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D-rSWjMWl-r McigetZLcrtt-- Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbrettung inallenVolksschichten Beilagen: Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Beilage Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag der Buchdruckerei Friedrich May in Bischofswerda. — Fernsprecher Nr. 22 ZSischofswerücrer Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt- Mannschaft, der Schulinspektion und'des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadttat« zu Bischofswerda. Erscheinungsweise: Irden Werktag abend, sür den folgend. Tag. Bezugspreis: Bel Abholung in der Geschäftsstelle monatlich Mk. 177.— bei Zustellung in, Haus monatlich Mk. 185.—, durch die Post bezogen monatlich Mk. 185.— mit Zustellungsgebühr. 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M PkMM des men Msdmziers «geben hatte, daß der Posten de» Diederaufbaumini- fenaebsieben uob auch ein Sprechminister nicht er- oorden sei, gab er dem Bedauern darüber Ausdruck, Reichsregierung nicht aus der von ihm erhoff- den, daß Regierungserklärungen, bei denen freilich jedes Wort ziseliert sein muß, vom Blatte abgelesen werden. Auch Tuno folgt diesem Brauch. Er erhebt sich, rückt eine Horn brille zurecht und spricht von: Platze aus nicht ganz frei von bemerkbarer Nervosität. Man kann es ihm anmerken, daß es ihm nicht leicht wird, sich immer an den Zwang der fer tigen Formulierung zu halten, er versucht das eine oder an dere durch Gesten zu unterstreichen, die oft genug fest eckig erscheinen. Lange redet er ungestört, ohne daß aus dem Hause irgend ein Echo kommt, über die Blätter hin. Als dann mit einem Male die Kommunisten aufmucken und teils iro nische. teils herausfordernde Zwischenrufe ertönen, da horcht er zunächst auf, wie aufgescheucht und man hat das Emp finden, er möchte die erforderliche Antwort erteilen. Aber bald kehrt er wieder in den Rahmen, der ihm gezogen ist. zurück. Allmählich gewöhnt er sich auch an dieses Milieu und die Zurufe berühren ihn nicht mehr mit Ausnahme einer Szene, bei der der Präsident eingreifen muß, um Euno das ungestörte Weitersprechen zu ermöglichen. Der erste Teil des Eunoschcu Debüts war im Grunde ein wirtschaftspolitisches Eollcg. förmlich ein Referat über die durch den Versailler Friedcnsvertrag geschaffene wirt» schaftspolitischc Lage Deutschlands. Hier hat er nicht sagen können, was nicht schon tausendmal in längerer Formulie rung zum Ausdruck gelyncht morden wäre. Die eigene Prä gung und die Durchsetzung mit seinen eigenen Gedanken gängen hat man erst im zweiten Teile seiner Darlegungen wahrnehmen können, als es sich darum handelte, das Ar- beitsprogromm der Reichsregierung zu skizzieren. Während er im ersten Teile immer wieder, teilweise fast ostentativ den Beifall der beiden Rechtsparteien und namentlich auch der Deutschnationalen findet, wächst bei Be sprechung der wirtschaftlichen Maßnahmen, die die Reichs regierung in Durchführung ihres übrigens von dem Kabi nett Wirth ausdrücklich übernommenen innen- und außen politischen Programms ergreifen will, die Unruhe und der Widerstand der Linken. Die Sozialdemokraten verhalten sich dabei freilich mehr passiv. Bemerkenswert war die schroffe Stellung, die die Linke indessen gegen den neuen Ernährungsminister Müllsr-Bo m einnahm. Als der Kanz ler ein Rathenau'iches Wort über die Unversehrtheit de» deutschen Gebietes sich zu eigen n achte, entstand ein stür mischer Tumult und man rief ihm zu: „Was sagt Müller dozi;,?" Als der Kanzler seine Darlegungen zu Ende geführt hatte, findet er lauten Beifall bei den Parteien der Rechten und in der Mitte. Die Sozialdemokraten sind vollkommen zurückhaltend, die Linke lärmt, was di» anderen Parteien zu einer Verstärkung ihrer Kundgebungen veranlaßt. Die neue Regierung muß nun ihre schwere Wanderung an treten. di« neuen Männer. Da» Interesse werdet sich ausschstehsich lei vielfach »! einer Frag« der Gr dem neuen Kanzler zu. Tuns ist ein schlanker, fast Heute fei aw Frage der Erfi hagerer Mann mit hellblondem lichtem Haupthaar. Ob er und ihrer Grenzen geklort^ebemo ?in Redner ist, hat man heut« noch nicht festzustellen Ge- ' lcgenheit gehabt, denn es ist nun einmal Gewohnheit gewvr- Tagesschau. * Bei der Aussprache über die Regterungserklä- ning im Reichstag richtete der sozialdemokratische Redner scharfe Angriffe gegen den neuen Er näh- rung«m inist« r Müller-Bonn, der separatistischer Be strebungen bezichtigt wird. Wie verlautet, beabsichtigt die Reichsregierung den Prä sidenten des Reichsrechnungshofes, den früheren preußischen Minister Saemisch, zum „S p a rd i k t a t o r" zu ernennen. Saemisch bleibt dabei Präsident des Reichsrechnungshofes. In der Stellung als „Spardiktator" ist er keiner Behörde unterstellt, er besitzt also für seine neuen Aufgaben die not wendige Selbständigkeit. Die römische Agentur Volta meldet, daß ein Vertrag zwischen Polen und Italien wegen der galizischen Petroleumfelder vor dem Abschluß stehe. Die Heereskommission des' französischen Senats hat sich mit 16 gegen 2 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen f ü r die achtzehnmonatige Dienstzeit ausgesprochen. * Auf seiner Agitationsreise in Amerika stößt Cle in e n c e a u mit seiner Hetze gegen Deutschland auf starken Widerspruch amerikanischer KrMe. Zu den mit " bezeichneten Meldungen finden die Leser aus- jährliches an anderer Stelle. Die Programmrede. Berlin. 24. November. Präsident Löbe eröffnet« di« heutig« Sitzung de« Reichstag«» um IstL Uhr. Das Haus und di« Tribünen waren vollbesetzt. Auch di« Spitzen d«s diplomatischen Korps waren anwesend. Reichskanzler Dr. Cuno, di« Minister des neuen Ministerium«, di« Reichs- ratsmstglieder und ander« Bevollmächtigt« füllten di« Dank« der Regierung. Als der Reichskanzler das Dort ergreifen wollte, wurde ihm von der äußersten Linken zugerufen: Auf- stchtsrat der Stinnesregierung! Die Zwischenrufer wurden aber durch die Mehrheit zur Ruhe gewiesen. Reichskanzler vr. Cuno verlas sodann die Regierungserklärung. Nachdem er be kannt gegeben hotte, daß der Posten de» Wiederaufbaumini, ster» offengeblieben und auch ein Sprechminister nicht er nannt worden sei, gab er dem Bedauern darüber Ausdruck, daß die neu« Reichsregierung nicht auf der von ihm erhoff- ten breiten parlamentarischen Dasi» stehe. Hoffentlich komme es zu einer verständnisvollen Zusammen arbeit aller staatserhaltenden Kraft«. Deutschland müsse im Kreise gleichberechtigter Völker ein sich selbstbestimmender, au» eigener Kraft und eigenem Rech» lebender Staat werden. Der Dersailler Vertrag stehe mit einem rechtsgültig geschloffenen Vorvertrag« nicht im Ein klang. Der Streit um die Lrfülluugspasilik einer Frag« der Gesinnung gemacht ,morden. - stlluAgsmöglichkeit _> wie di« Ungewißheit über unsere Verpflegungen drückten uns die «ab»» der Ve- Die «»«spräche. Die groß« Aussprache, die sich nach einer zweistündigen Paus«, während der die Fraktion«» ihre Stellungnahme zu der Regierungserklärung festlegten, in der Vollversamm lung des Reichstage» abspielt«, war von einem viel lebhaft teren Interesse begleitet, als da» bei früheren Gelegenheiten im allgemeinen der Fall war. Vie Mitgltcher der Regie rung und vor allem di« Abgeordneten selber waren vollzSH- lig während der Aussprache zugegen. Die Tribünen und Nicht zuletzt die Diplomatenloge wies lückenlos« vesetzung auf. So bot diese Debatte auch äußerlich ein imposant«. Bild. Di« neu« politische Konstellation trat in den Reden der Parteien mit ganz außerordentlich scharfer Abgrenzung her- .. „vr Ul, erst«?Debatteredner kam Breitscheid al» Der- dm».. d!-'im.r I« -ME - o-p-m«. «-IE» »EE Euno vor dem Reichstag. Stimmungsbild aus dem Reichstage! (Bon unserem parlamentarischen Vertreter.) Das übliche Bild! Nachdem nun auch in Deutschland die Regierungswechsel zu einer in kürzeren oder längeren Perio den regelmäßig austretenden Erscheinung geworden sind, haben sich auch bestimmte Äußerlichkeiten he > ausgebildet, die nan freilich nicht gerade mit ungemischter Befriedigung be- arüßen kann. Die Vorstellung einer neuen Regierung ist zu einem regelrechten Theaterschanspiel geworden. An den Eingangstüren des Reichstages stehen die Menschenschlangen schon vom frühen Morgen an. Di« wenigsten können auf Karten rechnen, die schon seit Tagen vergeben sind. Jctzr ist es förmlich so, daß sofort nach dem Fall einer Regierung der Wettlauf um Zutritt zu dem Schauspiel für das neue Debüt beginnt. Man sieht sich den neuen Mann an —, um ihn zu bämuern, daß auch er bald wieder einem anderen weichen muß mck um sich zu freuen auf das nächst« Schau- spiel. Ganz besonders eifrig sind die Photographen und Kino-Operateure in mehr oder weniger edlem Wettstreit vor den Türen tätig. Im Saale selbst der bekannte Andrang auf den Tribü- nen. Die Diplomaten stick diesmal auffallend schwach ver- treten, jedenfalls kein« führercken Persönlichkeiten, dafür Botschastspersonal, Damen, di« sich offensichtlich in Theater- Stimmung befinden. In ganz anderer als in solcher Stimmung sind aber die Mitglieder des Reichstages, di« da unten die Bänke fast bi« zum letzten Platz besetzt halten. Don den Parteihäuptern ist „alles da". Es wimmelt nur so von „Ehemaligen". Es scheint fast, als hätten sich all« „Großen" seit der Revolution ein „Rendezvous" gegeben. Schoidenianns Glatze leuchtet auf neben Hermann Müller« krampfhaft lächelndem Gesicht. Rosenfelds und des grau urck still gewordenen Adolf Hoff manns Köpfe rufen Erinnerungen an di« Zett vor just vier Jahren wach, die nicht gerade erfreulich sind. Bauer mck Radbruch reden mit einem „Kommenden". Man sieht Breit- scheid, dem es nicht ganz leicht geworden ist, auf di« Bestie- digunq seines Ehrgeizes zu verzichten. Weiter drüben be finden sich Schiffer und Koch im Gespräch mit bem ehemali gen Washingtoner Botschafter, dem Grafen Brockdorff- Rantzau, und auf den Zentrumsbänken steht man zwei Reichskanzler, Dr. Wirth und Fehrenboch mit zwei ehemali- gen Ministern Bell und Giesberts in trautem Quartett. CVno ist pünktlich. Zehn Minuten nach 1 Uhr raffeln die Klingeln durch das Haus. Der Saal beginnt sich zu stillen. Don einer besonderen Erregung oder Svannung ist aber nichts zu bemerken. Nach dem üblichen Dortrapp von Geheimräten und sonstigem Beiwerk erscheinen di« Een und Produktionskraft Deutschland» durch die Abtretung tand- wirtschaftlicher und iickustrieller Gebiete auf, tiefste geschwächt ist. Di« Überlastung mit einer auch bei un versehrten Kräften unaufdringlichen Zahlungspflicht und die Politik ultimativer Drohungen haben den Glauben der Wett an die Zukunft Deutschlands aufs tiefste erschüttert. Die Reparationsfrage ist zur Schicksalsfrage der deutschen Wirtschaft geworden. Bezüglich der Schuld am Weltkriege erachtet es die deettsche Regierung als ihre Pflicht, ohne Scheu alles zu tun, was ein gerechtes Urteil über die Schuldfrage herbeiführen kann. Aber ebenso be trachtet si« es al« notwendig zur Abtragung der Deutschland auferlegten Verpflichtungen, insbesondere zum Friedens werk des Wiederaufbaues der zerstörten Gebiete Frank reichs, das nach Deckung der deutschen Lebensbedürfnisse Mögliche zu leisten. Der Reichskanzler drückte sodann die Hoffnung aus, daß di« Einsicht der leidenschaftslosen Betrach tungsweise sich in den früher gegnerischen Ländern knmer- mehr durchsetzen und daß msbeslmdere in den Bereinig- ten Staaten die Inangriffnahme der Aufgaben vom weltwirtschaftlichen Standpunkte aus Verständnis finden möge. Die deutsche Regierung sei fest entschlossen, da» iy der Rote vom 13. November enthaltene Programm voll zu vertreten. Die neue Regierung trete dem bei, daß sofort eine vorläufige Aktion zur Hebung und Begünstigung der Mark einaeleitet und hierfür von der ReichÄaak 500 Millionen Goldmark zur Verfügung gestellt werden. Deutsch land müsse für drei bis vier Jahr« von allen Bar- und Sach leistungen aus dem Versailler Vertrage, ausgenommen Sach leistungen für die zerstörten Gebiete, befreit werden, soweit letztere ohne Vermehrung der schwebenden Schuck bestreit bar find. Auch müsse Deutschland die Gleichberechtigung im Handelsverkehr wieder gegeben werden. Den Ausführungen Poincarss über die Aufnahme von Anleihen kn Skis lande erklärt« der Reichskanzler zuzustimmen. ebenso wie dem Gedanken der Markstabitisierung. Letzter« sei jedoch unmöglich, solange die Politik an Ultimaten an dauere. Deutschland müsse jetzt feine Wirtschaft zu höhe ren Leistungen führen. Die wucherbekümpsung bleibe eine dringliche Aufgabe. Die Arbeitszeit müsse unter Feschaltung am Achtstundentag gesetzlich geregelt werden. Der Not der bedrängten Schichten der Bevölkerung werde sich die Regierung mtt allen Mitteln annehmen. Den Grundsatz höchster Leistung, wie höchster Sparsamkeit werde die Regierung besonders im öffentlichen Haushalte durch führen. Höchstmögliche Steigerung der Reichseinnahmeri sei unbedingt nötig. Schwerste Steuerovfer der Leistungsfähigen dürften nicht gescheut werden Schließlich erklärte der Reichskanzler, daß er ihn persönlich freuen würde, die gewonnenen vertrauensvollen Beziehungen zu den Wirtschaftest! hrern desAuslandes nun unmitteckar kn Dienste de« Reiche« fruchtbar zu machen. Di« Regierung wolle eine ehrliche, schlichte, devffche Volltik treiben, die nicht» zu tun hab« mit dem Schlagwort einer Ost oder Westpolittk. Der Reichskanzler wiederholle da» Wort Rathenau», daß die Reichsregierung niemals bereit sein werd«, besehtes deutsches Gebiet preiszugeben, seine Befrei- ung zu gefährden oder auch nur um «inen Tag hinauszu schieben. Die Sorg« um deutsche« Land am Rhein mahn« zur Einmütigkeit der Gesinnung. Der Reichskanzler schloß: Deutschland «st in schwerster Gefahr. Aber unsere Arbeit wird nicht vergeblich sein, wenn Deutschland fick nicht selbst avsglbt. Die Regierungserklärung fand lebhaften.Deistckl und Zustimmung, besonder« bei den Stellen, in denen der Reichs kanzler davon sprach, daß gearbeitet und nicht geredet wer. den müsse, und daß eine Zusammenfassung aller Kräfte not- wendig sei.