Volltext Seite (XML)
Sachsen. Bischofswerda, 11. November. Infolge der anhaltenden Kälte in den letzten Tagen haben die Eisdecken auf den Teichen in unserer Stadt wie deren Umgebung schon eine recht beträchtliche Stärke erreicht. — Die Kohlraupenplage, die im verflossenen Jahre wieder große Verheerungen angerichtet hat, läßt sich bekämpfen. Nach einem Bericht im prak tischen Ratgeber sind sämtliche Kohlraupen durch Abspritzen der Kohlfelder mit zehnprozentiger Karbolineumlösung vernichtet worden. Die Kosten der Bespritzung sind geringe; denn bei einiger Hebung spritzt man mit 2V Liter Spritzflüssigkeit, das ist ein Kilogramm Karbolineum, 200 und mehr Krautköpfe auf freiem Felde in fünf Mi nuten! — Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau« Frankfurt a. O. schickt die Nummer über diese Abhandlungen In teressenten auf Wunsch kostenlos zu. 8. Dresden, 11. November. Der Lehrer- streik in der Lößnitz. Die Wogen der Er- regung unter der Volksschullehrerschaft der Löß- nitzortschaften schlagen höher. Bevölkerung und Lehrerschaft stehen auf denkbar feindseligstem Fuße und der kürzlich von der Lehrerschaft in folge der Haltung der Lößnitzgemeinden insze nierte „ Lehre rltreik" wird seitens der Lehrer mit aller Energie durchgefochten. Weil, wie wir schon berichteten, die Gemein den den Lehrern nicht die gewünschte Gehalts staffel bewilligen wollen, wollen die Lehrer auch nicht mehr wie bisher an dem öffentlichen Leben in den Gemeinden teilnehmen und sind bekannt lich aus allen Gesang-, Turn- und ähnlichen Ver einen ausgetreten. Das Verhalten der Lehrer hat nicht die Billigung der Bevölkerung gefunden und es herrscht eine tiefe Verstimmung gegen die ersteren. Der Lehrer hat sich jetzt aber noch grö ßere Erbitterung bemächtigt, denn das Amtsblatt der Lößnitzortschaften hat in verschiedener Weise gegen sie Stellung genommen. Am Sonnabend hielten die Lehrer des Bezirksvereins Dresden- Land eine außerordentliche Mitgliederversamm lung in der obigen Angelegenheit ab, die einen sehr erregten Verlauf nahm. Es wurde behauptet, die Lehrer seien bereits seit mehreren Jahren von den Gemeindebehörden unwürdig behandelt war- den. Es sei von amtlichen Organen sogar behaup tet worden, die Lehrer kämen ihren Verpflich tungen nicht in vollem Umfange nach, sie seien nicht genügend berufs- und schaffensfreudig. Jetzt, nachdem die Lehrer in den Lößnitzortschaf ten ihre Vereinsämter und Mitgliedschaft nieder gelegt hätten, seien sie erst recht der Verfolgung ausgesetzt. Aber dessenungeachtet würden sie auf dem einmal eingeschlagenen Wege fortschreiten und nicht eher ruhen, als bis sie ihr Ziel erreicht hätten. Unter sämtlichen Lehrern der in betracht kommenden Gemeinden bestehe größte Solidari tät. Alle ohne Ausnahme seien aus ihren Ver einsämtern ausgeschieden, nur in einigen weni gen Wohltätigkeitsvereinen stehe noch ein Lehrer an der Spitze. Bislang hätten die Lehrer ihre ganze Kraft in den Dienst ihrer Gemeinden ge stellt, ja, sie seien in unerhörter Weise ausgenutzt worden und deshalb habe es endlich einmal zum offenen Bruch kommen müssen. Seit Jahren ver folge schon die meistens aus hohen Beamten, Offizieren und reichen Leuten bestehende Bevölke rung der Lößnitz die Lehrer mit glühendem Haß und schon vor etwa vier Jahren sei bereits der Plan erwogen worden, einmal geschlossen vorzu gehen und alle Vereinsämter in corpore nieder zulegen. Man habe jedoch damals von diesem Schritte Abstand genommen im Interesse der All- gemeinheit. Jetzt aber wolle man einmal den „Herren der Lößnitz" die Macht der vereinten Lehrerschaft zeigen. Der Vorsitzende des Sächsi schen Lehrervereins, Oberlehrer Leuschke, bezeich nete das Vorgehen der streikenden Lehrerschaft als ein sehr gewagtes und mahnte zur Vorsicht. Nach seiner Ansicht werde für die streikenden Lehrer doch einmal Ersatz gefunden werden und dann sei es mit dem so notwendigen Einflüsse der Lehrer auf das öffentliche Leben vorbei. Das liege nicht im Interesse der Lehrerschaft. Der „Mahner" fand aber kein Gehör bei der erbitter ten Lehrerschaft, die erklärte, man könne sich der geschlossenen Macht gegenüber nicht anders stellen als wie geschehen. In politischer Beziehung werde aber in Zukunft die Lehrerschaft ihren eigenen Weg gehen.—Man kann gespannt sein, wie derLehrer- kampf noch enden mag. ES ist nicht ausgeschlos sen, daß sich die Oberbehörden inS Mittel legen werden, um einen Ausgleich herbeizuführen. 7,18, 10,40, 2,19, 4,S7, 9,27, 10,48. 6,02, 9,00, 12,38, 3,20, 5,47, 10,35 Nach Bautzen: Bon Bautzen: (Ankunft.) Nach Kamenz: Ban Kamenz: (Ankunft.) Nach Zittau: Bon Zittau: (Ankunft.) kür: unck Akfahrt ««kmrft der «tsevbechWAOe vom 1. Oktober 1808 ab. Nach Dresden: 4,28, 6,11,7,23, 9,08, 10,04, 12,56, 3,26, 4,18, 5,54, «14, 8,57 11,01. Von Dresden: 1,21, 7,09, 8,16, 10,12, 1,30, (Ankunft.) 2,15, 4,09, 6,28, 8,06, 8,23, t«,40, 10,45 1,25, 7,14, 8,18, 10,15, 1L4, 4.1,, «,30, 8,09, 10,48 4,23, 6,03, 7,21, 9,47, 12,52. 4,14, «,12, 8,52, 1«,55. 7,25,1,40, 4,20, 8,15. 7,03, 12,44, 3,21, 8,27. Drettze», II. November. (Schiller- Geburt-, tag.) Zur Erinnerung an die gestern vor 149 Jahren erfolgte Geburt Schillers waren die Ge denktafel , und das Bronzebildnis d«S großen deutschen Nationaldichters am Körner-Museum in der Neustadt mit Blumenschmuck versehen. 8. Dresden, 10 Nov. Der bezechte Graf als — Vortragender. Eine höchst unliebsame Szene spielte sich am Montag abend im Dresdener Gewerbchause ab. Die Mitglieder des Gewerbe vereins hatten sich dort vollzählig versammelt, um einem Bortrage des schwedischen Grafm Trampe über „Schweden und sein Volk" beizuwohnen. Graf Trampe, der vom Vorstand des Gewerbe vereins gegen Honorar engagiert worden war, war auch erschienen. Er bestieg um 8 Uhr auch die Rednertribüne, aber anstatt eines fließenden Vor trages vernahm man nur unverständliche Laute. Nicht etwa, daß der Graf nicht der deutschen Sprache mächtig war, nein, er hatte vielmehr, vielleicht in der Absicht, um das „Lampenfieber" zu beschwichtigen, zu tief in den Becher geschaut und des „Guten" zu viel genossen. Der Graf war nicht imstande, seinen Vortrag zu beginnen, geschweige denn zu beendigen. Der Vereinsvor sitzende, Ingenieur Hartwig, gab sich alle Mühe, den Grafen zum Verlassen oes Saales zu be wegen. Dieser aber weigerte sich, den Schauplatz seiner Tätigkeit zu verlassen. Er „sprach" weiter, blieb aber nach wie vor unverständlich und schließ lich sah' sich der Vereinsvorsitzende, um der Pein lichen Situation ein Ende zu machen, genötigt, die Versammlung zu schließen. «nnllfignnle auf der Sisivbah«. Seit eint- ger Zeit find auf den in Köln einmündend« Strecken sogenannte Knallicht-Signalanlagen her gestellt worden. Diese hab« den Zweck, hei Nebel, Schneetreiben und anderem unsichtig« Wetter das Ueberfahren der Haltsignale zu ver hindern und befinden sich 20 bis 80 m vor den Signalmasten. Mit der Haltstellung deS Signal flügels schieben sich gleichzeitig drei Knallkapsel» auf das Glei». Sieht nun der Lokomotivführer infolge starken Nebels das Haltsignal nicht und fährt weiter, so ertön« mit der Berührung der Knallpatron« durch die vorder« Äkomotiv- rüder drei starke Schläge, die namentlich bei Dun kelheit von blitzartiger Lichtwirkung begleitet wer den. Daraufhin ist der Zug sofort zu stell« Bei richtiger Bedienung der neuen Anlagen ist e- also nahezu ausgeschlossen, daß ein Zug daS Haltsignal noch überfahren kann. — Zwei Kinder des Klempnermeisters Eckes- feld in Essen stürzten in eine Badewanne mit kochendem Wasser. Beide Kinder starben alsbald. — Die WafsetSuot in d« Höhendörfer« des EichSfeldeS ist in diesem Herbst so groß, wie kaum je zuvor, und ganz bqonderS in den hoch gelegenen Struth und Eigenrieden. Seit Wochen wurden die' Brunnen in diesen Orten von per Behörde unter Verschluß gehalten uud nur täglich eine Stunde geöffnet, um jedem Ortsbewohnex für seinen Haushalt ein« Eimer voll Wasser zu geben. Seit einig« Tagen sind nun auch die ' wenigen Brunn« versiegt und die Landwirte und anderen Einwohner sind gezwungen, ihr Wasser zum Teil über Stund« vom Orte ent fernt zu hol«. — Zu dem Selbstmord deS Bankier« Ottmnr Müller in Freising wird noch mitgeteilt, daß die Tat auf geschäftlichen Ruin zurückzuführen sei. Die Passiva betragen 1800000 -F gegen nur 240 Mark bar, die in dm Taschen deS Selbstmörder gefunden wurden.^ — Ein falscher Steuerbeamter verlangte von einer wohlhabenden Dame in Freiburgi. B. die Vorlegung ihrer Wertpapiere, die er beschlag nahmte und mitnahm. Der unbekannte Gauner hat Werte von mehr als 20 000 -4t erbeutet. — Ei« geraubter Milliouärssoh«. Sieb« verkleidete Bandit« haben vor dm Tor« von Palermo den Sohn des Millionärs Giliberto in Palermo und dessen Vetter Tarotte überfallen. Der erstere wurde gebunden und von den Räubet« fortgeführt, während Tarotte ein« Brief mit deck Befehl erhielt, ihn dem Vater Gilibertos zu über geben. In dem mit Maschinenschrift hergestelltm Schreiben sagten die Briganten, der junge Männ befinde sich in dm besten Händen uno genieße vortreffliche Behandlung. Es werde ihm kein Haar gekrümmt werd«. Sie bitten die Familie um Entschuldigung für den Schreck«, in den sie versetzt würde, aber der Vater Gilibertos müsse innerhalb dreier Tage an einer bestimmten Stesse ein Löseaeld vyn 300000 Lire hinterleg« Der Vater beschwor die Polizei, sich nicht in die Un gelegenheit zu mischen. Er bezahlte die große Summe und hatte bald darauf die Freude, seinen Sohn wieder m die Arme schließen zu können. Vermischtes. — Wilhelm der Große? Bekanntlich wird in Deutschland die Streitfrage des öfteren aufge worfen, ob Kaiser Wilhelm I. den Beinamen „der Große" verdient. Am 8. November vor fünfzig Jahren entwickelte Prinz Wilhelm^ als Regent sein Regierungsprogramm. ES ist also dieser Tag als des ersten Kaisers definitive Regierungs tätigkeit ' anzusehen. Anläßlich dieses Gedenk tages bringt Eurt Müller in der von ihm redi gierten illustrierten Wochenschrift „Der Leip ziger" (das Einzelheft 15 4, vierteljährlich durch die Post 2 °4t) folgendes Gedicht, daS sich mit der Frage „Wilhelm der Große?" beschäftigt: Wilhelm der Große? Wilhelm der Große? — Nein, das bist du nicht. Obwohl der Ruhm dir ew'ge Kränze flicht. Friedrich ward groß durch eig'ne kühne Tat; Groß aber wurdest du durch and'rer Rat. Dich lehrte Moltke klug und schweigsam sein; Für dich trat Bismarcks kühne Tatkraft ein. Du aber standst voll Demut füll zurück Zu deines Ruhms und uns'res Deutschlands Glück. Wilhelm der Große? — Ja, du bist eS doch! Zu echter Grüß'hob dich die Demut hoch. Diese reich illustrierte Wochenschrift bringt u. a. noch folgende Artikel mit Bildern: Wahlrechts demonstrationen in Leipzig; Die ReformationS- feier in Leipzig; Robls Triumph; Zu Fuße rund um die Welt; Der Doppelmord in der Windmüh- lenstraße; Aus dem Reiche der Lust; Aus der Leipziger Brettlwelt; AuS Leipziger Theatern; Aus Leipziger Konzertsälen; Robert Blüm- Auch Bilder vom neuest« französischen Luftschiff; von Caruso; Geraldine Farrar; vom Fabrikbrande in Borsdorf ufw. bringt das Blatt. Ferner bringt „Der Leipziger" in seiner neuesten Nummer noch zwei spannende Romane, zwei Novellen und eine wissenschaftliche Skizze. — Eine Nordpolfahrt Zeppelins war im Ge hirn gewisser Sensationsfabrikanten aufgetaucht. Wie die „C. C." mitteilt, ist es des Grafen einziger Wunsch, den Nationalfonds zum Bau einer deutschen Luftflotte zu verwenden, was natürlich nicht ausschließt, daß später seine große Erfindung auch für wissenschaftliche Zwecke und Erforschungen nutzbar gemacht werden könnte. Daß aber Graf Zeppelin nach den Erfahrungen dieses Sommers so tollkühn sein und nicht nur sein Schiff, sondern sein kostbares Leben in einer Expedition nach dem Nordpol aufs Spiel setzen sollte, dagegen legt das deutsche Volk, das da weiß, was es an seinem Zeppelin hat, ein für allemal Protest ein. — Nachklänge zqm Hochbahu-Unglück in Berlin. Die rechtmäßige Gattin eines bei der Hochbahn-Katastrophe tödlich Verunglückten, die aber seit Jahren von ihrem Manne getrennt lebt, machte Entschädigungsansprüche an die Bahn von 100000 Mk. geltend. Das gleiche tat eine zweite Frau auf Grund eines emgegangenen Verlöbnisses. Druck und Verlag von Friedrich May, redigiert unter Verantvortlichkeit v... EM May in vischafsumch«.