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In einem Telegramm an den Erbprinzen von Steutz j. L. drückte der Kaiser sein Bedauern über den Rücktritt deS Fürsten-Regenten von Reuh ä. L. aus. Der Kaiser versicherte dann den Erb prinzen seiner kaiserlichen und bundeSfreundschast- lichen Unterstützung bei der Regentschaftsführung in Reutz S. L. Das badische GrotzherzogSpaar reiste nach Be endigung seines Besuches am sächsischen Hofe am Sonnabend abend in der achten Stunde von Sta tion Niedersedlitz aus wieder ab. In der Wahlrechtsdeputation der Zweiten sächsischen Kammer ist am vergangenen Freitag die erste Entscheidung gefallen, da die Deputation in dieser Sitzung die Abstimmungen in erster Le sung vornahm. Zunächst gaben die Regierung durch Geh. OberregierungSrat Heink wie die Kon servativen durch den Abg. v. Querfurth nochmals Erklärungen über ihre Stellung zur Wahlreform ab. Geh. OberregierungSrat Heink betonte, die Regierung müsse unbedingt auf ihrem Vorschläge der Häufung der gesamten Pluralstimmen von 1 bis 4 bestehen bleiben, und auch an der Einfüh rung der Verhältniswahlen mindestens für die Grohstädte festhalten. Abg. v. Querfurth führte in der von ihm abgegebenen Erklärung auS, die Konservativen hegten die grötzten Bedenken gegesi den genannten Regierungsvorschlag, sie wollten ihm aber zustimmen, um die Wahlrechtsreform nicht scheitern zu lassen. Hierauf beschloß die De putation mit 12 konservativen Stimmen gegen 5 Stimmen der Nationalliberalen und Freisinnigen, die nationalliberalerseits geforderte AlterSplural- stimme für den Fall der Annahme von Punkt 8 (Häufung der Stimmen von 1 bis 4) fallen zu lasten. Mit 11 gegen 6 Stimmen wurde denn auch dieser wichtigste Punkt der Regierungsvor lage angenommen, dann genehmigte die Depu tation mit 13 gegen 4 Stimmen die Einführung der Verhältniswahl für die Großstädte und be schloß gegen eine Stimme die Herabsetzung der Zeitdauer des Wohnsitzes als Erfordernis für die Wahlberechtigung von zwei Jahren auf sechs Mo nate. Einstimmige Annahme fand die Beseitig gung des Zensus von 30 Mark für die Wählbar keit. Im weiteren stimmte die Deputation noch den Regierungsvorschlägen bei der Ansässigkeit zu und beschloß gegen 2 Stimmen, die Forderung einer Integral-Erneuerung der Zweiten Kammer aller sechs Jahre anzunehmen. Diese Deputa tionsbeschlüsse bedeuten, daß daS^ konservativ« nationalliberale Wahlrechtskompromiß gescheitert, und dafür im wesentlichen die Wahlreformvor lage der Regierung angenommen worden ist. In der Zweiten Deputationslesung der Wahlreform, welche heute Montag vor sich gehen soll, dürfte denn auch die Wahlreform in der jetzt beschlos senen Fassung zur Annahme gelangt sein. In der Besetzung der Ersten sächs. Stände kammer soll, wie gerüchtweise verlautet, dem nächst eine Aenderung eintreten und zwar soll an Stelle eines ausscheidenden Mitgliedes ein Ver treter der Industrie in die 1. Ständekammer be rufen werden. Wie man hört, ist hierfür Herr Kommerzienrat Rühl in Aue in Aussicht ge nommen worden. Zur Teilnahme an der Bismarckfeier in der Walhalla bei Regensburg trafen im Laufe des Sonnabend Fürst Otto von Bismarck, der älteste Enkel des „eisernen Kanzlers", begleitet von seinem Erzieher, der Reichsstaatssekretär des In nern v. Bethmann-Hollweg und der Unterstaats sekretär v. Löbell, der Reichstagspräsident Graf Stolberg, der bayerische Ministerpräsident Frei herr v. Podewils, der bayerische Kultusminister v. Wehner, sowie die meisten anderen Mitglieder des bayerischen Staatsministeriums, der preußi sche und der sächsische Gesandte in München, die Präsidenten der beiden Kammern des bayerischen Landtages und noch andere Festgäste von Distink- tion in Regensburg ein. Daselbst fand abends 6 Uhr große Beleuchtung und Serenade auf dem Bismarckplatze statt, worauf im Stadttheater eine Festvorstellung mit „Prinz Friedrich von Hom burg" gegeben wurde. Die Hermann Schönlein-Stiftung im Betrage von 2 000 000 ist von den städtischen Kollegien Stuttgarts angenommen worden. Die Stiftung enthält die Bestimmung, daß in dem Verwal tungsrat keine Sozialdemokraten sich befinden dürfen. Oesterreich-Ungarn. Die neuen Differenzen zwischen den Deutschen und den Tschechen im böhmischen Landtage haben nunmehr weitcrgchende politische Folgen nach sich gezogen. Die tschechischen Minister Fiedler und Praschek reichten ihre Demission ein, unter der Angabe, sie könnten nicht mehr mit den deutschen Ministern im Kabinett sitzen. E» geht in Wiener politischen Kreisen bereits das Gerücht von der bevorstehenden Demission des GesamffabinettS Beck, doch ist eS auch möglich, daß eben nur die beiden zurückgetretenen Minister ersetzt werden. Frankreich. Präsident FalliSreS empfing am Sonnabend wie auS Paris gemeldet wird, den russischen Minister Iswolski und hatte eine halbstündige Unterredung mit ihm. Auch der russische Bot schafter wurde von FallidreS empfangen. Weiter hatte der französische Minister dÄ» Auswärtigen Pichon am genannten Lage mit Iswolski eine Un terredung über die orientalischen Angelegenhei ten. Iswolski seinerseits besuchte den deutschen Botschafter Fürstin Radolin und erörterte mit ihm die Balkankrisis und die Konferenzfrage. Türkei. Die kriegerischen Vorbereitungen der Pforte dauern fort. Nach dem dritten Armeekorps in Mazedonien ist nun auch das anatolische Armee korps mobilisiert worden. — Der türkische Minister des Aeußeren, Tefik Pascha, gab einem von ihm empfangenen Journalisten daS Konfe renzprogramm der Pforte bekannt. Letzteres weist folgende Punkte auf: 1. Proklamierung Bul gariens zum Königreiche; 2. Annexion Bosniens und der Herzegowina; 3. Die Verbindlichkeit der Anteilnahme , an der türkischen Staatsschuld und andere finanzielle und politische Verbindlichkeiten; 4. Festsetzung der Integrität der Türkei. Serbien hat den vor zwei Jahren aufgehobe nen Paßzwang gegen Oesterreich-Ungarn wieder eingeführt. Die österreichisch - ungarischen Ge schäftsinhaber in Belgrad erhielten von der Poli zei die Aufforderung, ihre Läden nunmehr gänz lich geschlossen zu halten. Berlin, 18. Oktober. Derchiesige türkische Botschafter ersucht um Veröffentlichung nach stehender Mitteilung: „Die von der Presse über eine angebliche Mobilmachung der Ottomanischen Armee in Europa und Kleinasien verbreiteten Nachrichten entbehren jeder Begründung. Es sind von der Ottomanischen Regierung keinerlei Mobilmachungsmaßnahmen getroffen worden." BreSla«, 17. Oktober. In der heutigen Haupt versammlung des Schlesischen Zweig vereins des Deutschen Flottenver eins wurde an Stelle des Herzogs von Ratibor, der vor einigen Monaten daS Atnt des ersten Vorsitzenden des Vereins niederlegte, der bis herige stellvertretende Vorsitzende, Oberpräfidial- rat Geheimer OberregierungSrat Michaelis zum ersten Vorsitzenden gewählt. Sachsen. Dresden. Se. Maj. der König erteilte im Residenzschlosse u. a. an nachstehende Herren Audienz: Kammerherrn Frhrn. v. Vieting- Hoff-Riesch-Neschwitz, Amtshauptmann von Carlowitz - Bautzen, Forstmeister Schlegel- Cunnersdorf und Fabrikbesitzer Könitz er- Zittau. Se. Maj. der König ernannte Se. Königl. Hoheit den Großherzog von Baden zum Chef des 4. Infanterieregiments Nr. 103. — Se. Königl. Hoheit der Prinz Max ist gestern abend 7 Uhr 21 Min. ab Hauptbahnhof nach einem längeren Besuche bei Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Mathilde nach Freiburg ab gereist. Se. Königl. Hoheit der Großherzog er teilte am Sonnabend nachmittag den Stabsoffi zieren des 4. Infanterieregiments Nr. 103, sowie einer Deputation des Militärvereins „4. Infan terieregiment Nr. 103" Audienz und empfing später den Vorstand der „Freien Vereinigung ehe- maliger Unteroffiziere des 4. Infanterieregiments Nr. 103." Bischofswerda, 19. Oktober. Infolge des ein getretenen starken Rückganges der Temperatur, verbunden mit starkem Ostwind, zeigten sich heute morgen Gräben und Lachen von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Der Thermometer zeigte heute früh 3 Grad Kälte an. 8 Bischofswerda, 19. Oktober. Zum heutigen Vieh markt waren in den Stallungen der hie sigen Hotels und Gasthöfe zum Verkauf gestellt: 313 Stück Rinder und 58 Stück Kälber. Zum Auftrieb gelangten hiervon jedoch nur 96 Stück Rinder und 23 Stück Kälber, während der übrige Teil von den Händlern schon vor Beginn des heu tigen Viohmarktes an den Mann gebracht wurde. Außerdem war der heutige Viehmatkt mit 75 St. Ferkeln, 30 Stück Läuferschweinen, Pferden aber nicht betrieben, wohl aber waren von den letzteren Korporationen Spalier. Am Bahnhof erwartete SO Stück ebenfalls in den Stallungen der hiesig«» Hotels und Gasthöfe zum Verkauf gesteift. Der Durchschnittspreis für das Paar Ferkel betrüg 35 bis 45 Ma«L — Der nächste ViHmarkt findet am 16. November statt. — LaudrSlotterie. Sonnabend, am ^zehnten ZiehungStage der 5. Klasse der 154. Königlich- Sächsischen Lotterie fiel der viertgrößte Haupt gewinn, die 100000 auf die Nr. 265SS in die Kollektion von «umann L To. nach Leipzig. Nun steht noch eine Prämie von 800 000 -4k und eine 150000 an größeren Hauptgewinnen für die letzten acht ZiehungStage — am Dienstag, den 27. Oktober ist der letzte Ziehungstag— aus. Leipzig hat bis jetzt alle großen Hauptgewinne einge heimst, nämlich daS große Los im Betrage von 500000 °ck, den 200000 -ck-Gewinn und jetzt wieder die 100000 DaS sind sehr schöne Re- sultate und erfreulich für die Leipziger, aber we niger erfreulich für die anderen Sachsen. 6. Großharthau, 18. Oktober. Am heu tigen Nachmittage während eines großen Begräb nisses wurde beim Herrn GütSbes. Max Kurze, der nach Rammenau gefahren war, ein frecher Einbruchsdiebstahl verübt. Die Diebe sind durch den Stall eingedrungen, haben wie Vandalen gehaust und verschiedene Türen usw. arg demoliert; leider ist ihnen auch verschiedenes Geld in die Hände gefallen. Die frckhen Burschen sol len verschieden den Tag über beobachtet worden sein und sollen äiN Ende deS Begräbnisses sich nach der Masseney zu geflüchtet haben. Bautzen, 18. Oktober. Der Sächsische Fischerverein veranstaltet am 7. November hier im Hotel Gude eine Besatzfischbörse, an die sich eine öffentliche Versammlung von Fischereiinterestenten anschließt. Bautzen, 17. Oktober. An der hohen Ehrung, die dem in Bautzen garnisonierenden 103. In fanterie-Regiment dadurch zuteil gewor den ist, daß es von Sr. Majestät dem König Sr. Königlichen Hoheit dem GroßherzogFried-. rich H. von Baden als Chef verliehen wor den ist, nahm auch die gesamte Bürgerschaft den wärmsten Anteil. Allgemein war die Freude, daß daS alte, tapfere Regiment, dessen Geschichte nun schon seit langer Zeit mit derjenigen der Stadt Bautzen innig verknüpft ist und das vor der sel tenen Feier seines 200jährigen Jubiläums steht, anläßlich des ersten Besuches des GroßherzogS am sächsischen Hofe nach seiner Thronbesteigung in Friedrich N. von Baden einen Chef erhält, der sich auch militärisch in hervorragenden Stellungen bestens bewährt hat. Die Ankunft des Königs und des GroßherzogS^ sowie des Prinzen Johann Georg erfolgte 11 Uhr 10 Min. Zur Begrüßung der hohen Herrschaften hatten sich die Spitzen der Zivil- und militärischen Behörden eingefunden. Herr Oberbürgermeister vr. Kaeubler hielt eine kurze Begrüßungsan sprache, die mit einem Hoch auf beide Regenten schloß und für die beide Fürstlichkeiten dankten. Außerdem hatten sich in der festlich geschmückten Bahnhofshalle eine große Anzahl junger Damen eingefunden, eine freundliche Huldigung für die hohen Gäste der Stadt. Vor dem Bahnhofe hat ten Militär- und Kriegervereine Aufstellung ge nommen, die den König und seinen Gast lebhaft begrüßten. Auch das zahlreiche Publikum, das sich eingefunden hatte, brach in Hochrufe aus. ES erfolgte eine Rundfahrt durch die festlich ge schmückte Stadt, während der dem König und dem Großherzog von Vereinen und Kindern ge huldigt wurde. Die Herrschaften fuhren nach der neuen Kaserne, in der ein feierlicher Akt stattfand, indem Se. Maj. der König unter herz lichen Worten dem Großherzog von Baden das in Paradeaufstellung aufmarschierte Regiment über gab. Der neue Chef übernahm es gleichfalls mit warmempfundenen Worten und bewegte sich dann in ungezwungener liebenswürdiger Weise im Kreise der Offiziere, mit denen der König, der Großherzog und Prinz Johann Georg im Offi zierskasino daS Frühstück einnahmen. Danach wurde gegen 1 Uhr die Rundfahrt durch die Stra- ßen der Stadt fortgesetzt; der Weg führte durch die Straßen der Stadt, Ziegelwall, Königswall, Schießplatz, auf dem die Wagen verlassen und ein kurzer Spaziergang bis zum Plateau gemacht wurde. Darauf ging die Fahrt durch die Nord straße, den Wendischen Graben, Kornmarkt, Lauengraben, die Innere Lauenstraße, Haupt- markt, Fleischmarkt, An der Petrikirche, wobei die Kirche und der Hof deS Domkapitels besichtigt wurden, durch die Schloßstraße, Schloß Orten burg, daS gleichfalls besichtigt ward, Burgplatz, MönchSgasse, Burglehn, Reichenstraße, Holzmarkt, AeußereS Reichentor, Wallstraße, BiSmarckstraße zum Bahnhof. Ueberall bildeten Schüler und