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1S08 Tomab«td, 22. August. 1 Erscheint jrdfu Verklag abends siir den folgenden Lag und kostet einschließlich der Mittwochs und. Sonnabends erschein »enden-Belletristischen Beilage" bei Abholung viertel jährlich 1 SO bei Zustellung in« Haus I 70 bei allen Postcmsiatten l SO «l exklusive Bestellgeld. Einzeln« Runiwern kosten 10 Nummer der Zeitungspreisliste 6587. KerüsprechfteLe Nr. SS. Bestellungen werden bei alle« Postanstalien de« deutschen Reiche», fllr Bischofswerda und Umgegend bei unseren ZettungSbotrn, sowie in der GesLüstSstelle diese« Blatte angenommen. Schluß der letzteren Abends 8 Uhr. Zweiundsechzigster Jahrgang. Auf Blatt 24b des hiesigen Handelsregister- ist heute da- Erlöschen der Firma Kaffee-Fabrik Bischofswerda Arno Schubert m Bischof-werda von Amtswegen eingetragen worden. , ,, - Bischofswerda, am 19. August 1908. i Königliche- Am 1 sgericht. Freilos den «8. August IVV8, nachmittag» » Uhr. soSm in Bischofswerda folgende Gegenstände als: I Kleiderfchrauk und L brarmeS Eofa gegen Barzahlung versteigert werden. Sammelort: Königl. Amtsgericht. B i s chof - werda, am 21. August 1908. Der Gerichtsvollzieher des Königl Amtsgerichts. Der sächsische LrM-r, Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt Ler Kgl. Amtshauptmannschaft, der Kgl. Schulinspektion und des Kgl. Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. Inserat«. welch« in dirsem Blatte di« weiteste Verbreitung finden, werden bis vorm. 10 Uhr angenommen, größere und komplizierte Anzeigen tag» vorher, und «ostet dre viergespattene KorpuSzeile 12 die ReNamezeil« 25 <4. Geringster Jnseratenbetrag 40 «1. Für Rückerstattung eingesandter Manuskripte usw. keine Gewähr. Roß- und Viehmarkt in Neustadt in Sachsen, Kk. LW8» Ist die,Türkei durch eineparlamentarische Reformarbeit wirklich zu retten? In -er Freude und Begeisterung über dis Einführung einer Verfassung und einer parla mentarischen Regierung in der Türkei scheint man in der politischen Welt eine zeitlang die Hauptsache bei dem Reformversuche vergessen zu haben. Die Durchführbarkeit aller politischen Re formen und ihre praktische Brauchbarkeit sehr ernstlich zu prüfen, ist unbestreitbar die Hauptauf gabe und die wahre Weisheit der Reformer. Wir glauben aber nicht, daß die Jungtürken wirklich ernstlich die Einführung der parlamentarischen Regierung in der Türkei auf ihre Brauchbarkeit geprüft haben, sonst würden sie wahrscheinlich die Herrschaft des Türkentums in ihrem Lande mit einigen Sicherheitsmaßregeln gestützt haben. Die türkische Verfassung gewährt allen Untertanen des Sultans, mögen sie nun Mohammedaner, Christen oder Juden, oder in nationaler Hinsicht Türken, Griechen, Bulgaren, Serben, Armenier, Kurden, Syrier oder Araber sein, die gleichen Rechte. So wunderbar einfach und menschlich, gerecht und frei dieses Geschenk der Verfassung für alle Untertanen der Türkei klingt, so hat es doch in der parlamentarischen Praxis Wahlschein- lich die Folge, daß die Türken selbst in der parla mentarischen Regierung matt gesetzt und wahr scheinlich zur politischen Ohnmacht verdammt werden. Man muß sich wundern, daß weder in der Türkei, noch in Europa auf die Ungeheuerlich keiten bei der Einführung einer parlamentari schen Regierung in der Türkei aufmerksam ge macht worden ist. Die Türken haben nämlich in der Türkei schon lange nicht mehr die Mehrheit in der Einwohnerzahl. In der europäischen Tür kei gibt eS kaum noch 1 Million Türken, aber mehr als 2 Millionen Griechen und ferner noch wohl 1 Million Bulgaren und dann auch noch einige hunderttausend Albanesen und Serben, c In der asiatischen Türkei haben die Türken in der Bevölkerung die Mehrheit ebenfalls nicht, denn dort gibt es mehr Kurden, Armenier, Syrier und Araber als Türken. Wird also im Herbste das türkische Parlament nach den Grundsätzen der Gleichheit und Freiheit gewählt und die Wahl- bezirke nach der Bevölkerungszahl eingeteilt, so werden wahrscheinlich einem Drittel mohamme danischer Abgeordneter zwei Drittel christliche Ab- geordnete gegenüber stehen. Nun ist allerdings anzunehmen, daß sich die Abgeordneten im türki schen Parlamente weniger nach der Religion, son dern mehr nach den Nationalitäten zu Parteien zusammenschließen werden. In diesem Falle wird es für die türkischen Abgeordneten aber noch viel schlimmer, denn dann erhalten sie wahrscheinlich nur den vierten Teil der Abgeordneten. Wie unter solchen Umständen das türkische Parlament eine brauchbare Regierungsmehrheit bilden und eine Stütze für die türkische Regierung werden soll, kann nach den politischen Erfahrungen nicht begriffen werden. Oder sollte man wirklich an nehmen, daß die Bevölkerung in der Türkei, des langen blutigen Haders müde, nun alle Gegen sätze und Streitigkeiten vergessen und die Gesetze nur noch nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Freiheit, des Fortschrittes und der Menschlich keit machen wird? Es ist nicht möglich, diese Frage zu bejahen, denn diese hohe geistige und sittliche Entwickelung kann man von den Völkern des Orients nicht annehmen, es fehlen mindestens auf die blutigen Rassenkämpfe in der Türkei dazu alle Voraussetzungen. Die türkische Verfassung und das zu wählende türkische Parlament werden also nicht imstande sein,, die furchtbaren Gegen sätze zu beschwören, welche schon seit Jahrzehnten den türkischen Staat erschüttern und zu sprengen drohen. DaS Türkentum hat eben weder an Zahl noch an Kultur die Kraft, einen Staat auf moder nen Grundlagen aufzubauen, denn gegenüber dem Türkentum in der Türkei steht eine Bevölkerung, die nicht türkisch ist und eine ganz andere Welt anschauung besitzt, aber in Bezug auf die Kopf- zahl viel stärker als die Türken ist, und diese Unterschiedlichkeit muß jede parlamentarische Re- gierung ungemein erschweren. Die von den Jung türken hervorgerufene Reformbewegung gleicht daher mehr dem Wagemute eines kühnen Schwim mers, der eine furchtbare Brandung im stürmt- schen Meere überwinden will, aber bei dem küh nen Versuche ertrinkt. Deutsches Reich. Der Kaiser unterbrach in der abgelaufenen Woche seine gegenwärtige Sommervilleggiatur auf Schloß WilhelmShöhe durch einen Ausflug nach Mainz und Schloß FriedrichShof. Auf dein Großen Sand bei Mainz nahm er am Donners- tag vormittag mit dem Großherzoge von Hessen eine Parade über die durch andere hessische Trup penteile verstärkte Mainzer Garnison ab. Dann fand Frühstück im Mainzer Restdenzschlosse statt, später begab sich der Kaiser nach Schloß Fried- richShof. — Der diesjährige Sommeraufenthalt Kaiser Wilhelms in WilhelmShöhe hat durch den von ihm am 18. August auf Kaiser Franz Josef ausgebrachten GeburtStagStoast einen kleinen po- Mischen Beigeschmack erhalten. Denn mit kraft- voller Betonung feierte Kaiser Wilhelm in dieser Kundgebung den greisen österreichischen Herrscher als seinen „erlauchten treuen Verbündeten", mit welchem Trinkspruche des Oberhauptes des Deut schen Reiches das deutsch-österreichische Bündnis ersichtlich eine abermalige Kräftigung er fahren hat. Die Zeppelinbegeisterung flaut vorläufig wie der ab, doch nehmen die öffentlichen Sammlungen zur Nationalspende für den Grafen Zeppelin noch immer ihren Fortgang. Wie man hört, beab sichtigt der Graf zunächst mehrere Ballonhüllen bei Friedrichshafen zu errichten und dann erst an den Bau seines neuen Luftschiffes zu gehen. Uebrigens macht sich jetzt auch der Parsevalballon des Luftschifferbataillons in Berlin durch seine Versuchsfahrten recht bemerkbar. Am Mittwoch abend unternahm er eine neue etwa halbstündige gelungene Fahrt unter Führung des Hauptmanns v. Kehler; Herzog Ernst von Altenburg beteiligte sich an der Fahrt. Das Rätselraten über den Inhalt der vom Reichsschatzsekretär Sydow geplanten Reichs finanzreform wird nun wohl bald am längsten gedauert haben. Wie jetzt bestimmt verlautet, tritt der Bundesrat zur Entgegennahme der Vor lage über die Reichsfinanzreform zwischen dem 15. und dem 20. September wieder zusammen, alsdann dürfte wohl die Oeffentlichkeit endlich Authentisches über die finanz- und steuerpoliti schen Pläne des Herrn Sydow vernehmen. Die abgelaufene Woche hat den diesjährigen Parteitag der deutschen Zentrumspartei, den all gemeinen Katholikentag, gezeitigt, welcher in den Mauern Düsseldorfs vom 16. bis zum 20. August versammelt war. Die Verhandlungen des Deut schen Katholikentages waren diesmal im allge meinen von einem maßvollen Tone getragen und wiesen außerdem eine ganze Reihe mehr oder weniger bemerkenswerter rednerischer Kundge bungen auf. Zu ihnen gehört mittelbar auch eine Ansprache, die der Erzbischof von Köln, vr. Fischer, bei der von zahlreichen Teilnehmern des Katho likenkongresses am Mittwoch nach Kaiserswerth veranstalteten Wallfahrt hielt. In ihr wandte sich der Erzbischof namentlich gegen die liberal den kenden Katholiken und bekämpfte weiter energisch alles Paktieren des Katholizismus mit dem Zeit geist. Der vielbesprochene „Fall Schücking" scheint sich allmählich in Wohlgefallen auflösen zu wollen. Wie jetzt bekannt wird, hat die Regierung in Schleswig von der ursprünglich geplant gewesenen Amtssuspendierung des Bürgermeisters Schücking von Husum wieder Abstand genommen, offenbar aus guten Gründens