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8«. Der sächsische Erzähler. Seite rr. 18SS. von seinem Vater oder Vormund, persönlich bei dem für seinen Aufenthaltsort zuständigen Bezirks-Kommando oder bei dem Kommandeur der Unter offizier-Vorschule bis zum 15. August dieses Jahres vorzustellen und hierbei folgende Papiere vorzulegen. a) den Geburts- und Taufschein, " d) den Konfirmationsschein, o) ein Führungsattest von der betreffenden Ortsobrigkeit, ä) die Führungsatteste von den bisherigen Brot- oder Lehrherren, o) alle Schulentlassungszeugnisse, t) den Wiederimpfschein, ss) bei bevormundeten Aspiranten die schriftliche Einwilligung der ObervormundschastS-Behörde. U Nicht sächsische Aspiranten melden sich beim nächstgelegenen sächsischen Bezirks-Kommando an. Die Aufnahme in die Unteroffizier-Vorschule verpflichtet den Betreffende» zum Uebertritt in die Unteroffizierschule unter Uebernahme einer Dienstverpflichtung von 4 Jahren in» aktiven Heere nach Verlassen derselben. Außerdem ist er verpflichtet, für jeden vollen oder auch nur begonnenen Monat des Aufenthalts in der Vorschule im Anschluß an die für die Unterosfizierschule übernommene Dienstverpflichtung 2 Monate Über die gesetzliche Dienstpflicht hinaus im aktiven Heere zu dienen. Die Aufzunehmenden dürfen in der Regel nicht unter 15 und nicht über 16 Jahre alt sein. Nach einem 2jährigen Aufenthalt in der Vorschule erfolgt in der Regel die Versetzung der Vorschüler in die Unterosfizierschule. Sie werden damit Unterosfizierschüler und gehören als solche zu den Militärpersonen des Friedensstandes. Der Aufenthalt in der Unterosfizierschule dauert in der Regel ebenfalls 2 Jahre. Für diejenigen jungen Leute, welche ausnahmsweise unmittelbar in die Unterosfizierschule eingestellt werden, gilt noch das Nachstehende:. Der in die Unterosfizierschule Einzustellende muß mindestens 17 Jahre alt sein, darf aber das 20. Jahr noch nicht vollendet haben. Er muß sich verpflichten, nach erfolgter Ueberweisung aus der Unterosfizierschule an einen Truppentheil noch 4 Jahre im aktiven Heere zu dienen. Wer in die Unterosfizierschule ausgenommen zu werden wünscht, hat sich bei dem Bezirks-Kommandeur seines Aufenthaltsortes oder bei dem Kommandeur der Unterosfizierschule unter Vorzeigung eines von dem Civilvorsitzcnden der Ersatz-Kommission seines Aushebungsbezirks aus gestellten Meldescheins und einer amtlichen Bescheinigung über die bisherige Beschäftigungsweise persönlich zu melden. Die sowohl in die Unteroffizier-Vorschule als auch in die Unterosfizierschule Einberufenen müssen mit 1 Paar Stiefeln, 1 Paar Haus schuhen, 2 Hemden und mit 6 Mark zur Beschaffung des erforderlichen Putzzeuges versehen sein. Vas zum Lebensunterhalt Nothwendige wird den Vorschülern unentgeltlich gewährt. Ebenso ist die Ausbildung auf der Unteroffizier- Vorschule kostenfrei. Die Ausbildung auf der Unterosfizierschule ist ebenfalls kostenfrei. Die Unterosfizierschüler werden bekleidet und verpflegt wie jeder Soldat des aktiven Heeres. Bautzen, am 10. Juli 1893. Königliches Bezirks-Kommando Erledigt ist die unter Collatur deS Königlichen Ministeriums des CultuS und öffentlichen Unterrichts stehende Kirchschulstclle zu Rammenau. Das Einkommen derselben besteht außer Amtswohnung mit Gartengenuß und den etwaigen Alterszulagen in 1000 Mark katastermäßigem Gehalt vom Schuldienste und 874 Mark 39 Pfg. vom Kirchendienste (vorbehaltlich einer späteren Kürzung desselben durch Abtrennung des Glöcknerdienstes). Gesuche sind mit den gesetzlichen Beilagen bis zum 31. Juli d. I. an den Unterzeichneten einzusenden. Bautzen, den 12. Juli 1893. Der Königliche Bezirksschulinspektor. Schulrat Rabitz.V. Schimpfereien auf Sachsen. Wenn ein Strom über seine Ufer gefluthet war, dann wird noch durch lange Zeit eine un angenehme Feuchtigkeit, dann werden Tümpel und Pfützen hieran gemahnen. Nachdem in der Wahlzeit die politische Leidenschaft die schützenden Dämme vielfach durchbrochen hat, darf cS nicht wundern, wenn auch noch hier und da sich Pfützen vörfinden. In diese Klasse unwillkommener Er innerungszeichen gehört eS, wenn sich jetzt die einzelnen Parteien grollend die Wahlrcchnungen unter die ehrwürdigen Nasen halten, um sich gegenseitig mangelhafte Unterstützung bei den Stichwahlen vorzuwersen, oder um an der Hand willkürlich addirter Zahlen sich noch irgendwelche „moralische" Siege dort herauszurechnen, wo der „thatsächliche" Sieg nur eine kata Zlorgana war. Zu diesen fatalen und im natürlichen und über tragenen Sinne nicht ganz geruchlosen Erinnerungs zeichen an die Wahlübcrschwemmung gehören auch die in den meisten Berliner Blättern immer wieder cmportauchenden, öden Schimpfereien aus Sachsen und seine Bewohner. DaS „Berliner Tageblatt" und seine Gesinnungsfreunde mag ja ungestört die Schale des Zornes ausgießen, denn man ist nachgerade daran gewöhnt, daß man in der Reichshauptstadt sich für unfehlbar und alle anderen Bewohner unseres lieben Deutschlands für eine Sippe von Hausknechten oder Nacht wächtern hält und mit souveränem Dünkel unS „Provinzlern" die Köpfe vom Spargel abbeißt. Man ist daran gewöhnt, daß die Herren Berliner sich gcbcrden, als würde an den Ufern der Spree und der Panke unsere Geschichte gemacht, und man hat in den letzten Jahren wiederholt erlebt, daß selbst leitende Staatsmänner auf diesen Leim gingen und das, was man in Berlin sagte und schrieb, als den Gesinnungsausdruck des ganzen Reiches betrachtete. Daher die vielen Irr- thümer, daher der so häufig wiederholte und zu Recht bestehende Vorwurf, daß die Regie rung nicht genügende Fühlung mit der Nation und nicht genügende Kenntniß der Volks st immung besitze. Gerade die Berliner Presse — Ausnahmen bestätigen die Regel — hat wiederholt die Rolle der Jsolirplatten ge spielt, die den elektrischen Funken »«fühlbar machte. Man könnte, wie gesagt, über all diese Dinge zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht eben die Gefahr vorhanden wäre, daß die wahre Stimmung „in der Provinz" auch in Zukunft in den höheren Regionen unbekannt und damit die Wahrscheinlichkeit gröblicher Fehler erhalten bliebe. Man wird von Sachsen aus um so größeren Grund zu energischer Zurückweisung besitzen, wenn ein Blatt vvn dem einstigen An sehen der „Köln. Ztg." mit in die löcherige Trompete der Berliner Blätter stößt und diesem Instrumente Töne entlockt, die das Ohr jedes Sachsen auf daSEmpfindlichstebeleidigen müssen. Den Anlaß zu dem Schimpskonzcrt bilden natür lich die Wahlen. Man kann ja zugeben, daß man sich aus der Erde etwas Schöneres vor stellen kann, als den AuSgang der sächsischen ReichStagscampagne, namentlich soweit es sich um unsere industricrcichsten Gegenden um Chemnitz, Zwickau und Glauchau handelt; man könnte viel leicht auch wünschen, daß der Kampf an den verschiedensten Ecken und Enden weniger ver letzend geführt worden wäre: das ist aber kein Spezialleiden Sachsens, daS findet sich überall. Wenn aber das Kölnische Weltblättchen sich er dreistet, seinen Commentar zu den sächsischen Wahlen mit den Worten einzulciten: „Die Masse der sächsischen Reichstagswähler ist politisch un reif, die viclgerühmtc Gntmüthigkeit undGemüth- lichkeit ist in Wirklichkeit nur eine Abart von Charakterschwäche," wenn ferner aus dem Aus fall unserer Wahlen der Schluß gezogen wird, daß in Sachsen „die breitesten Schichten von Unzufriedenheit, Neid und Mißgunst tief zer fressen sind", so ist das, gelinde gesagt, eine Unverschämtheit, die auch dadurch nicht gemildert wird, daß dieselbe „Kölnische Zeitung" unserem ehrwürdigen Bismarck uachries, er lause „polternd und nörgelnd hinter dem Reichswagen her." Und cS heißt direkt die Wahrheit auf den Kops stellen, wenn unter einem Hinweis auf die „selbst zufriedene Gemüthlichkeit, Vie ihren Kops in den Leipziger Sand steckt und dann jede politische Gegnerschaft beseitigt glaubt", als Grundursache deS Wahlausfalles „politische Unklarheit und Streberthum" hingestellt wird. Ist es nicht gerade zu toll, die sozialistischen oder die anti semitischen Wahlen als Zeichen von — Streber thum hinzustellen? Und ist eS nicht ebenso toll, den nationalen Wählern eines Landes, daS, wie kein anderes, dem gestürzten Bismarck die Treue hält, das, wie kein anderes, den nationalen Funken, wie ein heiliges Vesta-Feuer, nährt und pflegt, eben diesen Vorwurf des Streberthums zu machen? Nein, die Rolle der Rosenkranz und Güldenstern, die Rolle der Leute, die auf höheren Wunsch ein Wiesel für ein Kameel und ein Kameel für ein Wiesel halten, diese Rolle wird hier zu Lande nicht gespielt, die mögen die Inspiratoren der „Kölnischen Zeitung" für sich behalten! Es ist seltsam genug, daß man. in Preußen fo wenig Verständniß für die großen Bewegungen besitzt, die jetzt durch das Volk gehen. Man ver schließt förmlich krampfhaft dagegen die Augen, daß die letzten Wählen, ob eS sich um Sozial demokraten oder um Kandidaten deS Bundes der Lanbwirthe, oder um Antisemiten handelt, eine ganz gewaltige Unzufriedenheit politischer und wirthschastlichcr Natur zum Ausdruck brachten, daß, um ein Beispiel herauszugreisen, mit den Antisemiten nicht etwa nur solche Leute stimmten, die zu jedem Frühstück einen Juden verspeisen möchten, sondern zahllose Andere, die einmal nach Oben hin zeigen wollen, wo Barthel den Most holt. Da ist nicht von Neid und Mißgunst die Rede, sondern von Instinkten, die weder mit Ge ¬ waltmitteln, noch mit hämischen Schimpfereien zurückgedrängt werden können, deren Natur man genau studircu muß, wenn anders man helfen und heilen will. Und blickt man eben etwas tiefer am den Grund, sieht man, wie massenhaft die alten Gefolgsleute der Conservative», die Handwerker, die kleinen Gewerbetreibenden, die Beamten, daS LehnSverhältniß auskündigten und in das Lager einer wie immer gearteten Oppo sition hinüberschwenkten, dann wird man den Wahlansfall nicht sowohl auf die „Mißgunst und den Neid der Wähler" zurückschieben dürfen, sondern auf eine Politik, die mit Naturnoth- wendigkeit die Mutter solcher Erscheinungen werden mußte. Nur wo cS gebrannt hat, findet man Asche, und nur wo Feuer ist, steigt der Rauch empor. In einem Lande, wo die Wahlen, wie in Sachsen, vollkommen frei sind, da bildet der Wahlausfall stets den adäquaten Ausdruck der wirklich herrschenden Stimmung. Und diese Stimmung wird nicht gebessert dadurch, daß man die Unzufriedenen als dumme und neidische Kerls bezeichnet! Die „Köln. Ztg." glaubt einen Trumpf da mit auSzuspiclen, daß sie die Wahl von sieben Sozialdemokraten in Sachsen für einen Beweis der hier zu Lande herrschenden angeblichen Ver blödung betrachtet. Nun, darauf möchten wir dem ehrenwcrthen Blatt doch einige Zeilen ins Album schreiben: Wie steht es denn in Köln? Da ringen mit einander die Sozialdemokraten und die Ultramontanen um die Palme. Ist das ein Zeichen hervorragender poli tischer Reise? Berlin, die vielgepriesene Stadt der Spree-Intelligenz, sendet fünf Sozialisten und den freisinnigen Greis LangerhanS in den Reichstag! Leipzig dagegen und Dresden, die Centren der Bildung in Sachsen, haben weder einen ultramontanen, noch einen sozialistischen Vorkämpfer in das Parlament geschickt! Und während in Berlin und dort, wo die Berliner Presse mit ihrem Singsang hinreicht, die Stimmen- und Mandatzahl der Sozialisten gewaltig zuge nommen hat, haben wir Sachsen in dem neuen Reichstage nicht einen einzigen Vertreter dieser Partei mehr, als im früheren Reichstage, und- an mehr als einer Stelle ist eS zu konst gewesen, daß die für die Sozialde