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hnus ist ' soluten 2 SL LZ «.LS ZZZ'r-- H NLL>LL Die goldenen Dächer von Kirschau. Bon Otto flösset- Bautzen, Ein neuer Ort in unserer Lausitz! Zwar der Name Kirschau ist uralt. Schon der faule Wenzel von Böhmen rcr.nt ihn. Er, der sich lein rühmliches Gedenken in der Lausitz gewahrt hat, nennt ihn schon 1363. Man braucht aoer gar nicht so weit zurückzugehen in der Geschichte. Vor - rudert Jahren noch war Kirschau ein trostloses Nest. Kaum ein Dutzend Häuser hatte das halbwendische Dors auszuweisen. Man wußte nichts von ihm in der Lausitz. Seit es Wenzel dem Bautzener Domstift „zu einem Seel- gerat" geschenkt und seine Großen nach ihres königlichen Herrn Vorbild schnöden Handel mit dem Orte getrieben, kannte man es selbst in der nächsten Umgebung kaum. Alte Leute wissen heute nock von der Armut zu erzählen, die in den elenden Wcberhütten wohnte. Sie selbst sind ja noch mit dem Korbe auf dem Rücken gegangen u. haben Pfucken aus Hainitz und Zaspeln von den Löbauer Märkten ge holt, um „Packel" (Packleinewand) daraus zu weben. Man kennt das Ki'ffchau heute nicht wieder. Wer noch vor 20 Jahren zum letzten Male dort weilte, kennt sich darin kaum mehr aus. Es ist herausgewachsen aus den Talungen auf die umgebenden Höhen. Die alten Weberhütten kuschet- ten sich bänglich um den Schloßberg unten an der Spree, dis Häuser des neuen Kirschau stehen aufrecht und frei auf lich ter Höhe. Ihre roten Dächer leuchten weithin ins Lausitzer Land und sprechen deutlich von Wohlstand und Gesegnet sein. Wer hätte damals gedacht, daß dieses arme Dörflein einmal zum reichsten Ort der Lausitz werden würde! Und doch liegen die Anfänge zur heutigen Größe im Schoße jener armen Weber. Das war ums Jahr 1845, als der Webergeselle August Friese in Kirschau einwanderte. Zwanzigjährig, arm bis auf das Bündel unterm Arm, so kam er von Berthelsdorf herüber, ein Waise, der schon frühzeitig Hinterm Webstuhl hatte sitzen müssen. Mit zwei Stühlen fängt er an. Es kommen magere Jahre, in denen das Schiffchen still steht. Da geht er als Schlachter auf die Bauerngüter. Immer aber kehrt er zum Webstuhl zurück. Mit Zähigkeit und Ge schick geht es vorwärts. Aus zwei Stühlen werden vier, aus vier zehn. Da kommen die schlimmen 80er Jahre. In Meißen stellt man die Waren in mechanischen Jutespinne reien schneller und billiger her als Friese mit seinen Hand stiihlen. Er versucht, aus Baumwollabfällen Scheuertücher zu weben. Etwas aanz neues in Deutschland. Das kühne Wagnis gelingt. Nach Überwindung unsäglicher Schwie rigkeiten kommt sein Werk in Gang. Nun geht es mit Rie senschritten vorwärts. Fünfzig Stühle sind sein eigen. Seine Söhne Reinhold, Adolf und August, die ihm bisher zur Hand gegangen, entwickeln das Unternehmen weiter, Die alte Karaßmühle, die Jahrhunderte hindurch am Pilke- bach geklappert, muß weichen. Friese baut eine Fabrik auf ihrem Grund. Im nächsten Jahre, 1895, wird ihr eine Spinnerei mit 165 Stühlen angliedert, zwei Jahre darauf eine Jutespinnere! mit anderthaldtausend Spindeln. Friede baut und erwirbt Fabriken in Rosenhain im Böhmischen, in Callenberg und Sohland a. d. Spree. Im Jahre 1906 fährt der erste Zug auf dem neu errichteten Industriegleis aus den Kirschauer Fabriken zum Schicnenstrang in Wil then. Unablässig rollen Güterzüge mit Rohstoffen heran, wöchentlich 80 Waggons fressen die Maschinen. Unablässig geben Güterzüge mit Scheuertüchern und Decken hinaus in alle Welt. Schon ist der Betrieb ein Riesenunternchmen, das die Schulte-n der Gebrüder Friese nicht mehr zu tragen vermögen. 1921 wird er in eine Aktiengesellschaft umqewan- delt. Fünf Millionen Mark stützen sie. Weiter wächst das Werk. Noch im gleichen Jahre ersteht ein Teil der in Dres- den-Kaditz auf Gebot der Feinde niedergelegtcn Lnfrschiff- halle als Niescnstapel auf Kirschauer Fabrikgebäude. Waren im Werte von Hunderten von Millionen Mark lagern dort. Noch immer gebiert das Unternehmen neue Teile aus sieb heraus. Heute baut man an. einer Feinspinnerei. um den einzigen Zweig einzufügen, der dem Betriebe noch rc'ckte. Ist er vollendet, dann ist der neuzeitlichste Tertilbeteieb >er- tig. Dann dal er Webereien, Färberei, Raucherei, A 'orr.ur, Reißsrei und Spinnereien. , - An der Seite des Frieseschen Werkes ^wuchsen anoeie aleich',eckig empor: die „Bereinigten SP in ne reien ,d "IrbereienAugust Pelz und L. W. Paur G. m. v. H." Dor drei Jahren noch waren ste gesondert, Unternehmen. Auch ihr« Gründer haben sie au» den Nein sten Anfängen heraus großgezogen. Armer Leute Kind muh. ten sie schon während der Schulzeit bis in die Nacht hinein hin ter dem Treibrad sitzen. Sparer gingen sie zu Friese al» Webergesellen in Lohn. Jahrelang haben si« gedarbt und gespart. Endlich konnten sie sich einen eigenen Webstuhl setzen. Damit fingen sie an. Darm ging es Schutt um Schritt vorwärts. Auch so die dritte Kirscknrucr Tertilfirma: „Otto En gert Textilwerke. G. m. b. H." Die Jahre kurz vor und nach dem Kriege brachten den Werken rapiden Aufschwung. Die offenen Firmen wurden in Ge sellschaften umgewandelt. Ununterbrochen wurden Fabriken und Arbeitssäle angesügt und neu erstellt. 1911 gliederte C. W. Pauk seinem Unternehmen eine Spinnerei an, 1920 erwarb C. Otto Enqert das frühere Artilleriedevot in Klein- wclka als Rohstofflager. Riesenunternehmen sind sie sämt lich geworden, diese Unternehmen. Vom Handwebstuhl zur Weltfirmal Ein großer We ist es. In zwei Menschenaltern schon hat ihn di« Kirschauer Industrie zurückgelegt. Das ist wahrlich amerikanische» Wachstum. Einer der Kirschauer Textilbetriebe stellt jährlich ein Scheuertuchband her, das reichlich um die Erdkugel reicht. Ein Symbol: Di« Kirschauer Unternehmen haben den Erdball erobert. Weltwerk« siich es geworden. Fabrik reiht sich an Fabrik, Schornstein ragt an Schornstein aus, Tausen de von Arbeitern und Arbeiterinnen an» den Dörfern der Umgebung finden hier ihr Brot. Das Sausen der Spulen und Spinnmaschinen hat die einstige Armut aus den Straßen gejagt, überall zeigt sich Wohlstand und Reichtum, über den Fabriken erheben sich stolz an waldigem Hange die Billen der Großindustriellen« Ihre roten Ziegeldächer erheben sich kühn über die Werksge bäude unten im Tal. Sie sind mit ihnen, au» ihnen gewor den. Die Dorfbewohner sirch nicht mehr in ärmlichen Hüt ten. Kems der alten baufälligen Häuser ist in Kirschau mehr zu sehen. Sie sind neu, licht und freundlich. Die unter Be teiligung der Gemeind« im Jahre 1919 gegründete Bauge nossenschaft hat eine reiche Tätigkeit entfaltet. Mit einem Aufwand von 15 Millionen Mark hat sie bisher 110 Woh nungenhergestellt, eine Kriegersiedlung im Westen u. eine In- dustriesiedlung im Osten des Dorfes. Wo einst ein knapper Feldweg über Acker führte, zieht heute eine schöne, breite Straße. Zu beiden Seiten steht — ein Dorf fast für sich —> ein Dutzend neuer, Heller Häuser. Zufrieden kuscheln sie sich an den sanft geneigten Hang und schauen mit lichten Fen stern über Wiesen und Fenstern hinein ins bergwaldumfrie- dete Tal. Ein freundliches Dorfeck, diese Siedluna? Fast wären die Häuser dem altehrwürdigen Ge meindeamt „über den Kopf gewachsen". Das steinalte, bescheidene Schulhaus bot längst nicht mehr genügend Raum für die Verwaltung des rasch ausblühenden Jndustrieoctes« Mit einem Kostenaufwand von 700 000 .tt wurde es in ein Gemeindeamt umgcbaut. Der Dresdner Architekt I. A« Boblig. der in Kirschau ein reiches Arbeitsfeld gefunden hat. hat das immerhin nütü leichte Problem mit bemundernswer- tcm Geschck gelöst. Durch die von ihm mit sachkundiger Hand gewählte Architektur ist der Bau deutlich als Sitz der Orts behörde gekennzeichnet. Das Äußere ist einfach gehalten, mir über den bunten Fenstern des Sitzungssaales zeigt es mehr künstlerischen Schmuck. Der Haupteingang ist jedoch, in gedanklicher Anlegung, unseren mitteldeutschen Rathäu sern folgend, reicher ausgestattet, über dem Eingang sitzt ein Sandstein-Putto mit dem Schiffchen auf dem Scheuer tuch-Ballen. Ein sinnvoller Srirerz der Dresdner Bild hauers Türke. Man muß lachen beim Anblick des Schalk» da droben, der räch lud auf seinen Scheuertüchern herum- reitet. Der hat gut lachen. Er könnte das Sinnbild Kirschaus sein. Durch Scheuertücher hochgekommen, das trifft ja auch auf das Dorf zu, das nun obenauf ist in der Lausitz. Welle mt aber könnte es auch das Sandstcinbild ülier dem Eingang der gegenüberliegenden Löbauer Bank sein, der woblleibige Bengel. de.r sichs zwilchen Bienenkorb und prall gefülltem Ecldlack wohl sein läßt Man lacht, n enn man ihn anschout, und das H:rz lacht einem un Leibe, wenn man den aufstrebenden Ort durchwandert. Der lacht jo auch, auf Schrick und Tritt lacht er einem entgegen, llt Wohlstand und gesundem Wurl' ckr«d wie das Gemeinde amt immer und überall e ' nsassung des Ge-