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7v. Der sächsische Srzähler. Gelte L den Mann mit dem guten Gedächtniß, und sein Abenteuer mit dem französischen Gesandten, Mr. Herbelte, lohnt es sich bei dieser Gelegenheit hinzuweisen. In alter unentwegter Gesinnungstreue reist unterdessen Eugen Richter, ungebrochen von des Schicksals herben Schlägen, im Lande herum und wühlt für die Landtagswahl. Nur kümmer lich ist oft der Beifall den man ihm zollt; auch die alten Flausen und Wahrheitsverdrehunyen, die ihm einst den Weg zum Ruhme bereiteten, erweisen sich als zu fadenscheinig und durchsichtig, um noch Effekt zu machen, und er ist recht ost ge- nöthigt, bei sich selbst Anleihen zu machen, da mit ihm der Stoff nicht ausgeht. „Zu welch kläglichen Bestimmungen wir gelangen, Horatio!" Man kann wohl behaupten, daß die Lösung der Handwerkersrage, wie sie am grünen Tisch sicherlich als ein büreankratischeS Meisterstück mühevoll zur Welt gebracht worden ist, zum Mindesten einigermaßen verblüffend gewirkt hat. In ihrer unendlich schematischen Ausführung bedroht sie die betheiligten Kreise mit einer der artigen Anzahl von Verordnungen und Para graphen, daß sich dieselben gegenüber der alten Ordnung der Dinge vielleicht sehr bald in die Lage jener grünröckigen Teichbewohner versetzt fühlen dürsten, denen der Knüppel als König nicht genützt hatte, und die dafür den Storch erhielten. Jedenfalls macht sich gegen diese Art sozusagen nach dem Rezept gekochter Reform eine starke Strömung Seitens der Handwerker selbst bemerkbar. ES ist dies ein BcWS dasür, daß man nicht empfindungslos für dieThatsache ist, daß der Schwerpunkt der ganzen Frage Seitens der Regierung in der Organisation deS Handwerks selbst gesucht wird, statt da, wo er wirklich liegt, nämlich in den zahllosen Miß ständen, wie sie die schrankenlose Gewerbefreiheit, die unreelle Massenfabrikation, die Schleuder bazare erzeugt habe». Her ngpom acl »stra! Mägen allzu vorsichtige Staatsmänner vorläufig immer noch davor zurückschcuen, jene äußersten Conscguenzen zu ziehen und durchgreifende Maß regeln an Stelle der Palliativmittelchen zu setzen, — endlich wird doch einmal die Zeit kommen, wo der deutsche Handwerker von Sorgen befreit aufathmen kann, — wo es ihm vergönnt sein wird, zu ernten, wo er gesäet hat. Einzelne Zeitungen haben die Nachricht ge bracht, daß die gesetzliche Regelung der^Lnt- schädiguug unschuldig Verurthcilter in nWster Zeit nicht zu erwarten sei. Demgegenüber erfährt die „Nordd. A. Z.", daß diese Regelung gleichzeitig mit der Einführung der Berufung in Aussicht genommen ist. Der Entwurf soll sich außer auf diese beiden wichtigen Punkte noch aus zahlreiche andere Aenderungen und Ergänzungen der Straf prozeßordnung und des Gerichtsverfassungs gesetzes erstrecken. Namentlich soll, was sür weite Kreise von Interesse sein dürste, ein abge kürztes, schleuniges Verfahren gegen auf frischer That betroffene und überführte Uebelthäter ein gerichtet werden, welches nach dem Vorbilde deS französischen und englischen Rechtes deren so fortige Aburtheilung ermöglicht. Der Entwurf soll im preußischen Justizministerium unter Be theiligung des ReichS-JustizamtS ausgearbeitet und einschließlich der dazu gehörigen OrganisationS- pläue bereits in allen Einzelheiten vollendet sein. Die einzige, allerdings sehr wichtige Frage, über welche gegenwärtig noch verhandelt wird, dürste die sein, ob die Entscheidung über die Berufung den Ober-Landesgerichten oder den Landgerichten zu übertragen ist. Wie offiziös gemeldet wird, liegt es in der Absicht der Reichsregierung, die Stempelab gabe für Lotterieloose um 50 Prozent zu erhöhen. Der Ertrag aus dieser Abgabe ist im ReichShaushaltSetat pr. 1893/94 auf 7,879,000 Mark veranschlagt; legt man diesen Ansatz zu Grunde, so würde das eine Vermehrung der Reichseinnahmen um 3,939,500 Mk. bedeuten. Von dem spanischen Thronprätendenten Don Carlos ging kürzlich die Rede, er wolle zn Gunsten seines Sohnes Don Jaime auf seine Thron ansprüche verzichten. In Wahrheit soll aber Don Carlos gar nicht an einen solchen Verzicht denken und überhaupt nicht geneigt sein, seine politische Rolle auszugeben. Es heißt, er werde dies seinen Standpunkt in einem nächstens er scheinenden Manifest an seine Wähler wahren. So ein bischen Prätendententhum muß doch wunderschön sein! Die Edinburger Rede Gladstone'S über die irische Home-Rule-Angelegenheit und die mit derselben zusammenhängenden Fragen wird in England noch immer viel erörtert. Offenbar hat der „alte große Mann" durch diese keine jüngste öffentliche Kundgebung seiner Partei neuen Muth einflößen wollen, was besonders durch die Versicherung geschehen sollte, die Regierung denke nicht daran, das Parlament wegen des einstweiligen Scheiterns der irischen Home-Rule- Bill auszulösen. Anderseits war der Edinburger „Speech" zugleich dazu bestimmt, infolge der in ihm enthaltenen versteckten Drohungen gegen das Oberhäus das letztere zu schrecken und es für künftige Zeiten gefügiger gegenüber dem Kabinet Gladstone zu stimmen. Diesen Zweck wird aber die Gladstöne'sche Rede gewiß nicht erreichen, denn die Pairskammer wird sich jetzt durch die Drohungen des Premiers um so weniger ins Bockshorn jagen lassen, als sie ihre Stellung im Lande infolge ihrer Verwerfung der Home-Rule-Bill ungemein gestärkt hat. Die Gerüchte über die aufgetauchten Diffe renzen zwischen dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien und dem Ministerpräsidenten Stam- buloff werden jetzt von offiziöser bulgarischer Seite aus als willkürliche Erfindungen bezeichnet. Im Gegentheil, eS soll nach wie vor zwischen dem Bulgarensürstcn und seinem ja vielcrprobten ersten Berather das alte Einvernehmen herrschen. Nun, um so besser, denn Bulgarien kann die energische und geschickte Hand seines leitenden Staatsmannes noch lange nicht entbehren. Baden, 1. Oktober. Die Königin von Sachsen ist Abends 7 Uhr über Wien nach Dresden abgereist. Der König von Sachsen »nd die Erzherzoge geleiteten die Königin nach dem Bahnhose, wo die Spitzen der Behörden sich zur Verabschiedung eingesunden hatten. Berlin, 1.Oktober. Dem „Berl.Lokalanz." wird aus Kissingen gemeldet: Die Kräfte deS Fürsten Bismarck haben sich bedeutend gehoben, nur ist eine Schwäche des rechten Armes, in folge des während der letzten Krankheit wieder ausgetretenen Nervenleidens, zurückgeblieben. Pro fessor Schweninger, der vorgestern hier wieder eingetroffen ist, hat sich über das Aussehen deS Fürsten sehr erfreut ausgesprochen und hält eine baldige Abreise für ganz unbedenklich. Dem Alt reichskanzler sällt, nach Mittheilungcn aus seiner Umgebung, der Abschied von Kissingen schwer, doch wird die Abreise vermuthlich in den nächsten Tagen erfolgen. Straßburg, 28. September. Die reichs ländischen Eisenbahnen sichren ebenfalls ab 1. Okt. zehn Tage giltige RücksahrtSkarten ein. "HVinburg, 30. September. In 15 Ver sammlungen haben 20,000 Hamburger Ein wohner beschlossen, dem Senat eine Resolution zu unterbreiten, in welcher eine demokratische Neugestaltung des ganzen Staatswesens auf Grund des allgemeinen gleichen und direkten und geheimen Wahlrechts geiordert wird. Berlin, 1. Oktober. Dem Abgeordneten Ahlwardt ist, wie die „Staatsb. Ztg." ver nimmt, gestern die Aufforderung znm Antritt seiner fünfmonatigen Gesängnißstrafe aus dem vielbesprochenen Judenflintenprozeß seitens der Staatsanwaltschaft zugestellt worden. Er gedenkt ihr in der nächsten Woche zu folgen. Madrid, 30. September. Der Urheber des Attentats gegen den Marschall Martinez CampoS, Pallas, ist zum Tode verurtheilt worden und wird, wie man glaubt, am Montag füsilirt werden. London, 30. September. Wie sich der „Standard" auö Odessa melden läßt, sollen sich auf Einladung Rußlands 50,000 Griechen als russische Uuterthauen in verschiedenen Theilen der Küsten deS Schwarzen Meeres ansiedeln, um sür den Seehandel thätig zu sein. Den Ansiedlern sollen Terrains zur Niederlassung angewiesen werden. New-Aork, 30. September. Nach hier vorliegenden Privatmeldungen sind durch daS Bombardement von Rio de Janeiro zahlreiche Civilpersonen getödtet und viele Gebäude zerstört worden. Sachsen. Se. Majestät König Albert begab sich am Sonntag mit dem Kaiser Franz Joseph zu den steierischen Jagden. Dresden, 2. Oktober. Ihre Majestät die Königin sind heute Vormittag in München eingetroffeu und werden voraussichtlich morgen, Dienstag, Nachmittag zum Besuche Ihrer König!. Hoheit der verwittweten Frau Fürstin von Hohenzollern nach Umkirch im BreiSgau reisen. Se. Königl. Hoheit Prinz Friedrich August begiebt sich am 5. Oktober nach Berlin, um mit mehreren Commandeuren sächsischer Regimenter in Spandau an dem SchießcursuS für Stabs offiziere theilzu nehmen. 18VS.^ Se. Majestät der König hat den Präsidenten- des OberlandrSgerichtS Degner, den LandeSge- richtsdirektor P u s ch in Leipzig und den Landgerichts rath Lippert in Chemnitz ihrem Ansuchen gemäß unter Belassung des Titels und Ränges in den Ruhestand versetzt, den LandgerichtSrath vr. Danz in Leipzig seinem Ansuchen gemäß aus dem Staatsdienste entlassen, den Senatspräsiden- ten beim Oberlandesgerichte Werner zum Präsidenten dieses Gerichts, den Landgerichts präsidenten vr. Schreber in Freiberg zum Senatspräsidenten beim Oberlandesgerichte, den OberlandesgerichtSrath Oberjustizrath vr. Müller zum Präsidenten des Landgerichts Freiberg, den Landgerichtsdirektor v. Kyaw in Dresden zum Präsidenten des Landgerichts Bautzen, den Land gerichtSrath Ortenstein in Leipzig zum Ober- landeSgerichtsrathe, die Landgerichtsräthe Brühl und Wolf in Dresden zu Landgerichtsdirektoren beim Landgerichte Zwickau, den LandgerichtSrath vr. Hagemann in Dresden zum Landgerichts direktor beim Landgerichte Bautzen, den Amts- gerichtSrath vr. Thost in Dresden zum Land- gerichtsrathe beim Landgericht Dresden, den Staatsanwalt vr. Nagel in Leipzig zum Land- gerichtSrathe beim Landgerichte Leipzig, den Land gerichtSrath Burkhardt in Leipzig zum Amts richter beim Amtsgerichte Neustadt, den Amts richter vr. Kaltschmidt in Leipzig zum Land- gerichtSrathe beim Landgerichte Leipzig, den Rechtsanwalt Reinhard in Stollberg zum Landrichter beim Landgerichte Freiberg, den Assessor charakterisirten Staatsanwalt vr. Traut in Leipzig zum StaatSanwalte beim Landgerichte Leipzig, den Assessor charakterisirten Staatsan walt Wohlfahrt in Chemnitz zum Landrichter beim Landgerichte Chemnitz, den Assessor Spittel in Leipzig zum Amtsrichter beim Amtsgerichte Leipzig, den Assessor Bierling in Großschönau zum Amtsrichter beim Amtsgerichte Chemnitz, den Assessor Schumann in Dresden zum Landrichter beim Landgerichte Dresden, den Assessor v. Weber in Nossen zum Amtsrichter beim Amtsgerichte Schwarzenberg, den Assessor vr. Meißner in Stollberg zum Amtsrichter beim Amtsgerichte Stollberg und den Assessor Schulze in Dresden zum Landrichter beim Landgerichte Dresden er nannt, die Versetzung des Landgerichtsdirektors Ex «er in Bautzen an das Landgericht Dresden^ des Landgerichtsdirektors Ortmann in Zwickau an das Landgericht Leipzig, des AmtSgerichts- rathcS Marche in Neustadt an das Amtsgericht Dresden und deS LandgerichtSrathcS Wilsdorf in Plauen an daS Landgericht Dresden genehmigt und dem Hofrathe vr. weck. Adolf Berger in Leipzig beim Rücktritte von der Stelle des Gerichtsarztes für das Landgericht, die Staats anwaltschaft und das Amtsgericht Leipzig den Titel und Rang eines Obermedizinalrathes verliehen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den RegierungSrath vr. jur. Albrecht Otto Julius Steinert bei der KreiShaupt- manuschaft zu Dresden zum Amtshauptmann in Freiberg zu ernennen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Hilfsarbeiter bei der Kreishaupt mannschaft Zwickau, RegierungSrath vr. Carl Constantin Hempel, zum AmtShauptmann in Glauchau zu ernennen. Bischofswerda, 3. Oktober. Heute Vor mittag sand die feierliche Verpflichtung und Ein weisung unseres Herrn Bürgermeister vr. Lange im Sitzungssaale der Stadtverordneten durch Herrn OberregierungSrath vr. Klotz aus Bautzen als Vertreter der Königl. Staatsregierung statt. Vollzählig hatten sich die beiden städtischen Kollegien und die städtische Beamtenschaft, sowie eine große Anzahl Bürger eiugefunden. Nach mittags findet zu Ehren des Herrn Bürgermeister vr. Lange Festtafel im Hotel zur goldnen Sonne statt und Abends Kommers im Saale des SchützcnhauseS. Eine Gesangs-Ausführung deS hiesigen Männergesangvereins „Liedertafel" und des Militärgesangvereins unter Fackelbe leuchtung leiteten gestern Abend unter regster Theilnahme der Bürger- und Einwohnerschaft den feierlichen Aktus ein. Ausführlich berichten wir in nächster Nummer. Bischofswerda, 2. Oktober. Vergangenen Sonntag früh halb 2 Uhr verkündeten Alarm signale der freiwilligen Feuerwehr, sowie Stürmen mit der Glocke Feuer in der Vorstadt. ES brannte ein Schuppen und Trockengebäude der Lorenz'schen Ziegelei. Nur dem energischen schnellen Eingreifen der GeißmannSdorfer, Ramme nauer und der hiesigen Feuerwehren ist eS zu verdanken, daß das Feuer keine größeren Dimen sionen annahm. Obschon der Giebel des nahe stehenden Wohnhauses mehrere Male Feuer ge fangen hatte, konnte eS dennoch erhalten bleiben^