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keiten anbelangt, welche angeblich als Nachfolger des Fürsten Bülow in Betracht kommen, so erüb rigt sich ein näheres Eingehen hierauf, eS kann sich nach Lager der ganzen Sache hierbei doch nur uni Kombinationen handeln. AIS feststehend gilt, daß dir Angelegenheit des kaiserlichen Manuskrip te» vor allem auch eine Erneuerung in der Orga nisation des Auswärtigen Amte» nach sich ziehen werde; Staatssekretär v. Schoen und Unter- staatSsekretär Stemmrich, also die beiden maß gebendsten Herren im Auswärtigen Amte, werden in erster Linie als demissionsreif bezeichnet. Be kanntlich hat der jetzige kaiserliche Gesandte in Bukarest, Herr v. Kiderlen-Wächter, ein vorzüg- sicher Kenner der orientalischen Verhältnisse, be- rcitS die Provisorische Leitung deS Auswärtigen Amtes. Die „Voss. Ztg." will allerdings wissen, Herr v. Schoen sei tatsächlich nur wegen ernst licher Erkrankung an Gelenkrheumatismus be urlaubt; wenn er genesen sei, würde ihn nichts abhalten, sein Amt wieder zu übernehmen. Hm, abwarten! Staatssekretär von Schor«, schwer erkrankt. Der Staatssekretär des Auswärtigen v. Schoen ist wegen Ueberbürdung mit Dienstgeschäften nicht unerheblich erkrankt, doch hat die Krankheit sich bereit- zum Besseren gewendet. Wilhelm von Schoen wurde am 3. Juni 1851 in Worms ge boren, trat 1870 nach Ausbruch des Krieges gegen Frankreich in die Armee ein und blieb im aktiven Heeresdienst, bis er 1877 die diplomatische Lauf bahn einschlug. Er war von Januar 1900 bis Oktober 1905 Gesandter in Kopenhagen, seitdem Botschafter in Petersburg. Ein Ausschuß, dessen Präsidium der Reichs kanzler, die Abgeordneten Bassermann, v. Heyde- brand und Kämpf, sowie der Oberpräsident der Rheinprovinz angehören, erläßt einen Aufruf zur Erinnerungen an Gravelotte. In Harpers Magazine gibt Robert Shackleton unter dem Titel: Wie ich das Eiserne Kreuz bei Gravelotte gewann, die schlichte Erzählung eines deutschen Veteranen Wilhelm Guldner wieder, der am Tage von St. Privat im dichtesten Kugel regen die Fahne seines Regimentes trug. „Ich war bei dem 2- Gardegrenadier-Regiment und wir standen in Berlin", so begann der alte Krie ger seinen Bericht. „Bevor wir Berlin verließen, um in den Krieg von 1870 zu ziehen, kam der König zu unserer Kaserne und die Königin war mit ihm. Und alle Leute rannten herbei und stan den um ihn herum. König Wilhelm war ein freundlicher Mann; ein großer, starker Mann mit einem gütigen Gesicht. Er blieb gern auf der Straße stehen und sprach mit den kleinen Kindern und klopfte sie auf die Schulter. Und alle Soldaten — aber auch jeder! — liebten ihn. Als wir sahen, daß der König sprechen wollte, da standen wir alle still. „Ihr marschiert also morgen nach Frankreich?", sagte er. „Ja, Eure Majestät", schrien wir. „Gut, seid tapfer und bringt Eure Fahne wieder zurück", sagte er, und wieder riefen alle Leute: „Ja, Eure Majestät!" Ich war der Fahnenträger, und da ich die Jahne hielt, rief mich der König heraus, nahm mich beim Arm und führte mich zur Königin, „Das Regiment wird seine Fahne verteidigen", sagte er, „und dieser Mann hier wird sie wieder zurück bringen." Und die Königin lächelte sehr gnädig, beugte sich vor und sagte: „Ja". Da war ich stolz, daß der König und die Königin so mit mir ge sprochen hatten. Wir marschierten nun nach dem Elsaß und gegen den Marschall Mac Mahon. Errichtung eine» Nationaldenkmal» für den Fürsten Bismarck am Rhein. Nach dem die Lafetten, Protzen und Muni- ttonSwagen der Feldartillerie bereits seit einiger Zeit mit dem weniger sichtbaren feldgrauen An strich versehen worden find, ist dieser Anstrich nun auch für die Rohre der Feldkavonen und leichten Feldhaubitzen der Feldartillerie angeordnet wor den. Ebenso sind auch die Geschütze und Fahr zeuge der Futzärtillerie mit feldgrauem Anstrich zu versehen, mit Ausnahme der Panzergeschütze und Geschützrohre der Küste. Wegen der schlechten Beschaffeicheit der Zehn markscheine hatte der Deutsche Handelstag eme Eingabe an -den Staatssekretär Sydow gerichtet. Darauf hatte dieser geantwortet; ,Zch teile er- aebenst mit, daß dir zu starke Abnutzung des Papiers der neuen Reichskassenscheine zu 10 Mk. auch hier bereits anerkannt worden ist, und daß deshalb Versuche mit einem haltbareren Papier angeordnet sind. Oesterreich-Ungarn. Der König von Griechenland ist aus Paris in Wien eingetroffen. DaS offiziöse „Fremden blatt" begrüßt den König der Hellenen al» gern gesehenen Gast in Wien und führt auS, in Athen wisse man, daß Griechenland für seine Wünsche auf die Fürsprache Oesterreich-UngarnS rechnen könne, , obwohl diese» nicht zu den Schutzmächten gehöre. Diese freundschaftliche Atmosphäre werde der König auch diesmal hier vorfinden, H o l l a d. Der Konflikt zwischen Holland und Venezuela trägt noch immer einen rein diplomatischen Cha rakter.. Zwar hieß e», die holländische Regierung habe die Blockade der venezuelaischen Küste an geordnet, eine offiziöse Meldung aus dem Haag bezeichnet indessen die» Gerücht ausdrücklich als unbegründet. Weiter erklärt die Meldung, eine solche Demonstration zur See sei wohl vorbereitet, aber nicht auSgeführt. Bevor die niederländische Regierung auf ihre zweite Note nicht den offizi ellen Text der Antwortnote de» Präsidenten Castro erhalten habe, werden sie keinen entschei denden Schritt tun. » B q l k a n h a l b i n s e l. In Konstantinopel haben die Verhandlungen zwischen der Pforte und Bulgarien wegen der Anerkennung der .Unabhängigkeit Bulgariens und der Orientbahnfrage begonnen; sie verheißen einen befriedigenden Verlauf, Laß Bulgarien großes Entgegenkommen gegenüber den türkischen Forderungen zeigt. Die Besserung in den bul garisch-türkischen Beziehungen kommt auch in der Wiederentlassung der türkischen Reservisten zum , Ausdruck, was die Einstellung der Einberufung weiterer türkischer Reservisten und Redifs zur Folge hatte. — Die serbische Skupschtina hielt am Dienstag eine geheime Sitzung ab, in welcher die Regierung Bericht über die gegenwärtige politi sche Lage abstättete. ... Unser Regiment gehörte zu der Armee des Prin zen Friedrich Karl. Er war ein breitschultriger, kräftiger Mann mit einem Backenbart. Auf dem Marsch gab es oft einen prächtigen Anblick, wenn man von einem Hügel aus Meilen und.Meilen hin weit und breit Infanterie und Kavallerie und Artillerie und Wagen sah und dazu die Musik der Kapellen und Trommeln hörte. Man hätte glau ben könnendes ginge zu einem großen Fest. Jede Nacht biwakierten wir, wie wenn es bei einer Manöverübung wäre. Es war Sommer und wir brauchten keine Zelte. Dann kochten wir unser Essen und unseren Kaffee, spielten und rauchten und sangen Soldaten- und Volkslieder und Cho räle. Allmählich da bekamen wir heraus, daß um Metz herum das große Fechten sein würde, denn unsere Heere sammelten sich um die Stadt und auch eine große Armee Franzosen sollte dort sein. Es war um die Mitte des August, da begannen wir lange und harte Märsche. Die Offiziere waren still und auch wir wußten, daS etwas Wich tiges geschehen würde, aber wir waren leichten Herzens, denn mit unserem König und in unserer guten Sache mußten wir ja gewinnen. Ich wünschte, ich könnte Ihnen erzählen, wie weit und wie rasch wir in diesen wenigen Tagen mar schierten. Wir wußten nicht genau, wo eS hin geht, aber der König war ja mit uns und wir waren stolz, daß er unS fechten sehen wollte für ihn und das Vaterland, denn wir liebten ihn und wußten, er würde für unS tun, was er könnte. Und wir waren froh, daß er dem General von Moltke die Führerschaft übertragen hatte. Manch mal hörten wir den dumpfen Hall der Kanonen, aber wir konnten nur ahnen, daß um unS herum schwer und blutig gekämpft wurde. Am 16. Aug. «sie». In einem Edikt de» Kaiser» von Thina utirb dem Dalai-Lama eine Auszeichnung verliehen und ihm ein'JahreSgehalt von 10 VM Taek» zu gesprochen. Zugleich befiehlt da» Sditt dem Dalai-Lama nach Tibet -urllckzukehreck und Macht ihm Gehorsam gegen den Dhron zur Pflicht. n. Berli», 4. November. Zwischen dem Reichs kanzler Für st en Bülow und dem fran zösischen Botschafter in Berlin, Com bo n, fand eine Unterredung statt, welche den in Casablanca in Marokko vor einigen Wochen vorgekommenen Zwischenfall betraf. Wie gemel det, hatten mehrere aus der französischen Fremdenlegion desertierte Deutsche den Schutz de» deutschen Konsulats nachgesucht, um nach Deutsch land -urückbefördert zu werden. Ein Konsulats- beämter war beauftragt, sie auf ein Schiff zu bringen, unterwegs wurden sie jedoch von fran zösischen Soldaten überfallen, welche sich der De serteure bemächtigten. Bei dem Zusammenstoß wurde der deutsche Konsulatsbeamte verletzt. Die Frage, ob die Franzosen in Casablanca, da» sie. zwar besetzt hielten, das aber doch nicht unter französischem Recht stand, Deserteure deutscher Staatsangehörigkeit verfolgen dursten, nachdem diese sich unter den Schütz deS Deutschen Reiche» begeben hatten, kann streitig erscheinen, we-hasb die Reichsregierung bereit war, die Sache durch das Schiedsgericht im Haag entscheiden zu lassen. Wie jedoch der „Franks. Ztg," au» Ber lin gemeldet wird, ergab die Unterredung zwk-' schen dem Reichskanzler und dem französischen Botschafter, daß die französische Regierung jede Entschuldigung wegen des tätlichen Angriffes auf den deutschen Konsulatsbeamten in Casablanca verweigert und die gar nicht streitige Frage, ob der Konsul unverletzlich ist, vor ein Schiedsge richt bringen will. Es ist nicht zu verkennens daß sich die Angelegenheit zugespitzt hat. Man mutz aber hoffen, daß sie durch weitere diplomatische Verhandlungen noch ausgeglichen werden wird. Dies dürfte noch einer der Gründe sein, weshalb der Reichskanzler den Ausschuß deS Bundesrates für auswärtige Angelegenheiten zu einer Sitzung einberufen hgt. - ü Paris, 4. November. Einer halbamtlichen Note des Abendblattes „Liberte" zufolge, ist die französische Regierung nicht in der Lage, die Deserteure freizugeben oder sich wegen der Vorgänge auf dem Schiffe zu entschul digen. Sachsen. Bischofswerda, 5. Npvember. Der erste Schnee glänzte heKe früh auf den Fluren und bildete auch auf d.en Dächern in unserer Stadt eine leichte Decke, die allerdings bald wieder ver schwand. Auf den ungepflasterten, Straßen hatten wir dann den wenig beliebten „Matsch", während ' KZ. — » ä ————MS» kamen wir auf dem Schlachtfelde an und sahen viel Tote und Verwundete. Wir marschierten vor bei an einigen großen frisch aufgeworfenen Grä bern und auf der Spitze eines jeden Hügels stand ein hölzerne» Kreuz und wenige Worte, daß in Gott hier ruhten 60 oder 100 oder 120 Soldaten. Doch wir dachten nicht an die Toten und , Ver wundeten und kümmerten uns auch nur wenig um die Gräber. Durch die Reihen ging die Nach richt, daß wir wieder eine Schlacht gewonnen hätten und daß der König dagewesen sei; da waren wir, vergnügt und gar nicht müde und sangen unsere Lieder. Am Morgen deS 18., an dem die große Schlacht bei Gravelotte stattfinden sollte, da waren wir stütz auf. Wir hatten wenig ge schlafen, und als wir einen Adjutanten zu einem unserer Offiziere sagen hörten: „Bester nicht in Massen formieren", da wußten wir, auch die Jüngsten, was damit gemeint war. Wir bekamen unseren Kaffee an diesem Morgen nicht vor sieben und dann merkten wir, daß eS zur Schlacht ging, denn die Mannschaften wurden in Protestanten und Katholiken geteilt und der Pfarrer und der Pastor sprachen jeder zu seinen Leuten. Biele ga ben ihnen Briefe und trugen ihnen Grüße an die Ihnen auf. Ich nahm die Fahne auS ihrer Hülle und entsaftete sie, da wir in Schlachtordnung stan den. Der Kanonendonner wurde schwerer un lauter; eS war ein wilde» Dröhnen, aber noch war eS nicht nahe bei unS. So standen wir, aber noch war unsere Stunde nicht gekommen. Al» sie kam, war e» furchtbar. SS mußte etwa 4 Uhr nach mittags gewesen sein, als der Oberst an die Spitze deS Regiments ritt und wir alle stramm standen wie bei einer Parade. Und dann sagte er mit seiner scharfen Stimme: „Leute, da» Regiment