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Veilage z>» „SäcHsrsHen «erlag von Friedrich May, Bischofswerda. Der neue Smmichbraaaea in Hamburg. aufstehen werde. Der Gymnasiast meinte „Ich glaube, sie hat, deutsch gesagt, einen Katzenjammer." „Aber Hans!" verwies ihn die Mutter. Der Oberlehrer lachte. „Hans hat viel leicht nicht ganz unrecht. Wir mußten tüch tig Bescheid tun. Doch das ist morgen wieder besser. Lassen Sie mir Erika schön grüßen, und ich wünsche ihr baldige Besse rung." Am nächsten Tage hatten bei Erika die heftigen Schmerzen nachgelassen, und sie fühlte sich wohler, ihre Stimmung aber blieb gedrückt und freudlos. In den Vor mittagsstunden ging sie in die Stadt, Ein käufe zu besorgen. Die frische Winterluft würde ihr gut tun. Langsam ging sie die Kaiserstraße hin unter, da sprach plötzlich in ihrem Rücken eine Stimme: „Mein gnädiges Fräulein, wie hübsch, daß ich Sie treffe; darf ich ein Endchen mit'?" Das Blut drang Erika zum Herzen, für Sekunden war sie nicht fähig, sich zu wen den und Antwort zu geben, dann aber hatte sie sich gefaßt. Sie blieb stehen und sich umwendend sprach sie: „Herr Oberleut nant, zurück vom Urlaub?" „Vor zwei Stunden bin ich angekommen. Will mich eben melden. Der Dienst tritt wieder in seine Rechte." Nebeneinander schritten sie die Straße hinunter. Sie plau derten im höflichen, unpersönlichen Gesellschaftston, und dabei schlug Erikas Herz doch in lauten, wilden Schlägen. Nun war sie wie verwandelt. Lebhaft und froh, und die gedrückte Stim mung war verflogen. Egon Brandeck erzählte von zu Hause, von Weihnachten und Silvester, und wenn er lachte, blitzten die großen, blendend weißen Zähne unter dein braunen Schnurrbart hervor. „Und u>ie haben gnädiges Fräulein die Feiertage verbracht? Schicksalswege. Novelle von Wolfgang Kemter. <Forschung.) (Nachdruck verboten.; kÄ?8jjss war dies alles noch viel, viel furchtbarer, als Erika es sich vorgestellt hatte. Zahllose Küsse mußte sie über ergehen lassen, viele Hände drücken, für die guten Wünsche herzlich danken und dazu glücklich lächeln. Sie litt unter dieser Komödie unsäglich und hätte doch nie die Kraft gefunden, sie zu enden. Auch dieser Abend, so sehr sich die Feier im Hause des Stadt arztes bis in die Morgenstunden hineinzog, ging schließlich zu Ende, aber es war für Erika kaum eine Befreiung. Sie wußte, daß sich Tag an Tag in endloser Kette reihte und jeder dieselbe Qual brachte, bis sie sich endlich befreite. Befreite von einer Fessel, die sie sich freiwillig und ahnungslos, daß ihr Jawort so bald schon eine solche unerträgliche Fessel würde, angelegt hatte. Am nächsten Tage fühlte sich Erika so elend und zerschlagen, daß sie im Bette blieb. Johann Murr sprach gegen Mittag bei Lindners vor, um seine Braut zu begrüßen und zu fragen, wie ihr der gestrige Abend bekommen sei. Die Frau Stadtarzt teilte ihm mit, daß Erika an heftigen Kopfschmerzen leide und heute wohl kaum : ein wenig boshaft: Eigentlich eine dumme Frage; selbstverständlich in der schönsten und glücklichsten Weise. Erika antwortete ausweichend. „Es war recht hübsch, ge wiß, wie ja alle Jahre, denn Papa und Mama, besonders letztere, verstehen es ausgezeichnet, solche Feste heimelig und traut zu. gestalten. — Sind Sie nicht ungern von Bremen nach Breit stem zurückgekehrt?" Einen kurzen, scharfen Blick warf der Oberleutnant auf seine Begleiterin. In ihrer Antwort auf seine Frage hatte er etwas vermißt, und daß sie durch eine neue Frage dem Gespräch gleich eine andere Wendung gab, machte ihn etwas stutzig. Doch ging er gleich darauf ein. „Warum denn? Es lebt sich hier ja ganz gut. Die großen Städte haben auch ihre Schattenseiten. Überdies hatte ich den Vorzug, äußerst nette Bekanntschaften zu machen, und ich lang weilte mich in Breitstem noch nie." „Das ist allerdings sehr schmeichelhaft für uns." „Haben Sie hier eine Eisbahn?" fragte nun Egon Brandeck. „Bis heute nicht. Doch wahrscheinlich schon in den nächsten Tagen. Die Stadt ist bereits an der Arbeit. Es wird nämlich eine künstliche Schlittschuhbahn auf den Spielplätzen des Tennis klubs hergestellt." „Sind gnädiges Fräulein Liebhaberin vom Schlittschuhspott'?" „Eine leidenschaftliche. Ich freue mich auf jeden Winter." „Das ist nett. Zu welcher Stunde pfle gen gnädiges Fräulein den Eislaufplatz auf zusuchen?" „Gewöhnlich von elf bis zwölf Uhr. Oft freilich gehe ich auch noch nachmittags von zwei bis drei Uhr eine Stunde hin." „Bielen Dank. Darf ich mir erlauben, gnädiges Fräulein heute schon um den ersten Eiswalzer zu bitten?" „Gewiß, gerne." Dann trennten sich ihre Wege. Egon Brandeck küßte Erika die Hand und begab sich in die Kaserne. Erika aber ging auf ei nem Umweg durch den Stadtpatt nach Hause. Ein glückliches Lächeln umschwebte ihre Lippen, und es war ihr so merkwürdig frei und leicht zumute. Bor dem Hause ihrer Giern traf sie ge rade mit Johann Murr zusammen. Der Oberlehrer kam vom Gymnasium und wollte sich nach dem heutigen Befinden seiner Braut erkundigen. Über sein Gesicht flog ein Leuchten, als er Erika sah, und rasch ging er auf sie zu. „Liebling, du bist wieder wohl. Wie freue ich mich. Gerade wollte ich nach dir sehen. Hoffentlich hat der Silvesterabend keine weiteren Nachwehen hinterlassen." „O nein. Ich vertrage den Rauch nicht gut, und gequalmt habt ihr Herren ein bißchen statt." „Das dürfte stimmen," gab vr. Murr zu, „obw als Raucher nichts gemerkt habe. Hättest du ein Wort Nein, nein, das bißchen Kopfweh vergeht schon Ein langer und äußerst lebhafter Fasching zog ' die Breitsteiner Gesellschaft huldigte dem Prin dem Karneval, im großen Maßstabc Bälle, Kränzchen und kleinere Gesellschai in fast ununterbrochener Reibe ab, und au'