Volltext Seite (XML)
vv. landS dabei sich fügen. Wenn sie um die Hand einer deutschen Prinzessin sich bewerben, ist es Sache der deutschen Prinzessin, die Bedingungen zu stellen, unter denen sie ihre Hand vergiebt. Gemahlin eines Czaren oder russischen Großfürsten zu werden, ist weder, nach den bisherigen Er fahrungen zu urtheilen, ein besonderes Glück, noch auch eine so hohe Ehre, daß eine deutsche Prinzessin sich ihretwegen ohne alle Sicherstellung ihrer nationalen Würde zu begeben nöthig hätte. Zudem ist die Position für die Bertheidigung dieser nationalen Würde, sollte man sagen, doch recht günstig. Wenn bei den orthodoxen Höfen im ewig unsicheren Griechenland und im allzu romantischen Montenegro keine Braut zu haben ist, müssen russische Freiwerber an die protestanti schen Höfe gehen, da Anknüpfungen bei den ka tholischen Höfen ziemlich aussichtslos sind. Aber auch bei den ersteren ist die Auswahl niemals sehr groß. Freilich ist der russische Hof im Laufe der Zeit sehr verwöhnt worden, da schon eine Reihe protestantischer deutscher Prinzessinnen seiner halbasiatischen Ansprüchen sich gefügt hat und zwar nicht nur solche von kleinen protestan tischen Höfen. ES wäre aber doch endlich an der Zeit, mit dieser unbegründeten und demüti genden Nachgiebigkeit zu brechen und einem russischen Freiwerber mit demselben Selbstgefühl entgegenzutreten, mit dem er selbst austritt." In die neue Reichstagssession werden die Fraktionen in nachstehender Stärke eintreten: 100 Centrum, 63 Deutsch-Konservative, 28 Reichs- parteiler, 52 Nationalliberale, 15 deutschsoziale Resormpartei, 19 Polen, 14 freisinnige Vereini gung, 23 freisinnige Volkspartei, 11 süddeutsche Volkspartei, 46 Sozialdemokraten, 26 bei keiner Fraktion. Die berüchtigte Berliner Getreidefirma Ritter und Blumenseld, welche im Jahre 1891 die damalige Theuerung mit verschuldete, indem sie den Preis des Getreides künstlich in die Höhe schraubte, hat die Frechheit besessen, eine andere Berliner Firma, die ebenfalls „in Getreide machte", bei dem Berliner Kammergericht zu verklagen und Zahlung einer Summe von zusammen 725,000 Mark zu verlangen, weil sie durch deren Verhalten bei einem mit ihr eingegangenen Termin geschäft angeblich benachtheiligt worden sei. Der Berliner Gerichtshof hat den Schadenersatz-An spruch zurückgewiesen. Ist eS nicht traurig, bemerkt das „Vaterland", und muß eS nicht zu einer voll ständigen Verwirrung deS Rechts- und Moral- bestriffs im Volke führen, wenn Leute wie die Ritter und Blumenfeld mit ihren unsauberen Geschäften auch noch die Gerichte-in Anspruch nehmen dürfen und diese, anstatt sie einfach ab zuweisen, sich gar noch ernstlich damit beschäftigen müssen? Bietet denn wirklich unsere gegenwärtige Gesetzgebung dagegen keine Handhaben, oder hat nicht etwa die „Leipz. Ztg." recht, wenn sie am Schlüsse ihrer Berichterstattung über den in Rede stehenden Gegenstand die Frage auswirst: „Hätte sich der Sache nicht schon durch die Erklärung beikommen lassen, daß eS sich um eine turxib oau8», rin schimpfliches Geschäft handele, auS dem eS keine Klage giebt?" Während sonst die Juden mit Entrüstung jede Solidarität mit der Sozialdemokratie weit von sich weisen, ist es nicht ohne Interesse, ein Urtheil der in dieser Hinsicht gewiß unbefangenen „Israelitischen Wochenschrift" über diese Frage zu hören. Dieselbe schreibt wörtlich: „Die Sozialdemokratie ist der einzige starke Damm gegen den Antisemitismus. Der Liberalismus ist todt, und die vielfach sich regenden humanen Gegenbestrebungen sind nur noch Strohhalme an Widerstandskraft." AuS einer national-jüdischen Lieder sammlung die ein Herr Leopold Landau unter dem Titel „Draus" herauSgegeben hat, bringt die konservative „Schlesische Zeitung" einige Proben, die für die Gesinnung der Juden cha rakteristisch sind. In einem die Angelegenheit deS HeinedenkmalS behandelnden Gedichte läßt HerrLandau den Dichter des „Buches der Lieder" folgende Worte sprechen: „Ich habe ein Denkmal mir gesetzt, „DaS dauernder als Erz, „DaS wird von keinem Esel verletzt, „O arisch Bruderherz. „DaS sitzt im Herzen des Volke» drein „Und spottet Deiner Wuth, „Getauft selbst, steh', ich gesteh' eS ein, „Blieb ich ein guter Jud' —" Diese» Eingeständniß ist recht werthvoll. — Ueber die „Germanen" läßt sich Herr Landau folgendermaßen vernehmen: „Da mauschelt ein deutscher Edelmann „Ganz wie ein polnischer Jude, Lev sächsische Erzähler Sette 2. „Mit Stramel und langem Kaftan „In der dumpfen Trödelbude. „Doch das Mauscheln des Germanen klingt, „ — So will eS mir ost scheinen, — „Wie ein Grunzen, daß sich dem Rachen entringt, „Von vollgesoffcnen " Nach solchen Proben wird man begreifen, daß >aS deutsche Volk die jüdische „Veredelung" von ich aufs Entschiedenste abzuwehren gezwungen und daß die Ansicht berechtigt ist, das Juden- ihum, das in Anmaßung und Unverschämtheit in der letzten Zeit so große Fortschritte gemacht ;at, müsse endlich niedergehalten werden. Die Wahlreformsrage in Oesterreich gestaltet sich jetzt, da der Wahlreform-Ausschuß reS Abgeordnetenhauses dieses wichtige Werk im Vereine mit der Regierung direkt zu Stande bringen soll, zum bedeutsamsten politischen TageS- problem für CiSleithanien. Am 30. November hielt der genannte Ausschuß eine erste große Sitzung ab, in welcher der Minister des Innern, Marquis Bacquehem, kurz die Stellung der Regierung in der Angelegenheit stizirte, um später einige Erläuterungen zu geben. Die einzelnen Parteien nahmen durch ihre Sprecher ebenfalls Stellung zu dem Wahlreformprojekte, wobei sich fast allseitig Neigung zu einer Ver ständigung in dieser schwierigen Frage zeigte. Die nächste Sitzung deS Ausschusses findet am 4. Dezember statt. In Frankreich ist bis zur Stunde die Verletzung des Briefgeheimnisses noch völlig straffrei. Die Verluste von Briefschaften sind deshalb — besonders in Paris — verhältniß- mäßig groß, aber erklärlich, wenn ein Vertrauens mißbrauch alle Zeit ungcbüßt ausgeführt werden kann. Ferner ist das Verlorengehen von Briesen auch auf den Umstand zurückzusühren, daß die Briefträger die Briese nicht unmittelbar an den Empfänger zu übermitteln brauchen, sondern beim Pförtner abgeben dürfen. Um die Lücke in den Gesetzen endlich auszufüllen, hat ein Ab geordneter der Kammer einen Gesetzentwurf unterbreitet, der die Verletzung deS Briefgeheim nisses wie in der ganzen zivilisirten Welt unter Strafe stellt, und eS ist zu hoffen, daß der Antrag nicht zu Fall gebracht werden wird. Unter den 343,000 Dienstpflichtigen, die im Jahre 1894 zur Gestellung kamen, waren 83,000, die entweder nur buchstabiren, aber nicht mit Verständniß des Sinnes lesen oder die überhaupt weder lesen noch schreiben konnten. Die längst erwarteten Militär-Reformen in Italien, veranlaßt durch die nothgedrungene SparsamkeitSpolitik des jetzigen KabinetS Crispi, haben nunmehr das Licht der Oeffentlichkeit er blickt. Nach den hierüber bekannt gegebenen könig lichen Dekreten handelt eS sich um eine Reihe von Maßnahmen in der italienischen Heeres verwaltung, welche in finanzieller Beziehung eine jährliche Ersparniß von 7^/, Millionen Lire sichern. Eine der Wirkungen dieser Veränderungen würde u. A. die sein, daß die Anzahl der Offiziersstellen aller Grade eine Herabminderung um mehr als 900, diejenige der Militärbeamten posten um mehr als 400 erfahren wird. Die Befürchtung liegt nahe, daß diese bedeutende Einziehung von Offiziers- und Militärbeamten stellen, mit denen die Auflösung von mehreren Artillerie-Regimentern, von artilleristischen Eta blissements u. s. w. Hand in Hand geht, auf Kosten der Schlagfertigkeit und Leistungsfähig keit deS italienischen Heeres erfolgen werde. Der italienische Kriegsminister ist dagegen der Ansicht, daß — wie aus seinem den betreffenden Dekreten vorangehenden Bericht erhellt — die angeord neten Reformen dem HeereSwesen Italiens nur zur Stärkung dienen werden; nun, hoffentlich trifft diese optimistische Auffassung zu. Die Personalveränderungen in den obersten Staatsposten Rußlands, welche vielfach als eine Folge des stattgehabten Thronwechsels er wartet werden, sollen unmittelbar noch dem russischen Neujahrsfeste erfolgen. Wie der Pariser „Matin" erfahren haben will, würden von den gegenwärtigen russischen Ministern nur die Herren von GierS (Aeußeres) und Witte (Finanzen) im Amte bleiben. Gurko, der Gcneral- gouv'erneur von Polen, würde durch den Groß fürsten Konstantin ersetzt werden. — Eine offi ziöse Petersburger Meldung bezeichnet die Ge rüchte von einer hochkritischen Wendung im Be finden des Großsürsten-ThronfolgerS Georg als unbegründet. Czar Nikolaus von Rußland ist auf dem besten Wege, wirklich volkSthümlich zu werden: Er scheint auch zg denhn, daß ein kurzes Leben in voller Freiheit einem lanaen Leben voller Ängst vorzuziehen sei, denn als ob e« keinerlei Nihilisten im heiligen Rußland mehr gäbe, so LttVL hat der Kaiser die Machtbefugnisse der Polizei ganz gewaltig beschnitten, bewegt sich sonder polizeilichen Schutz und in voller Ungrnirtheit unter seinen Russen. Man kann von ganzem Herzen wünschen, daß das Zuttauen deS tapferen jungen Herrscher» zu seinem Volke nicht getäuscht wird, daß kein Attentat oder ein anderer Zwischen- all dieser freien Denkungsart des Czaren ein Ende macht. Nikolaus II. weiß genau, wie sein Vater trotz der strengsten Wachsamkeit in steter Angst und Sorge leben mußte, er verschmäht die polizeiliche Obhut und bewegt sich ohne Scheu unter allem Volke. Wenn von verschiedenen Seiten behauptet wird, der Czar nähere sich dem von seinem Großvater gehegten Plane, Rußland eine Verfassung zu geben, so wird man wohl Weiteres abwarten müssen. So schnell vollzieht ich eine Umwälzung, wie die des unumschränkt regierten Rußland in eine nicht absolute Monar chie, nicht. Soviel zeigt das Auftreten des neuen Czaren aber doch, daß von ihm zu erwarten ist, er werde mit manchem Schlendrian gründlich aufräumen. Rußland stehen bessere Tage bevor. König Alexander von Serbien soll sich während seines jüngsten Aufenthaltes in Wien mit Erzherzogin Anna Maria Theresia, der Schwester des Erzherzogs Franz Salvador, verlobt haben. Die griechische Deputirtenkammer ge nehmigte am Freitag nach hitzigen Debatten mit 99 gegen 76 Stimmen ein Vertrauensvotum für die Finanzpolitik deS KabinetS TrikupiS. Zu gleicher Zeit wird aber auS Athen gemeldet, daß der deutsche Gesandte der griechischen Regierung erneut Vorstellungen wegen der ausweichenden Kammerrede TrikupiS über die griechische Schuld- regulirung machte. Die Japaner bereiten sich allen Ernstes zu einem Winterseldzug gegen China vor, um die chinesische Regierung endlich vollends mürbe zu machen. Für Japan ist auch eine energische Fortsetzung des Krieges trotz der beginnenden winterlichen Jahreszeit nur von Vortheil, die bisherigen faulen Versuche von chinesischer Seite zur Herbeiführung deS Friedens hätten die kräftige Ausnutzung der bisher von den Japanern errungenen bedeutsamen militärischen Erfolge nur beeinträchtigen können. Die in der Mandschurei operirende japanische Armee rückt immer weiter gegen die heilige Stadt Mulden vor; nach den jüngsstn Meldungen waren die Japaner nicht mehr 40 Meilen von Mukden entfernt. Amerikanische Aerzte senden folgenden Bericht über die Wirkung von neuen kleinen Kugeln, die zum ersten Male im chinesisch-japanischen Kriege ihre Verwendung fanden, ein. Ein Arzt berichtet: „In einem Hospital bei Nagasaki sah ich einen chinesischen Offizier, der im Kniegelenk auf 1000 Aards von einer Gewehrkugel ver wundet war. Die dünne Stahlhülse der Kugel war zerplatzt und das Gelenk war einfach eine Masse von Knochensplittern. DaS Knie war völlig weich. Kein Knochen war darin, der nicht aus eine Zollbreite gebrochen war. DaS Bein mußte natürlich abgenommen werden. Das Hospital bei Nagasaki bildete die Bewunderung der französischen und englischen Aerzte. Die japanischen Aerzte haben alle nach ihren Studien in Japan in Paris oder Berlin die Kliniken besucht. Die antiseptischen Mittel wurden in Anwendung gebracht. Berlin, 2. Dezember. Die „Post" theilt mit: In dem neuen Tabakstenerentwurf beträgt der Zoll für ausländischen Tabak 40 Mk. auf 100 lcg wie im vorigen Entwürfe. Demselben Blatt zufolge geht dem Reichstage bei seinem Zusammentritt ein Weißbuch außer dem Etat und der sogenannten Umsturzvorlage zu. Berlin, 1. Dezember. Heute früh um 7 Uhr ist, wie der „Lokalanzeiger" meldet, die amt liche Eröffnung deS telephonischen Verkehrs zwischen Berlin und Wien erfolgt. Das erste offizielle Gespräch mittels Fernsprechers zwischen der Kaistrstadt an der Spree und der Kmserstadt an der Donau ist heute Vormittag zwischen dem Kaiser Wilhelm und vem Kaiser Franz Josef ausgetauscht worden. Während dieser von der Hofburg auS sprach, benutzte Kaiser Wilhelm die Leitung des Neuen Palais. DaS Gespräch ist, wie in unterrichteten Kreisen versichert wird, zur vollen Zufriedenheit der hohen Theilnehmer verlaufen. Die absolute Deutlichkeit der ge sprochenen Worte und da« Fehlen aller lästigen Nebengeräusche wurde von denselben mit be sonderer Anerkennung bemerkt. Berlin, 1. Dezbr. Dem Vernehmen nach verlebt Fürst Bismarck Weihnachten in Barzin. Berlin, 3. Dezbr. Die „Pationalliberatt Korrespondenz" theilt mit, Fürst Bismarck «th: