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— ZSMHostzwerdaer Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Die» Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt- Mannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. sHLatt-» Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt mck Land. DichtefteVerbreitung inallenDolksschtchten Beilagen: Sonntags-Unterhaltung»-!»« mrd Landmirtschastllche Bellnß» Geschäftsstelle Bischofswerda, Alvnarkt 16. — Durch und Beck- d« Buchdmckeret Friedrich May in Bischofswerda. — Fernsprecher Skr.W oder Viren Stau« LSO Mi., örtliche LnZetae» L— vtk. I» GqK» test'tZlm. Moste 14) 7 - Mk. die SgeioaÜene Zelle, «et wteb«. Holungen Nachlatz nach seslstrhenden SLten. — «nMch- Nn^ll»« die 8ge)paltene Zeile 8.— Mk. — Wr bestimmte Tage oder VDtz wird kein, GewLhr geleistet. — «Mkmgoort Bischofswerda. Geschetnnnaswetse r Jeden Werktag abends für den folgend. 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' Die Historiker haben festgestellt, schreibt der B. L.-A., daß fast jedem großen Kriege eine Periode vorausgegangen ist, in der sich die Völker bemühten, die Rüstungslasten zu beschränken. Man erinnert sich der verschiedenen Vorschläge unmittelbar vor dem Weltkriege. Sie blieben alle unaus geführt, und mit Enttäuschung sieht die Welt von heute, daß die ernsthaften Bemühungen der Amerikaner in Washing- ton und Lloyd Georges in Europa vergeblich gewesen , sind. Niemand war darüber im Zweifel, daß der Versailler Vertrag die Keime künftiger blutiger Auseinandersetzungen in sich trug und zu einer wirklichen Befriedigung der Welt nicht dienen konnte, daß aber eine der unterzeichneten Mächte so bald schon wieder wagen würde, offen von Krieg zu sprechen, kommt doch vielen überraschend. Ängstlich hat Poincarö in seiner Rede das Wort Krieg ver mieden: aber was ist es anderes als Krieg, wenn franzö sische Heere unter Bruch des Versailler Vertrages und unter Mißachtung selbst des Willens feiner Verbündeten aus dem großen Kriege in deutsches Reichsgebiet einmarschierrn? Noch immer will die britische Regierung an die Notwendig keit des Einsatzes ihrer gesamten Macht gegen den französi schen Imperialismus nicht glauben, noch immer hofft Lloyd George, Frankreich auf diplomatischem Wege in die Enge treiben und von der Ausführung seiner kriegerischen Pläne abhalten zu können. So bedeutet also der überraschende Entschluß Lloyd Georges, sämtliche Unterzeichnete des Versail ler Vertrages zu einer Sonderkonferenz in Genua zusammenzurufen und vor ihnen die französischen Pläne zur Sprache zu bringen, keinerlei feindselige Maß- nähme gegen Frankreich. Er will den Bruch mit den Fran zosen vermeiden, aber er hofft, daß der Druck einer überwäl tigenden Mehrheit der im Krieg verbündeten Staaten, deren er sicher zu sein scheint, allein schon genügen wird, um ent weder Poincars und Millerand in den Bannkreis der briti schen Weltpolitik wieder hineinzuzwingen oder aber die öffentliche Meinung in Frankreich so stark zu beeinflussen, daß sic einen Wechsel des Systems und damit den Rück tritt Poincarös verlangt. Der diplomatische Kamps zwischen den beiden stärksten politischen Persönlichkeiten Europas ist in das entscheidende Stadium getreten, denn auch Poincar« hat die Gefahr für sich und seine Politik in vollem Umfange erkannt und den ganzen Apparat der Weltdiplomatie und der Weltpresse in Bewegung gesetzt, um seinen großen Gegner zu kompromittieren und zu stürzen. Das halbamtliche französische Regierungsorgan, der Temps, greift Lloyd George mit einer Schärfe an, die selbst in den Zeiten seiner Rede über Oberschlesien nicht erlebt wurde. Gefährlicher aber für das britische Kabinett ist die immer offenere und rücksichtslosere Feindschaft der Northcliffe- Presse, die in England selbst einen ungeheuren Leserkreis und Einfluß besitzt. Wir waren oft genug Zeuge eines er bitterten Ringens zwischen Lloyd George und den Fran zosen, und noch jedesmal endete es mit einem britischen Rück züge. Auch jetzt ist ein solcher Ausgang noch möglich, wenn man auch nicht verkennen darf, daß England durch die An rufung der Signatarmächtc des Versailler Vertrages die Freiheit des Handelns sich selbst eingeengt hat. In diesem Plan muß man einen hohen Grad von Entschlossenheit er kennen, der den englisch französischen Machtkampf imAugen- blick von seinen früheren Phasen wesentlich unterscheidet. Es kann keinem Zweisel unterliegen, daß Lloyd George nach dem Buchstaben und dem Sinn des Ver sailler Vertrages im Rechte ist. Während an unzähli gen Stellen dic Entscheidung über Ausführung oder Nicht ausführung des Vertrages bewußt in die Hände der soge nannten Hauptmächte oder auch Les Obersten Rates gelegt worden ist, sieht der Vertrag im Falle der Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen ein widerspenstiges Deutschland ausdrücklich dcn Beschluß der »alliierten und assoziierten Mächte" vor. Mit anderen Worten: Uber jede Zwangs maßnahme kann nur eine Konferenz der Ge samtheit aller Unterzeichneten des Versailler Vertrages entscheiden, und die Ausführung einer solchen auch nur von der Gesamtheit dieser Mächte unternommen werden. Dir entgegengesetzte Rechtsauffassung Poincares ist völlig un- haltbar. Sollte der französische Ministerpräsident also vor dem Form« der versammelte» alliierten und assoziierten Mächte persönlich erscheinen, so wird er von vornherein einen sehr schweren Stand haben und Gefahr laufen, Frankreich völlig zu isolier«. Allerdings, das muß immer wieder ge sagt -neiden, das letzte Wort hat nicht der Jurist, sondern der Politiker. Nur so tonnte die Entscheidung über Lupen und Malmedy, über Oberschlesien und viele andere Sonnabend, den 2S. April 1S22. 7S. Iahr-a»-. Ding« zustande kommen, die unser deutsches Rechtsempfin den tief verletzt. So kann auch das Wunder geschehen, daß Frankreich als der mächtigste Militärstaat Europas die Ge folgschaft kleiner Vasallen findet, di« es einfach nicht wagen, ihre Stimme gegen den zu erheben, der als einziger in Euro- pa über ein Millionercheer verfügt. So wird der große Ge richtstag in Genua nicht die Feststellung der ohnehin kla ren Rechtslage bringen, sondern die Entscheidung darüber, ob Frankreich bei der Fortsetzung seiner Politik auf den be waffneten Widerstand des ganzen übrigen Europas, vielleicht auch der Vereinigten Staaten, stoßen wird, oder ob es vorzieht, seine Sonderwünsche der allgemeinen Sehnsucht nach Frieden und Wiederaufbau unterzuordnen. Cs kann aber auch der Fall eintreten, daß die Franzosen mit einem Hohnlachen über die Trümmer des europäischen Friedens hinweg zu Gewalt und Eroberungen schreiten. Es wäre nicht das erstemal in der Geschichte, aber es würde weit grö ßeres Elend über die Welt bringen, als jemals vorher. Was Deutschland leisten soll. Der 31. Mai. Mit dem letzten Tage des Mai läuft bekanntlich die Inst ab, bis zu welcher wir die Garantien für die Stundung der fälligen Reparationen geben sollen. Die Entente verlangt von uns die Ausschreibung von weiteren 60 Milliarden jährlicher neuer Steuern und die Einräumung der Finanz kontrolle über die deutschen Ausgaben und Einnahmen. Mit diesen unerfüllbaren Forderungen sollten keineswegs allo Schulden gestundet »werden, sondern nur zu dem kleineren Teil die Ratenzahlungen dieses Jahres. Die Plackerei könnte also in jedem Jahre von neuem beginnen, uiD wir kämen niemals aus den Schikanen heraus. Diese Zumutungen gehen zwar offiziell nicht von Frankreich allein aus, sie tra gen die Unterschrift aller Ententestaaten, doch besteht der Unterschied, daß England und Italien für den Fall der Nichterfüllung nicht ohne weiteres zu „Sanktionen" über gehen wollen, während Frankreich und sein« Trabanten ent schlossen siiid — wie Poincars es ja in feiner letzten Rede zu Bar-le-Duc ausdrücklich androhte — nötigenfalls allein mit der Okkupation in Deutschland im Ruhrgebiet usw. fortzufahren. Die Konferenz von Genua hat mit diesem Diktat für den 31. Mai nichts zu tun, wohl aber müßte sie seine Folgen in Rechnung stellen, die die politische und wirtschaftliche Mi sere in Europa sehr erheblich steigern wüttrc. Lloyd George hat aus seinen Gesinnungen gegen die französische Regie rung kein Hehl gemacht, aber ob seinen energischen Worten sich Taten onschließen werden, bleibt nach allen Erfahrungen immer wieder recht zweifelhaft. Wenn die maßgebenden Männer sich nicht auf sich selbst besinnen, so muß der 31. Mai ein allgemeiner Schicksalstag werden. Auch für Amerika. Dort hat man sa schon sehr oft gesagt, Europa sei ein großesNarrenhaur und dic Vereinigten Staaten hätten keinen Anlaß, sich darum zu bekümmern, so lange es nicht wieder vernünftig geworden sei. Aber wenn in diesem ..Narrenhaus" das Geld ausgeht, wenn dadurch die ganze Welt in Mitleidenschaft gezogen wird, dann wird auch Amerikas Gleichgültigkeit für den Zu stand Europas beendet kein. Der französisch-belgische Etnmarschplan. Dein „Tag" wird aus Frankfurt o. M. gemeldet, daß bei der Zusammenkunft des französischen Kriegsmini st« rs Maginot mit dem belgischen Landcsverteidigungsminister Devese in Koblenz d«r gemeinsam« Aufmarsch- und Opera- tionsplan gegen Deutschland vereinbart worden sei. Die Hauptoperatton soll sich gegen das Ruhrgebiet richten, zu dessen Besetzung in der belgischen Dssatzungszone Aachen—Krefeld eine französisch-belgische Nordarmre gebil det wird, die, unter französischem Oberbefehl stehend, etwa drei mobile französische Korps zu je zwei Divisionen, meh rere belgisch» Divisionen und «in französisches .Kavallerie korps zu drei Divisionen unter dem französischen General- Inspekteur der Kavallerie stark und reichlich mit Tank- und Fliegerfvrmationen ausgerüstet sein wird. Diese Hauptopc- ration, deren Ziel zunächst nur die Besetzung des Nuhrgedie- tes ist, wird in den beiden Flonken gesichert, und zwar im Norden durch den Borstotz einer beigischen Abteilung in Stärk« einer Division au» der Gegend von Wesel in Rich tung auf den Teutoburger Waid und im Süden durch das Vorgehen einer schwächeren französischen Abtei lung in Stärk« einer Kavoüeriedivifivn mit eiiriaen Iäger- bataillonrn aus dem Brückenkopf Koblenz heraus die Lahn abivärtv und einer stärkeren französischen Gruppe von Mainz aus über Frankfurt auf Hanau. Wenn die Deutschen dem Einmarsch der Franzosen Mch Belgier bewaffneten Widerstand entgegensetzen sollten, soll weiter nach Osten vormarschiert werden, und zwar im Nor den in Richtung auf Münster mG im Süden in Richtung ans den Thüringer und Frankemvald. Die beiden Generalstöh« hoben schon jetzt die oorbereiterchen Maßnahmen zo träfftn, so daß der Aufmarsch der hierfür bestimmten Truppen und die Einleitung der Operationen sofort beginnen können. Hierzu gehört vor allen Dingen di« Einberufung je eine» Heck- bsn Jahrgangs in Frankreich und Belgien, um die Opera- tlonetruppen auf Kttegsstärke zu bringen^ DieSpionage in da» unbesetzte Deutschland soll von jetzt ab nach einheitlichen Richtlinien und in verMrttem Maße betrieben werden. Insonderheit kommt es darauf an, etwaige deutsche Geheimorganisationen und dte Stimmung der Arbeiterschaft in den zu besetzenden Gebieten festzustellen. Die Spionage soll im engsten Einvernehmen mit der Inter alliierten Militärkontrolltommisston in Vav» lin erfolgen. Diesen Abmachungen entsprechend lauten auch di« Nach richten, di« sowohl «ms den von den Franzosen und Belgiern besetzten Gebieten als auch aus Frankreich und Belgien sel ber kommen. In den elsaß-lothringischen Garnison« sind bereit» die entsprechenden Befehl« vom Pariser Seneraykad «ingegangen. Sie befinden sich ebenso wie die Aaoallerie- division in Lunevill« in erhöhter Bereitschaft. Noch immer, sind farbig« Truppen im Antransport. Hai ihnen handelt es sich in der Hauptsache um Schützenveadn«- ter aus Nordafnka. In der Gegend von Koblenz sino «ei tere zwei Bataillone des französischen Infanterie-Reglments 152, von Mörchingen kommend, .eingetroffen. In den fran zösischen Bezirksämtern arbeitet man fieberhaft an der Ein ziehung eines halben Jahrgangs 1S18. Der französische Kriegsminister bereist tzn Anschluß an di« Koblenzer Zusammenkunft die Garnisonen der Grenz korps, besichtigt die Truppenteile und haft kriegerische Reben, um Stimmung zu machen für den militSrlschen Spa ziergang in das unbesetzte Deutschland, wie französische Generalstabsoffiziere in Mainz das ganze Unternehmen be zeichnet haben sollen. Für uns heißt es, all' diesem gegenüber ruhig Bütt zu bewahren, an ernsthaften bewaffneten Widerstand können wir ja angesichts unserer gänzlichen Wehrlosigkeit nicht den ken, un- dafür aber die sich immer mehr enthüllenden fran zösischen Dernichtungspläne gegen uns als solche in Genua als Waffe gegen die Franzosen zu benutzen. Lloyd George warnt vor der Katastrophe. Genua, 27. April. Bei einem Essen, das die englische un- amerikanische Presse ihm zu Ehren gab, hielt Lloyd George eine Rede, die wohl das pessimistischste ist, was ein Staatsmann seit Versailler gesprochen hat. Rach kurzer Einleitung, in der er die Presse um Unterstützung und Hilf« bat, erklärte «r, daß wir einer Katastrophe Europa» gegenüberständen, wenn es nicht gelänge, «in« wahr« Friedenspakt zu erreichen. Europasei voll von unge lösten Fragen, von denen jede einzelne die Möglichkeit eines europäischen Brander in sich schließ«. Rußland und Deutschland, di« zwei Drittel von Europa bildeten, ständen dem übrigen Teil halb entgegengesetzt gegenüber und jedermann, der sich einbild«, man könne di« zwei Drittel Eu ropa» durch irgendeine Kombination niederhalten, sei ver rückt. Da» deutsch-russische Abkommen sei für manch« eine Offenbarung gewesen. Lloyd George sagte, er habe bereits seit langem darauf hingewiesen, daß es unvermeidlich sei. Es zögen Wetterwolken auf und stiegen höher und höher. Da» Unglück sei sehr nahe. Er selbst,«in alter Mann mit grauenHaa- ren, glaube, daß er noch die Katastrophe mit erleben werde, wennes nicht im letzten Augenblick gelänge, den Frieden zu ret ten. Die Alliierten wären siegreich gewesen, sie hätten einen großen Krieg gewonnen, aber solche Ding« dauerten nicht lange. Er habe schon vor Jahren gewarnt und sähe jetzt dos Unglück herankommen. Die Politik der Alliierten dürfe nicht «in hungernde» Rußland und ein Deutschland, da» zur Rache getrieben würde, einmcher in die Arme sagen. Er wiederholte noch einmal, er habe gewarnt und warne wieder. E« gäbe Posftiker, die da» Verbrechen, -le weltkalastraphe herhmzvführen, nicht sähen, und wvkn eigen« weg. ihre eigen« Politik «ad ihre eigen« Länder, lateressen durchsetzen wollen, v« würde der Well pnn Un heil gereiche«, nnd in diese» Unheil würde Amerika hinein gezogen werden. Ohne Iriedeaspakl würden alle, die fehl hier nach freundlich nw Tisch hermn füßen, ihr cknies Unglück nnd anch da» ihrer Minder noch mit «Kd« Een. Genua, 27. Avril. sDrahtb.) (Spezialdericht de» «er treters de» «. T. B.) Dr. NathenauerN-rte vor Presse vertretern zu der Rede Lloyd Georger Hinter jedem Bstn,