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MSSHWeLrMer Drlchofswerdaer Hauptblatt und gelesensteZettungimArntsgerichts- bezirk Bischofswerda und angrenzenden Gebieten Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt. Mannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. dcrgebccrtt^ Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschichten BeUagen: Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Belage. Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag der Buchdruckerei Friedrich May in Bischofswerda. — Fernsprecher Nr. 22. Erscheinungsweise: Irden Werktag abend» für den folgend. Tag. Vezngsprei»: Bet Abholung in der Geschäftsstelle monatlich Mk. 3.75, bei Zustellung in« Hau» monatlich Mk 4—, durch die Poft bezogen vierteliährlich Mk. 11.25 ohne Zustellungsgebühr. 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Das Reichsgericht in Leipzig eröffnete am Mittwoch früh das Verfahren gegen zwei Offiziere der deutschen Ar mee, die auf Grund französischer Beschuldigungen in den Anklagezustand versetzt worden sind. Der Gegenstand der Anklage führt zurück in die August tage 1914, in die Tage der Schlacht in Lochringen. Sieben Jahre trennen unser Empfinden, trennen das Erinnerungs vermögen der Angeklagten und Zeugen vom Zeitpunkt der Tat, die ihnen von der französischen Greuelpro- pagandazu Beginn des Krieges in die Schuhe geschoben worden ist. Und da soll Recht gesprochen, die Wahrheit noch gefunden werden. Auf der Anklagebank ein General: scharfe, klar modellierte Züge. Ein Gesicht, auf dem sich die wei chen Linien mariner Menschlichkeit, offener Herzlichkeit, neben den harten Zügen, die Beruf und Pflicht gemeißelt haben, durchaus behaupten. Er ist Invalide, ein Bein hat er im Kriege verloren. Neben ihm als zweiten Angeklagten und Hauptbelastungs zeuge Major Crusius. Auch er erweckt durchaus den Eindruck eines ruhigen Mannes, und im Laufe der Ver handlung entsteht noch der Eindruck, daß Crusius den An forderungen harter Kampftage seelisch nicht gewachsen war. Beide Offiziere sind angeklagt, verwundete Gefangene ge tötet zu haben. General Stenger durch Erteilung eines Befehles, keine Gefangenen zu machen, Major Crufius der Ausführung dieses Befehles in mirckestens sieben Fällen, beschuldigt. Die Vernehmung der Beschuldigten lebte die Geschichte des Kriegsbeginns wieder auf. General Stenger, damals Befehlshaber der 58. Brigade, leitete die Kämpfe bei Saar burg in der großen lothringischen Schlacht. Wie in Belgien litten die Deutschen auch hier unter der niederträchtigen Kampfesart des Feindes. Baumschützen ließen dis deutschen Linien ausschwärmen und schossen von oben in die deutschen Truppen hinein. Verwundete und Gefangene, die von den vorgehenden Truppen übergangen worden waren, griffen von hinten meuchlings in den Kampf ein: Kämpfer oder „Tote", je nachdem, gang nach Bedarf. Meldungen dieser Art liefen aus dem ganzen Kampfbereich bei den Regiments kommandeuren, beim Brigadekommandeur, ein. General major Neudauer charakterisiert diese für unmöglich ge haltene Situation: „Man hatte den Eindruck, daß die Fran zosen auf diese Art des Kampfes gedrillt waren, man glaubte ein System „vor sich" zu haben. Aus den Darstellungen der Generale Stenger, Neubauer und Eckermann steigt die ganze Erregung, die Empörung, wieder auf, die sich damals ganz, Deutschlands bemächtigte, als wir von dieser unritterlichen Art Les Kampfes erfuhren. Und aus dieser Erregung heraus, aus dem Verantwortungs gefühl gegen die eigenen Leute ruft der General vor dem Gefecht seinen Leuten zu: „Es kommt nicht darauf an, Ge fangene zu machen. Ihr müßt Euch wehren. Schießt die Bande herab von den Bäumen wie die Spatzen!" Einen Befehl, die Verwundeten uird Gefangenen zu erschießen, bestreitet der General, je gegeben zu haben. Er habe durch diesen aufmunterirden Zuruf seine Leute ausmerksam gemacht auf die hinterhältige Taktik des Feindes; habe ihnen Anwei sung gegeben, sich ihrer zu erwehren, wie es seine Pflicht war. Einen Befehl, alle Verwundeten zu erschießen, würde er nie für gerechtfertigt gehalten Haban. „Ich kenne nur den Kampf Waffe gegen Waffe." Die Ausführungen des Generals sind klar, kurz, sie wirken überzeugend. Überzeugend wie die Aussagen der Generale Neubauer und Eckermann, die später als Zeugen vernommen werden. Sie beide wissen nichts von einem „Befehle", wie ihn die Anklage kennt. Beide haben vom General nie eine Anordnung gehört, die als ein Brigadebe- fehl zur Erschießung der Verwundeten gedeutet werden konnte. Man wäre versucht, zu fragen, wozu der ganze Prozeß, wenn nicht Major Crusius, der 1914 Bataillonsfüh rer war, mit Entschiedenheit und aller Klarheit aussagte, er sei Zeuge gewesen, als General Stenger den Befehl gegeben habe. Aussage stcht so gegen Aussage. Gefangenenerschie ßungen sind vorgenommen worden, darüber besteht nach dem bichrigen Gang der Verhandlungen kein Zweifel. Zweifel bestehen über die Verantwortung über den angeb lichen Befehl des Generals. Major Crusius witt> so zum Mttelpunkt der Bormittagsverhandlungen. Er wiederholt e» wieder, gibt Tag, Stund« und Ort an, wo der Gen-rai der Truppe zugerufen haben soll: „Es werden keine Gefan gnen gemacht. Pardon wird nicht gegeben und nicht vep- langt." Vas schneidet kalt durch den unakusttschen Saal. Und als er dann einige Szenen schildert, die dieser Befehl zur Folge hatte, liegt bleierne Stille über dem Saale. Selbst der Vorsitzende, Senatspräsident Dr. Schmidt fährt erregt auf, — „ja, aber man ist doch nicht Knecht der Disziplin bis zum Verbrechen . . . .!" Man steht vor einem Rätsel. Es wird noch beklemmender, als der Vorsitzende und Ober reichsanwalt Ebermayer darauf Hinweisen, daß den Franzo sen Tagebücher deutscher Gefangener in die Hände gefallen sind, die den „Brigadebefehl Stenger" enthalten haben, der dann durch Marschall Joffre propagandistisch verwertet wurde. Die Vernehmung der ersten Zeugen vermag kein Licht in das Dunkel zu bringen. Major Crusius bleibt allein mit seiner Aussage. Für zwei Fälle, die ihm zur Last gelegt werden, lehnt er die Täterschaft ab. Ein toter Kamerad sei es gewesen. Ehe die Frage der übrigen Fälle, die Major Crusius zur Last gelegt werden, durch Zeugenaussagen ge klärt werden kann, tritt das Moment der geistigen Zu rechnungsfähigkeit des Angeklagten immer stärker in den Vordergrund. Namentlich die Aussagen Dr. Döhners, der an den kritischen Tagen mit Major Crusius im Geschäftsbereich wiederholt zusammenkam, lassen Zweifel an der Geistesverfassung Crusius in den kritischen Tagen aufkommen, so daß die Frage möglich wird, ob die taktischen Anweisungen General Stengers nicht etwa in der krankhaft überreizten Phantasie des Majors Crufius den Charakter eines „Brigadebefehls" angenommen haben. Darüber wer den die weiteren Zeugenvernehmungen Klarheit bringen müssen. Ministerrat über die neuen Steuern. Berlin, 29. Juni. Das Reichskabinett trat heute erneut zu einer Sitzung zusammen. Gegenstand der Beratung waren wieder die neuen Steuerobjekte. Die Regierung wird noch vor Schluß der diesmaligen Reichstagstagung im Ple num eine Erklärung über die Richtlinien ihrer Steuerpolitik abgeben, wobei die Frage der Besteuerung des Besitzes im Vordergrund stehe» wird. Die Beratungen des Reichska binetts werden in den nächsten Tagen vorwiegend der Fest legung dieser Richtlinien dienen. Der Reichskanzler spricht über die Sanktionen Berlin, 29. Juni. Der Reichskanzler wird am Don nerstag im Reichstag die Interpellation über die Sanktio nen beantworten. :> Die Tributzahlungen. Paris, 28. Juni. Die Reparationskommission erwartet für heute oder morgen eine neue Bezahlung Deutschlands im Betrage von 44 Millionen Goldmark. Wie bekannt, hat die Reparationskommission zugestanden, daß die neuen Be zahlungen in europäischen Valuten erfolgen. Es wird an genommen, daß die neuen 44 Millionen zum Tageskurse in französischen und belgischen Franken, in Unzen, italienischen Lires ud auch in Dollars erlegt werden würden. Demnach hat Deutschland auf die Zahlungsverpflichtung, die am 31. August abläuft, im ganzen bis jetzt 244 Millionen Gold mark bezahlt, so daß noch 756 Millionen bis zum genannten Tage zu übermitteln sein werden. Mord, Raub und^Plünderung in Oberschlefien. London, 28. Juni. Der Sonderberichterstatter des „Manchester Guardian" gibt seinem Blatte eine ausführliche Schilderung über das ungesetzliche Treiben der polnischen Insurgenten und über den Verfall der Industrie in dem von Polen besetzten Aufstandsgebiet. Der Berichterstatter meldet aus Hindenburg, daß die Insurgenten irr dem Kreise Anfang Mai 22 Personen er mordet haben. Gelder werden noch immer mit Waffen er preßt. Der Berichterstatter schildert einen am letzten Sonn tag vorgekommenen Fall, wobei ein Bürger in einem mit dem Stempel des Kommandeurs versehenen Schreiben, das der englische Berichterstatter selbst sah, ausgefordert wurde, eine Summe von 50 000 -K zu bezahlen, andernfalls Gewalt angewendet werde. In Tarnowitz haben die Insurgenten von der Stadt 2 Millionen Mark gefordert unter der Dro hung, daß die Stadt dem Raube und der Plünderung über lasten werden würde, wenn diese Summe nicht gezahlt wer de. In Hindenburg, das eine große deutsche Mehrheit auf- weist, mußten alle Läden die Bezeichnungen in polnische Sprache umändern. Außerdem swingen die Polen die Be völkerung, überall polnische Farben (weiß-rot), crnzubringen. In Bismarckhütte wurden die Betriebsleute, die alle Deutsch«! sind, gezwungen, eine Erklärung zu unterzeichnen, daß ste die polnischen Insurgenten den Truppen des Generals Höfer vorziehen. Die erste Jone non den Pole« geräumt. Oberglogau, 29. Juni. (W. T. B.) Heute früh hat der englische General Hennicker dem Führer des deutschen Selbstschutzes mitgeteilt, daß der Rückzug der polnischen In surgenten aus den ersten der im Räumungsplan vorgesehe nen Zonen tatsächlich beendigt ist. Darauf hat General Hoefer — gemäß den Vereinbarungen — sofort die Um gruppierung des deutschen Selbstschutzes eingeleitet. Sächsischer Landtag. Dresden, 29. Juni. Auf der Tagesordnung stehen zu nächst kurze Anfragen. Abg. Börner (Deutfchnat. Dp.) verliest eine Anfrage sei ner Fraktion, die sich mit den Haussuchungen in den Ge schäftsstellen oer Deutschnationalen Vollspartei und anderer vaterländischer Verbände befaßt und die Regierung fragt, inwieweit sie die bei diesen Haussuchungen zutage getre tene Lockspitzelei guthieße. Minister Les Innern Lipinski versucht in Abrede zu stel len, daß Lockspitzelei getrieben worden sei. Unter den be schlagnahmten Papieren sei eine die Namen von 1S1 Perso nen enthaltende Liste gefunden worden. Die Befreiung Ober schlesiens sei von gewissen Kreisen nur zum Vorwand ge nommen worden, um dann — wenn die oberschlesische Frage erledigt ist, sich mit diesen Organisationen gegen die Regie rung wenden zu können. Schließlich gibt der Minister rwch zu, daß der Wachtmeister Teichgräber, der der Lockspitzelei beschuldigt wird, im Auftrage seiner vorgesetzten Behörde gehandelt habe. Abg. Dr. Wagner (Deutfchnat. Vp.> stellt einige ergän zende Anfragen, in denen er betont, daß es ungesetzlich und strafbar und jeder Moral hohnsprechend ist, wenn Polizeibe- omte selbst strafbare Handlungen begehen und andere zur Begehung solcher Straftaten anstiften. Er stellt weiter fest, daß bei den Haussuchungen die einschlägigen Bestimmungen der Strafprozeßordnung verletzt worden sind, daß man kein« Zeugen hinzugezogen habe und daß die Papiere von den PcMeibeamten selbst untersucht und nicht unmittelbar an die Staatsanwaltschaft abgeliesert worden sind. Im Zusammenhang mit dieser Anfrage wurde auchj die Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion behandelt, ob der Regierung bekannt sei, daß die mit den Haussuchungen betrauten Polizeibeamten beschimpft und beleidigt worden seien, worauf Munster Lipinski antwortet, daß er die Be amten zu schützen wissen werde. Eine Anfrage des Abg. Schiffmann (Deutsche Dp.), wa rum Sachsen in der Kommission der deutschen Finanqmini- ster zur Begutachtung der neuen Steuerpläne der Reichs regierung nicht vertreten ist, beantwortet Ministerialdirektor Dr. Lorey dahingehend, daß der sächsische Finanzminister im Hinblick aus seine dienstliche Belastung es selbst habe ableh nen müssen, an den voraussichtlich wochenlangen Beratun gen teilzunehmen. Hierauf wird die Wahl des parlamentarischen Zwischen ausschusses vorgenommen, der im Bedarfsfälle während der parlamentarischen Sommerferien zusammentreten soll. Ge wählt werden in den Ausschuß von den Sozialdemokraten die Abgeordneten Fräßdorf, Müller-Chemnitz, Wirth und Winkler, von den Deutschnationälsn die Abgeordneten Hof mann, Beutler und Dr. Wagner, von der Deutschen Volks partei die Abgeordneten Blüher, Dr. Niethammer, Dünger, von den Unabhängigen die Abgeordneten Müller-Leipzig, Mucker, von den Kommunisten die Abgeordneten Ellrodt und Granz und von den Demokraten der Abgeordnete Dr. Seyfert. Bei der Beratung der Vorlage zur Neuregelung der Kinderzulagen der Staatsbeamten usw. wird ein Antrag Fräulein Hertwig, die Allersgrenze auf 21 Jahre heraufzu setzen, mit 47 gegen 47 Stimmen abgelehnt. Dann wird die Vorlage in der Fassung der Regierungsvorlage ange nommen. Danach werden die Kindertagen bi« zum 1B< Lebensjahr mit Rückwirkung vom 1. Januar 1921 gezahlt. Zum Kapitel Evangelische Kirchen sticket die Anforde rung auf 19116 000 .4t als verzinsliches Darlehen Annahme gegen die Stimmen der Unabhängigen und Kommunisten. In der Abstimmung über di« Forderungen de» außer ordentlichen Staatshauch««» 1S21, die staatlichen EleKvi-