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Lan d.t a g. Z) Dresden, 15. Dezember. Beide Kammern tagten heute. In 18. öffentlicher Sitzung der 2. Kammer, in Anwesenheit mehrerer Minister und Geheimräthe, sanden 7 Nummern Erledigung. Nach erfolgter Gültigkeitserklärung der Wahlen der Abgg. Eulitz und Goldstein, begründete in allgemeiner Vorberathung Abg. Stolle den von seinen Gesinnungsgenossen eingebrachten Antrag: „Die kgl. Staatsregierung zu ersuchen, beim BundeSrathe dahin zu wirken, daß die Zölle auf Getreide aufgehoben werden." Er gab einen Rückblick auf die Entwickelung der Schutzzölle und der Schutzzollpolitik seit 1862 und sprach eine volle Stunde lang. Minister v. Metzsch erklärte hierauf das die Tarisfrage zugleich mit den Handelsverträgen z. Z. beim Reichstage Er örterung finde und der Regierung daher ein materielles Eingehen aus den hier eingebrachtcn Antrag nicht angezcigt erscheine. Abg. Georgi bemerkte Namens der konservativen und national liberalen Parteien, daß dieselben ebenfalls Bedenken tragen, in die beim Reichstage schwebenden Ver handlungen hier einzngrcifen und daher die Be handlung des Antrages ablehnen. (Bravorufe.) Abg. Bönisch gab zu, daß durch die Zölle das Brod vcrtheuert werde, allein in Ueberzengung der Aussichtslosigkeit des eingebrachtcn Antrages, dessen Berathung sogar geeignet sein würde, der Staats-Regierung Verlegenheiten zu bereiten, stimme auch seine Partei gegen die Verhandlung. Ein Debatteschlußantrag des Abg. v. Ochlschlägel sand Annahme und nahm Abg. Geier Gelegen heit, im Schlußwort den Antrag erneut zu ver treten und den Gegnern die etwaige Herbei führung von Nothständen — Hungertyphus herrsche bereits im Erzgebirge — sür den Fall der Ablehnung zur Last zu legen. Minister von Metzsch nahm hiergegen Veranlassung, auf das Bestimmteste zu erklären, daß der kgl. Staatsregierung von Auftreten des Hungertyphus im Lande nichts bekannt sei. ES sei nöthig, dies zu erklären, damit nicht erschreckende Gerüchte in das Publikum dringen. Er forderte den Vor redner aus, Beweise für seine Aeußernngcn zu bringen und seine Quellen anzugcbcu. Abg. Geier wollte solche Gerüchte in Tageszeitungen gelesen haben. Der Antrag Colditz und Genossen fand sodann gegen 11 Stimmen Ablehnung. Zur Schlußberathuug standen sodann 6 Vor lagen (Berichte der Finanzdeputation über eine Anzahl Etattitel deS außerordentlichen Staatsbudgets), welche sämmtlich, gemäß der DeputationSgutachte», im Einklänge mit den Einstellungen der Staatsregierung, nach G.ehör der Referenten Schickert, Wehner und Werner, ohne beeinflussende wesentliche Debatte nach der Vorlage Genehmigung fanden. Diese Genehmi gungen erstreckten sich auf die Einstellungen in Titel 43 für Lokomotiven und Wagenbeschaffnng 3,188,800 Mk.; Titel 45 sür weitere Ein legung von Luftdruckbremsen 661,000 Mk.; Tit. 46 zum Bau von 63 Heizhausständen 525,000 Mark; Tit. 2 als zweite Rate zum Bau einer vierten Elbbrncke in Dresden 333,300 Mark; Tit. 42 zu Ausführung reichsgesetzlichcr Sicher heitsvorschriften 1000 Mk.; Tit. 7 zu Er weiterung der Station Niederschlema 570,000 Mk.; Tit. 23 für Station Zwota 149,600 Mk.; Tit. 28 für die Station Treuen 51,400 Mk; Tit. 5 Umbau des Bahnhofes Gößnitz 709,000 Mk; Tit. 21 Erweiterung des Bahnhofs Zschopau 160,000 Mk.; Tit. 37 Herstellungen in Neitzen- hain-Bahnhof 45,000 Mk.; Tit. 35 dcsgl. Wcrk- stättenbahnhof Chemnitz 124,000 Mk; Tit. 47 Erweiterungen der Werkstätten in Chemnitz 817,000 Mk. Sitzungsschluß 12^ Uhr. — In der von 12 bis 12^ Uhr stattfindenden heutigen 6. ordentl. Sitzung der Ersten Kammer gab zu Beginn der Präsident Exzell. Graf Könneritz dem Bedauern über daS Mißgeschick Sr. kgl. Hoheit des Prinzen Georg (Sturz vom Pferde und Bruch des Schlüsselbeines auf linker Seite) Ausdruck. Neuesten Nachrichten zufolge ist der Bruch ein leichter, das Befinden ein nor males, so daß zu erhoffen steht, Se. kgl. Hoheit bald wieder in der Kammer begrüßen zu können. Exzll. v. Zehmen berichtete über den durch kgl. Dekret 11 vorgelegten Gesetzentwurf über die Aushebung der Befreiung der Geistlichen und Lehrer von persönlichen Anlagen für Kirchen zwecke. Die Kammer genehmigte die Vorlage nach kurzen Worten beifälliger Erläuterung von Seiten des OberhospredigerS vr. Meier. Mit- Bed Boltz berichtete über die laut königlichen Dekret- M mikgetheilte summarische Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben beim Domainen- fonds 1889 und 1890. Er beantragt«: „sich mit den vorgenommrnen Veränderungen (der Fondszubehörungen) einverstanden zu erklären bez. soweit nöthig, Genehmigung zu ertheilen." Ohne Debatte beschloß die Kammer demgemäß. O Dresden, 16. Dez. Die Erste Kammer erledigte heute von 12 Uhr an in halbstündiger Sitzung, in theilweiser Gegenwart des Ministers v. Metzsch, ohne Debatte, gemäß der Anträge ihrer vierten Deputation drei auf der Tages ordnung stehende Punkte. Dieselben betrafen Petitionen und blieben sämmtlich auf sich beruhen. Zuerst berichtete Referent Kuntze über die Petition des Laternenwärters Reichardt in Leipzig, eines kränklichen Mannes, dessen Gesuche die Kammer bereits wiederholt vergeblich beschäftigt haben. Das Gesuch und die Verhältnisse erscheinen nicht dazu angethan, eine Staatsuntersttttznng fortlaufender Art oder eine Anstellung vermitteln zu können, lieber die Petition des sächs. Gast- wirthsverbandes, dahin wirken zu wollen, daß künftighin die Lokalbehördcn — insbesondere war die Stadtbehörde Leipzig namhaft gemacht, — davon Abstand nehmen, bei Ausstellung von Führungszeugnissen sür Gastwirthe auch Vermerke anzubringen über verbüßte Polizeistrasen, berich tete Referent Reich. Da GastwirthschaftSbetriebe nnter besondere Genehmigung und event. Nus sichtführung fallen, konnte der Petition keine Be fürwortung zu Theil werden, vr. v. Wächter berichtete über das Gesuch deS Militärinvaliden Strnbelt in Neusellerhausen um Erhöhung seiner Pension. Das dem Reiche unterstehende Pcn- sionswesen unterliegt nicht der Kompetenz der Kammer, bez. diese hat keinen Einfluß in dieser Beziehung. Das Gesuch blieb aus diesem Grunde unberücksichtigt. O Dresden, 17. Dezember. Zweite Kammer 19. öffentliche Sitzung Vormittags 10 bis halb 12 Uhr. Anwesend 3 Minister und 5 Geheimräthe. Aus der vorgetragenen Regi- strande ist ein Antrag des Abg. I)r. Mehnert, betr. das Mandat des Abg. Liebknecht, hervor zuheben. Der Letztere soll, wie wir von anderer Seite vernehmen, seinen dauernden Wohnsitz in Berlin haben und nicht mehr sächsischer Staats bürger sein. In die Tagesordnung eingctreten, gelangte der einzige Verhandlungspunkt: „das königliche Dekret 31, betreffend den Bau mehrerer Sekundäreisenbahnen", zur allgemeinen Vorbe rathung. In der allgemeinen Debatte bedauerte Abg. Borger, daß die Linie Trebsen-Beucha nicht mit vorgelegt, sondern erst für nächste Finanz periode in Aussicht genommen worden sei. Abg. May findet die, beim letzten Landtage gegebene Znsicherung vom Ministertische, daß durch die Aufwendungen für die Dresdner Bahnhofsum bauten der Weiterbau anderer Strecken im Lande keinen Ausschub erleiden werde, nicht allenthalben erfüllt. Von 11 zur Erwägung gestellten Pro jekten seien nur 4 in der Vorlage vorbereitet und noch zwei andere für diese Session in Aussicht gestellt worden. Insbesondere wendete er sich gegen das an erste Stelle gesetzte Projekt der Chemnitzthalbahn, welche eine vollständigcParallel- bahn der Linie Chemnitz-Burgstädt-Geithain bilde und von dieser allenthalben nur eine halbe Stunde entfernt liege. Er beantragte die Ueberweisung der Vorlage zur Berichterstattung an die Finanzdeputa tion L. Abg. Philipp sprach sich ebenfalls gegen die Bevorzugung dergewiß nichtso dringlichen Chemnitz- thalbahn aus. Die Ausschließung anderer Landes- theile, er nannte Hohnstein, Schönfeld, erscheine ihm weit wichtiger. Abg. v. Polenz beleuchtete, daß das vorgelegte Projektpensum mit Anerken nung zu begrüßen sei. Die Staatsregierung habe ihr Wort vollkommen eingelöst, und sei das Fortschreiten der Bahnbauten in stetigem gemäßig tem Tempo nur anzuerkennen. Die Deputation werde überdies über die PrioritätSsrage der Einzelprojekte zunächst zu befinde» haben. Zu I (Chemnitzthalbahn) erklärte Abg. Wehner, daß er gegen diese Parallelbahn sich ausspreche und nicht für dieselbe stimmen werde. Abg. Eiche empfahl dieselbe dem Wohlwollen der Deputation. Zu II (Olbernhau-Neuhausen) gab Abg. von Ochlschlägel seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Linie auf Normalspur geplant sei und em pfahl den Anschluß von Sayda znr Berücksichti gung. Bei III (Pirna-Dohna-Großcotta) dankte Abg. Frenzel Namens seines Wahlkreises. Zu IV. (Reichenbach-Mylau-Oberreichenbach) ergriff Abg. Opitz das Wort. Er dankte fürda« Wohl wollen für Mylau, bedauerte aber die in'S Auge gefaßte Planung, durch welche der nur 20 bis 25 Minuten entfernte Bahnhof Reichenbach, erst auf Umwegen, mit Aufwand von etwa 1 Stunde Zeit erreicht werde. Man hätte gar wohl die Thallinie wählen und diese bis Lengefeld fort führen können. Abg. Georgi würdigte die Schwierigkeit der Uahnleaung und dankte Namens der, Ätaht Reichenbach für. da» Projekt, durch welches die unlere Stadt mit dem Hauptbahn hofe in Verbindung gebracht werde. Er sprach sich auch sür Weiterführung bi» Lengefeld aus und empfahl die Linie dem Wohlwollen der Deputation. Abg. Speck sprach sich ebenfalls sür den Anschluß der Stadt Lengefeld aus.. Minister v. Thümmel nahm die Staatsregierung gegenüber dem Abg. May in Schutz. Er glaubte,, annehmen zu können, daß sich die kundgegebenen Widersprüche innerhalb der Deputation nach Vorlegung der Pläne ausgleichen würden. Sachsen sei im Ausbau seine» Eisenbahnnetzes anderen Staaten eher voraus, billige Wünsche fänden jederzeit Berücksichtigung, doch vermöge man allen diesbezüglichen Anforderungen nur nach und nach zu entsprechen. Die Staatsregierung habe darauf Rücksicht zu nehmen, daß die neuen Linien auch lebensfähig sind und sich rentiren. Die ange fochtene Chemnitzthalbahn verspreche z. B. diese nöthige Rentabilität. Die Linie IV sei anders zu legen nicht möglich gewesen und glaube er nicht, daß man durch abfällige Urtheile diese Linie in Frage stellen wolle. Abg. May ent gegnete dem Vorredner, daß er dessen Hoffnung auf Rentabilität der Chemnitzthalbahn nicht theile. Die Herstellung derselben (128,000 Mark pro Kilometer) sei kostspieliger als jede andere sächsi sche Sekundärbahnanlage. Die Vorlage wurde hieraus einstimmig an die beantragte Deputatiou überwiese». Die Finanzdeputation L der Zweiten Kammer wird der Kammer die infolge der beabsichtigten Gehaltsaufbesserung der Hosbcamten beantragte Erhöhung der Königlichen Zivilliste um 202,300 Mk. auf 3,142,300 Mk. ohne Erinnerung zur Bewilligung empfehlen, ebenso die Apanagen und EtablirungSgelder für Sc. Königliche Hoheit den Prinzen Friedrich August und für die übrigen Mitglieder des Königlichen Hauses. Die Erhöhung der Gehalte der Hosbeamten ist genau nach dem bei den Staatsbeamten befolgten Modus geregelt. Deutsches Reich. Dresden, 16. Dezember. Ihre Majestät die Königin haben in der vergangenen Nacht ruhig geschlafen. In den Abendstunden war noch etwas Fieber vorhanden. Der Appetit ist gering, im Allgemeinen aber der Zustand befriedigend. — Nachdem Se. König!. Hoheit der Prinz Georg, Herzog zn Sachsen, den gestrigen Tag außerhalb deö Bettes zugebracht hatte, war die Nacht wesentlich besser und fühlt sich Höchstder- sclbc heute schmerzfrei. Dresden, 17. Dez. Das Befinden Seiner Königl. Hoheit deS Prinzen Georg hat sich der artig gebessert, daß seit heute keine Bulletins mehr ausgegeben werden. Dresden, 18. Dezember. (Telegramm des „sächsischen Erzählers".) Wegen plötzlicher Er krankung Ihrer Kgl. Kaiser!. Hoheit der Prinzessin Louise mußte heute die beabsichtigte Reise nach Berlin zum Kaiserpaar aufgegeben werden. ^V. Bischofswerda. Seit dem Jahre 1886 halten die zur Radeberg - Bischofswerdaer Con- sercnz vereinigten 16 Geistlichen alljährlich eine Versammlung mit den Lehrern dieses Bezirks, in- welcher Vorträge über Gegenstände, die beide Theile gleichmäßig intercssiren, gehalten und besprochen werden. Die am vergangenen Montag, den 14.d.M., im Saale der Herberge zur Heimath abgehaltene Versammlung war von 11 Geistlichen und 44 Lehrern anS Stadt und Land besucht. Herr Organist Stecher hielt den Vortrag über „das Orgclspiel im evangelischen Gottesdienst nach seiner Bedeutung und seiner Ausführung". All gemeines Bravo und Händeklatschen lohnte dem Vortragenden für seinen meisterhaften, form vollendeten, inhaltreichen und anregenden Vortrag, der zu einer sehr lebendigen Aussprache der Er fahrungen, Wünschen und Meinungen der An wesenden Veranlassung gab. Allgemein war der Wunsch, daß als eine Frucht dieser Conferenz eine Anregung in den Gemeinden hervorgehen möge, an Stelle der alten, rasselnden und quie kenden Orgeln, wie sie in einzelnen Kirchen sich noch vorfinden, neue Werke zu schaffen, die der Bezeichnung der Orgel als der „Königin der Instrumente" würdig sind. Als ein solche« Werk führte nach dem Vortrage Herr Organist Stecher die von Eule gebaute herrliche Orgel unserer Lauptkirche vor, indem er zur Erläuterung de in seinem Bortrage Gesagten 3 Orgelvorträge hielt: 1) H-moU, kräluäium von Joh. Sebastian Bach. 2) ^Uvzrvtto vor» Gustav Merkel. 3) Schlußsatz aus der I. OrMouata vou Mevdel»- sohn-Bartholdy. Hochbefriedigt und gleichzeitig, erbaut verließ di« Versammlun- daS Gotteshaus- erfM v« dem Gch«-rn: Glücklich di " Der sächsische Erzähler. Gelte » 18V1.