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D-rMMLrMrr Sonntag, Ven 23. Oktober 1V2L 76. Jahrgang dcrgebccrtt-T» Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschichten Beilagen: Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Beilage. Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag der Buchdruckerei Friedrich May in Bischofswerda.— Fernsprecher Nr. 22. Bischofswerdaer Hauptblatt und gelesensteZeitungimAmtsgertchts- dezirk Bischofswerda und angrenzenden Gebieten Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt mannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. folgend. Tag. Postscheck-Konto: Amt Dresden Nr. 1521.—Gemeinde» ' WDbstelle monatlich verbandogirokasse Bischofswerda Konto Nr. 64. , «rscheinungsweise: Jeden Werktag abends für ' Bezugspreis: Bei Abholung in der Grs Mk. 3.75, bei Zustellung ins Haus monatlich Älk. 4.—, dun die Poft bezogen vierteljährlich Mk. " "" Anzeigenpreis: Die 6 gespaltene Grundzeile (Ilm. Masse 14) oder deren Raum 120 Pfg., örtliche Anzeigen 80 Pfg Im Tert teil (Zlm. Masse 14) 300 Pfg., die 3gespaltene Zeile. Bei Wieder- der Regierung abgeben. Darauf tritt eine Pause ein, damit die Fraktionen Stellung nehmen können, u. erst dann wird das Plenum in die Beratung eintreten. Deutsche Aukunstsausfichten nach dem Genfer Beschluß. Die Hoffnung derer, welche von der Einsicht unserer Gläubiger eine Revision der seit drei Jahren gegen uns ge triebenen Politik erwarteten, ist zuschanden geworden. Die Übernahme der Reparationsverpflichtungen im letzten Mai ist zwar ohne Bedingungen und Vorbehalte erfolgt, sie setzte aber voraus, daß uns unsere Gläubiger künftig loyal und gerecht behandeln werden. Der Genfer Beschluß hat das Gegenteil bewiesen. Zu der kommenden gewaltigen direk ten und indirekten Belastung der deutschen Wirtschaft kommt eine weitgehende Zerstörung der bisherigen Organisation. Oberschlesien ist nicht etwa nur ein Prozentsatz unserer Wirtschaftskraft und Wirtschaftsreserven, sondern ein Rad im Gesamtbetriebe unserer Produktion. Wer heute noch be hauptet, das Reparationsabkommen sei erfüllbar, der ist unheilbar blind. Die Reichsbank läßt allerdings mit teilen, daß die Mitte November fällige Reparationsrate von 800 Millionen Goldmark bereits gesichert sei. Bis zum 1. Mai 1022 haben wir aber noch mindestens 1 Milliarde Goldmark aufzubringen. Ein erheblicher Teil der ersten Goldmilliarde ist Lurch Kredite aufgebracht worden, die das Ausland dem Reich bewilligte. Der Genfer Beschluß zerrüt tet den inneren und den äußeren Kredit des Reiches und macht es buchstäblich zahlungsunfähig. Polen ist durch in nere Mißwirtschaft in eine Valutanot gekommen, die bei einem noch nicht drei Jahre bestehenden Gemeinwesen ge radezu unfaßbar ist. Die Politik unserer Gläubiger ist zwiespältig. Sie verlangt von uns unerschwingliche Leistun gen und verhindert ihre Aufbringung. Innerhalb weniger Monate droht uns eine finanzielle Zerrüttung, wie Polen sie in Jahren durchlebt hat. Wir haben das Ohr der Welt für unsere Leiden und für die allen Ländern drohenden Gefah ren noch nicht gewonnen. Die letzte Aussicht auf Rettung besteht darin, daß dies eher gelingt, wie wir zahlungsun fähig werden. Unsere wirtschaftlichen Verluste durch die Teilung Oberschlesiens Mit der neuen Grenzlinie werden auch die wirtschaft lichen Verluste, die die Teilung Oberschlesiens Deutschland bringt, deutlich ersichtlich. An Kohle verliert Oberschlesien den Kreis Rybnik zwar nicht vollständig, aber mit seinen gesam ten erschlossenen und unerschlossenen Kohlenvorräten, ferner den Kreis Pleh, den Kreis Kattowitz, den weserrtlichen Teil des Landkreises Beuchen mit Königshütte, insbesondere die Veuthener Zinkerzgruben und -Hütten, ferner die Tarnowitzer Erzgruben. Der Verlust an Kohle dürste die Hälfte der oberschlesischen Förderung, die vor dem Kriege 43 Millionen Tonnen betrug, überschreiten. Der Verlust an Kohlenvor räten ist unverhältnismäßig viel größer, da allein mit den Kreisen Pleß und Rybnik noch unerschlossene Kohlengebiete mit Lagern von 42 Milliarden Tonnen bis zu tausend Meter Tiefe ausfallen, ferner der Kreis Kattowitz mit 5,5 Milliar den Tonnen und dazu noch kleinere Vorräte im Kreise Hin denburg und Beuchen. Mit dem Verlust des Zinkgebietes verliert Deutschland seine Vormachtstellung als Zinkprodu-. zent und wird für diesen wichtigen Rohstoff so gut wie voll ständig auf den Auslandsbezug angewiesen. Bei Deutschland verbleibt der übrige Teil der Kohlengruben. Schwieriger liegt die Frage in der Eisenindustrie, wo die Deutschland verbleibenden Eisenwerke von der Rybniker Kokskohle durch die Grenzen getrennt werden. Auch die oberschlesischen Koks werke in Hindenburg werden in verstärktem Maße von dem Bezug der Kokskohle aus Polen abhängig gemacht. Nicht eindringlich genug kann auf die Verluste hingc- wiesen werden, die Deutschland an Steuerkraft verliert. Die Unterzeichnung des Ultimatums gründete sich in hohem Maße auf die Hoffnung, daß Deutschland durch eine er höhte Produktton einen wesentlichen Teil der geforderten Zahlungen werde aufbringen können. Im Osten wird uns setzt ein Gebiet fortgenommen, das ungeheure Produktions erweiterungen zuließ, eine große Zahl von industriellen Werken fällt mit ihrer Steuerkraft sogar schon jetzt aus. Die Einzelheiten, die die Mitteilung der jetzigen Grenzlinie verschafft, zeigen u. a., daß mit der Königs- und Laura- Hütte, die jetzt ein trauriges 50jähriges Jubiläum feiert, auch die Bismarckhütte mit ihrem Verfeinerungswerk, der Tethlen-Falva-gtztte, an Polen kommen. Der übrigen Per lüste haben wir bereits früher Erwähnung getan. Wenn der Völkerbund entgegen allen landeskundigen Sachver ständigen diese Trennungslinie durchgesetzt hat, so wird der Oberste Rat daraus den Schluß ziehen müssen, daß eine Grundlage für die künftige Überschußproduktion Deutsch lands damit verloren ist. Hofften wir aber aus einer Über schußerzeugung heraus Zahlungen zu leisten, so können wir das jetzt nicht mehr in gleichem Maße, und es wird der En tente klar gemacht werden müssen, daß der Friedensvertrag weiterer Revisionen bedarf. Stegerwald über den Genfer Gewaltakt. Berkin, 21. Oktober. Im Preußischen Landtag gab heute Ministerpräsident Stegerwald außerhalb der Tages ordnung eine Erklärung zu der Ententenote über Oberschle sien ab. Von kommunistischer Seite versuchte man, den Ministerpräsidenten daran zu verhindern. Unter ohrenbe täubendem, langanhaltendem Lärm versuchten die Kommu nisten, den Ministerpräsidenten zum Schweigen zu bringen, und forderten in Zurufen, daß zunächst der Reichstag spre chen müßte. Ministerpräsidertt Stegerwald führte im we sentlichen aus: Nachdem uns durch den Friedensvertrag die Provinz Posen, die halbe Provinz Westpreußen, das Memelgebiet, Nordschleswig und Lupen und Malmedy geraubt worden sind, sind nun auch die feindlichen Würfel über Oberschlesien gefallen. Dos Land, seit den Anfängen osteuropäischer Be sitz, so wie es vor uns liegt das ausschließliche Werk preu ßisch-deutscher Arbeits- und Tatkraft, soll in zwei Teile zer rissen werden, von denen der wertvollere Polen überant wortet wird. Kerndeutsche Städte, wirtschaftliche Mittel punkte sollen der Polonisierung verfallen. Die gesamte Aink- produkkion, der größte Teil der Eisen- und Stahlwerke und die Kohlengruben werden uns entrissen. Jeder deutsche Mann, jede deutsche Frau stöhnt auf unter dieser neuen Vergewaltigung. Von den unparteiischen Sachkennern aller Nationen ist die Unteil barkeit Oberschlesiens festgestellt worden. Trotzdem spaltet man es in zwei lebensunfähige Teile. Auch in dem künftig polnischen Sberschlesien sind das Kapital, die Leitung, der überwiegende Teil der gelernten Arbeiterschaft deutsch. Oberschlesien muß also zusammenbrechen. Dem Frieden und der wirtschaftlichen Wiederherstellung Europas ist der schwerste Schlag verseht worden, die Zahlungsfähig keit Deutschlands, nach Lloyd Georges eigenem Ausspruch, aufs äußerste geschwächt. Die Gegnerwelt schlägt mit ihren immer drückender werdenden Auslangen alle Aussichten nie der, von Deutschland die erhofften Leistungen zu gewinnen. Einigkeit im Innern ist jetzt erste und heiligste Pflicht. Unsere oberschlesischen Brüder sind uns darin leuch tendes Vorbild. Darum denken wir ihrer in diesem Augen blick in Ergriffenheit, Verehrung und herzlichster Liebe. Ihr Heldentum ist uns Unterpfand dafür, daß sie auch das Schwere, das noch vor ihnen und uns liegt, tragen und durch halten werden. Unzerreißbare Bande verknüpfen uns auch in Zukunft miteinander. Wir werden ihnen wei ter die Treue halten. Zwei Sitzungen des Reichskabinetts. Berlin, 21. Oktober. Heute morgen 9 Uhr fand eine Kabinettssitzung statt, in welcher der Minister des Äußeren über die Note betreffend Oberschlesien berichtete. Äm Laufe des Tages werden die beteiligten Ressorts sich mit dem In halt der Note eingehend beschäftigen und dem Kabinett, das voraussichtlich am Abend zu einer neuen Sitzung zusammen treten wird, das Ergebnis ihrer gutachtlichen Äußerungen vorlegen. Berlin, 22. Oktober. (Drahtb.) Die Fraktionen des Reichstags sind gestern zusammengetreten, um sich über di« neugeschaffene Lage auszusprechen, über die Haltung der Deutschnattonalen Dolkspartei besteht kern Zweifel, sie wird sich einstimmig gegen die Dölkerbundsentscheidung ausspre chen. Erfreulich ist, daß auch die Deutsche Volkspartei den gleichen entschiedenen Standpunkt einnrmmt. Sie bat gestern nachmittag folgenden Beschluß gefaßt: Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei hat von den bekanntgewordenen Erklärungen der Entente über die oberschlefische Entscheidung Kenntnis genommen. Vie Fraktion steht in dieser Entscheidung eine Mißachtzmg dev volksabfiimmung und eine Verletzung de» Verfasser Ver trag« und sehnt die Entscheidung einstimmig ab. Reichstag werde stark! In der zweiten Hälfte dieser Woche hat der deutsche Reichstag seine Sitzungen wieder ausgenommen. Seit Ende September haben sich seine Ausschüsse mit dem Studium der Wirthschen Steuergesetze beschäftigt. Auch der Reichswiri- schaftsrat hat sich mit den Finanzplänen der Reichsregie rung auseinandergesetzt und eine Reihe praktischer Abände rungsvorschläge gemacht. So hat er die Erhöhung der Um satzsteuer von eineinhalb auf drei Prozent verworfen und «inen Satz von zwei Prozent empfohlen. Die Luxussteuer möchte der Reichswirtschaftsrat einer gründlichen Umarbei tung unterzogen sehen. Da die erhöhte Umsatzsteuer einen wesentlichen Bestandteil der gesamten Finanzreform aus macht, wäre die Ermäßigung der Mehrerträge auf ein Drit tel gleichbedeutend mit einer Entwurzelung des ganzen Re- sormplanes. Das finanzielle Dilemma des Reiches ist offen kundig: innerhalb einer Woche (vom Dienstag, den 11. Ok tober bis zum Dienstag, den 18. Oktober) hat sich die amt liche Notiz des holländischen Gulden an der Berliner Börse von 40 .41 auf 65 -4t gehoben, das ist um über 60 Proz. Am 11. Oktober betrug aber der Guldenkurs bereits annähernd das Doppelte des Standes vom Mai. Seit dem Tage, an welchem wir das Reparations-Ultimatum annahmen, haben sich die Devisenkurse — und damit die an diese anknüpfende deutsche Gesamtschuld — auf das Dreifache erhöht. Dis Berechnung des Finanzbedarfes stammt aber aus dem Frühling d. I. Schon damals verzichteten die Deckungsvor schläge des Finanzministeriums auf die Aufbringung der gesamten notwendigen Summe. Heute klaffen Bedarf und Einkommen des Reiches weit auseinander. Die Steueraus schüsse von Reichstag und Reichswirtschaftsrat neigen dazu, unter Berufung auf durchaus plausible sachliche Gründe die von der Reichsregierung vorgeschlagenen Steuersätze zu er mäßigen und damit die eben gekennzeichnete Kluft noch zu erweitern. Auch in dem großen ergänzenden Finanzprojekt, in der Kredithilfe der deutschen Industrie, ist eine Stockung eingetreten. Die Zertrümmerung Oberschlesiens und die katastrophale Mark-Baisse haben die Bedingungen zerstört, unter denen vor wenigen Wochen eine praktische Lösung des Kredithilfe-Problems möglich schien. Der Reichstag sieht sich einem gewaltigen Fehlbetrag im Reichshaushalt gegenüber. Selbst wenn die Regierungs- vorlngen der Steuergesetze vom Plenum des Reichstages wieder herqestellt werden sollten, bleiben Riesenfehlbeträge bestehen. In den Parteien macht sich bereits die Neigung geltend, vor den ungeheuren Schwierigkeiten zu kapitulieren r-nd zunächst nur eine weitere Galgenfrist zu schaffen. Diese würde darin bestehen, daß wir durch Ausverkauf und Ver pfändung unseres Volksvermögens und Produktionskapitals die nächste oder die nächsten beiden Reparationsraten auf bringen und die inneren Ausgaben durch vermehrten No tendruck decken. Eine solche Politik wäre verhängnisvoll. Besteht im deutschen Reichstag die Überzeugung, daß es auf dem bisherigen Wege mit unseren Finanzen unrettbar berg ab geht, so haben unsere Volksvertreter die Pflicht, vor keinem Mittel zurückzuschrecken, um die Katastrophe abzu wenden. Es wäre jämmerlich, wenn die Parteien des Reichstages sich darauf beschränken würden, die Genfer Schiedsrichter wegen des oberschlesischen Unrechts anzuklagen und im übrigen sich darüber zu zanken, welche Partei oder Gruppe des deutschen Volkes die Ver antwortung für die gegenwärtige Not trägt. Der Reichs tag muß auf die Regierung einen Druck ausüben, daß sie in Reden, Denkschriften und deren Darlegungen mit rücksichts loser Offenheit und sachlich vollkommen einwandfrei vor aller Welt unsere Lage enthüllt und positive Vorschläge macht, wie eine deutsche Katastrophe verhindert werden kann. Der Reichstag darf nicht aus Bequemlichkeitsgrün den! den Karren noch einmal ein paar Monate laufen lassen, wenn er sich nicht an der deutschen Zukunft schwer versündi gen will. Das deutsche Volk ruft seiner Volksvertretung zu: Reichstag werd« stark! vr. C ro l l. Reichstagssttzvng am Sonntag und Montag. Der Ältestenrat hat am Freitag vormittag über den Zu sammentritt des Reichstags beraten. Da ihm der amtliche Wortlaut -er Note -er Botschafterkonferenz noch nicht Vorge legen hat, konnte der Zusammentritt -es Plenums ftir Frei tag noch nickst beschlossen werden. Auch am Sonnabend wil der Reichstag nietz zusammentreten. In Aussicht genom men ist für die Sitzung der Sonntag oder Montag. Der Reichskanzler wird m der Sitzung zunächst dl« Erklärung Nr. 240