen Bündnisses, die Kremlregierung ihre gegen England sich richtende panasiatische Politik mit allen Mitteln und dem allgemeinen Ziel weiter vortreiben, Englands Stellung vor allem in Ostasien, ferner auch in Zentralasien möglichst zu erschüttern. Das neue Asien wird sicherlich in eine ent schiedene Kampfstellung gegenüber dem allen Europa ge drängt: ist England auch hierauf gerüstet? Aeichsunterstühung der Gemeinde« bei ihren Uolstandsmahnahmen. Berlin, 23. Dez. (W. T. B.) Um oen Gemeinden in den Gebieten, die besonders unter der Erwerbslosigkeit lei den, die Durchführung von Notstandsarbeiten zu erleichtern, hat das Reichsarbeitsministerium bestimmte Vorschläge ausgearbeitet, die, die Zustimmung des Reichskabinett» ge sunden haben. Diese Vorschläge gehen den Regierungen der Länder noch vor Weihnachten zur Stellungnahme zu und sollen unmittelbar nach Neujahr mit ihnen in einer Konfe renz besprochen und sofort in Kraft gesetzt werden. Es han delt sich dabei insbesondere um ein weitgehende» Entgegenkommen des Reiches und der Länder bei der Verzinsung und Tilgung der Darlehen, die aus Reichs mitteln der produktiven Erwerbslosenfür sorge gewährt werden. * Aus dem Reichsarbeltsministerium wird mitgeteilt: Zur Zeit sind Baufacharbeiter und Bauhilfsarbeiter in großer Anzahl arbeitslos. Im Frühjahr und Sommer da gegen wird bei gehäufter Wiederaufnahme der Bautätig keit voraussichtlich Mangel an Baufacharbeitern eintreten und das Bauen erschweren und verteuern. Bauherren und Bauunternehmer sollten deshalb Innenarbeiten nicht unter brechen oder möglichst bald beginnen und ihre Bauvorhaben schon im Winter vergeben. Die Baupläne sollten beschleu nigt werden, so daß bei einer einigermaßen günstigen Witte rung mit der Ausführung auch von Außenarbeiten sofort begonnen werden kann. Besonders wünschenswert ist es, daß die Gemeinden ihre Bauaufträge als Ausgleichsgewichte für den außerordentlich stark belasteten Arbeitsmarkt de» Baugewerbes schon jetzt einsetzen. Anträge im Reichstag. — Wotzmmgs- wirtfchaft. — Preistreiberei.—Mittel- stands-Gerverbe-Nerdirrgirrrgsweferr. Berlin, 23. Dez. Dem Reichstag ist ein deutschnationa ler Antrag zugegangen, der die Reichsregierung auffordert, schleunigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Wohnungsämter beseitigt und der Mieterschutz neu geregelt wird. Ein Antrag der deutschen Volkspartei fordert Aus kunft, ob die Preistreiberei — und ähnliche Verordnungen, nicht aufgehoben werden sollen. Er fragt ferner an, ob dem Beschluß des Reichstagsausschusses über das Verbot des Aufsuchens von Warenbestellungen in den amtlichen Räu men der Reichsbehörden und der Reichsbahn entsprochen worden ist. Ein weiterer Antrag der deutschen Volkspartei verweist auf die außerordentlich schwierige Lage des mittel ständischen Gewerbes und verlangt Senkung des Zinsfußes bei gewährten Krediten. Ferner Verteilung von Aufträ gen durch das Reich, die Länder, die Reichsbahn und die Reichspost, Aufhebung der Luxussteuer, Vorlegung der Reichsverdinaungsordnung und der Reichshandwerkerord nung. Ein Antrag der Demokraten verlangt ebenfalls Neu regelung des Derdingungswesens, sowie eine Ueberlicht über die Maßnahmen der Länder zur Bekämpfung der Miß- stände im Hausier-Handel und Wandergewerbe-Betriebe. Ferner eine Uebersicht über die Maßnahmen der Regierung in der Preissenkung besonders innerhalb der Kartelle und Trusts. Ueve amerikanische Anleihen? Berlin, 23. Dez. Nach einer Meldung au» London soll augenblicklich in Neuyork zwischen deutschen und amerikani schen Sachverständigen über einen neuen Anleiheplan für Deutschland verhandelt werden. Als Sicherheit für di« Auf nahme einer neuen Anleihe in Neuyork sollen 500 Millio nen von den 7prozentigen Vorzugsaktien der Deutschen Erfch innngsweise: Jeden Werktag abends für den folgend. Tag. Bezugspreis >ür die Zett einer halben Monats: Frei ins Hau» halbmonatlich Mk. l.20, beim Abholen in der Gefchllstsstelle wöchentlich Sü Psg. Einzelnummer 15 Pfg. — Alle Postanstalten, sowie unsere Zeitungsausträger und dir Geschäftsstelle nehmen iederzest Bestellungen entgegen. PosttcheM-Non«,: Amt Dresden Nr. 1,21. Gemeinde« verbandsgirodasse Bischofswerda Konto Str. «4. 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