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siege der Antisemiten, theils durch die Sonder» strllung der extremen „Deutschnationalen", die bekanntlich von dem deutsch-czechischen Ausgleich nicht- wissen wollen. Dennoch hat man in den drutschliberalen Kreisen nicht nur keine Ursache zur Entmuthigung, sondern darf mit günstigen Erwartungen der Zukunft rntgegensehen. So start ist allerdings die deutschliberale Partei nicht, um die Herrschaft in Anspruch zu nehmen. ES wäre auch ein Fehler, wenn, sie dies wollte, und nicht vorziehen würde, die günstige Lage für die künftige Wiederherstellung ihres Ueber- gewichteS klug vorzubereiten, sich jetzt aber mit der Wiedererlangung bestimmenden Einflusses zu begnügen. Einen solchen wird die deutsch-liberale Partei unter allen Umständen ausüben. DaS zweite Ergebniß der Wahlen ist die fast völlige Aufreibung der Altczechcn durch die deutsch feindlichen, revolutionären Jungczcchen. Die Niederlage der Altczechen in Böhmen, die gerade zu eklatant, ist um deswillen zu beklagen, weil daS jungczechische Element den nationalen Kampf bis aufs Messer repräsentirt. In Mähren haben sich die Altczechen besser zu behaupten vermocht, doch werden sich die traurigen Ueber- reste der ehemals einflußreichen Partei kaum zu einer Halbwegs beachtenswerthen Fraktion zu» sammenschließen können. Angesichts dieses fast völligen Verschwindens der Altczechen und der Uebcrmacht der jungczechischen Bewegung, die jeden Ausgleich ausschließt, sowie angesichts des Vordrängens der klerikalen und anderen extremen Elemente ist das Kabinet Taaffe in großer Ver legenheit, da alle Welt einen solchen Wahlaus fall als die entschiedenste Niederlage der zwölf jährigen Regierung Taaffe's erklärt. Es ist nicht zu bestreiten, daß das erste Auftrcten des neuen italienischen KabinetS mit Rudini an der Spitze nicht ohne Erfolg gewesen ist. Die gefürchtete erste Sitzung ist für das neue Ministerium ziemlich glücklich ver laufen. In dieser Sitzung wurde die Absicht des bisherigen Präsidenten Manchen mitgetheilt, daß er sein Amt niederlegen wolle. Marchese di Rudini bat die Kammer, das Entlassungsgesuch Biancheri's nicht zu genehmigen. Es sollte dieses Begehren eine Kraftprobe herbeiführen, und das Ministerium wollte daraus ersehen, wie stark seine Anhänger in der Kammer seien und ob es auf die Mehrheit rechnen könne. Diese Absicht des Ministerpräsidenten ist nicht ganz verwirklicht worden, denn da die Kammer fast einstimmig sich gegen den Rücktritt des von allen Parteien geachteten und geschätzten Manchen aussprach, so muß wohl die Opposition mit den Anhängern des Kabinets gestimmt haben. Gleich darauf eröffnete allerdings der frühere Justiz minister Zanardelli den Angriff auf die Regierung, allein er war nicht sehr glücklich. Der Finanz plan Luzzati's nach welchem 74 Millionen erspart werden sollen, machte einen günstigen Eindruck, namentlich weil die Kammer aus ihm entnahm, daß es der Regierung Ernst ist mit ihrer Er- sparnißpolitik. Das ist eben die Stärke deS jetzigen Kabinets, daß sie das wichtige Ersparniß- programm mit der Kammer gemeinsam hat. Auch der Angriff bezüglich der auswärtigen Politik ist für die Opposition ergebnißlos ver laufen. Rudini hat seinen Standpunkt, der das Festhalten am Dreibund mit der Sorge für den allgemeinen Frieden und mit der Pflege guter Beziehungen zu Frankreich vereinigt, mit großer Wärme vertheidigt. Ob sich diese guten Absichten freilich werden vereinigen lassen, steht auf einem anderen Blatt. Hoffentlich läßt jetzt die Kammer unfruchtbare politische Debatten aus dem Spiel und giebt sowohl sich selbst wie dem Kabinet die nöthige Zeit, um die höchst dringenden sachlichen Reformarbeiten in Angriff zu nehmen. In Frankreich lebt man schnell. Kaiserin Friedrich, Deutschenhaß und Berliner Kunstaus stellung sind bereits wieder in den Hintergrund getreten, und die brennende Frage des Tages ist jetzt das vom Minister des Innern, Herrn Constans, erlassene Verbot der Wetten bei Pferderennen. DaS Verbot hat viel böses Blut gemacht, ja man sagt, es werde Herrn Constans um den Rest seiner Popularität bringen, die er sich durch sein entschiedenes Auftreten gegenüber dem BoulangismuS erworben. Es werde sich schwer rächen, daß er die Pariser in ihren Amüsements stören wolle. Jedenfalls ist die Sache nicht leicht zu nehmen. Da Minister Constans verfügt hat, daß an diesem Sonntag alle Personen, die sich an dem gewerbsmäßigen Wettspiel betheiligcn, verhaftet werden sollen, befürchtet man Unruhen. ES ist deshalb ^Militär aufgeboten worden. Eine gemüthliche Stadt, diese» Baris! Die Königin-Regentin von Spanien hat I am 2. März die KorteS mit einer Botschaft er öffnet, in welcher eine Amnestie für politische i Vergehen angekündigt wird. Im Uebrigen enthält j die Thronrede die feststehende Wendung, daß die Beziehungen des Lande» zu allen Staaten die I freundschaftlichsten sind. Betont wurde auch noch, daß die Regierung die sämmtlichen Handels verträge habe kündigen müssen, um auf neuen Grundlagen Zollabkommen mit den anderen großen Ländern zu treffen. Der Bürgerkrieg in Chile bat dem aus wärtigen Handel bereits schweren Schaden zuge fügt und die Verluste, welche den in Chile an sässigen Fremden durch die Beschießung von Jquique und anderen Städten zugefügt worden sind, lassen sich noch gar nicht übersehen. Seltsam nimmt sich unter solchen Umständen die in der New-Aork „Sun" veröffentlichte, an geblich amtliche Erklärung der Regierung des Präsidenten Balmaceda auS, daß gar keine Kämpfe stattgefunden hätten, daß die Insurgenten keine Unterstützung fänden, keine Soldaten und kein Geld hätten, weil die Regierung den „Staatsschatz" in da» Innere des Landes gebracht habe. Die rührende Rücksicht der Regierungstruppen für die Sicherheit Jquique's und ihre Rückwärts-Konzentration nach dem Inneren werden verständlich, wenn man aus einem Telegramm aus Jquique erfährt, daß die Truppen der Kongreßpartei den Platz besetzt haben, nach dem fünf Häusergevierte infolge des Bombardements nkedergebrannt und die Regiecungstruppen zurück geschlagen worden sind. Wie sehr auch die Regierung des Präsidenten Balmaceda, welche den Telegraphen bis an die argentinische Grenze beherrscht, bemüht sein mag, die Wahrheit zu verschleiern, so ist doch von nicht direkt am Streite betheiligter Seite genug bekannt geworden, um die Ansicht begründet erscheinen zu lassen, daß nicht nur die Zahl der Anhänger der Kongreßpartei viel größer ist als diejenige der Parteigänger des Präsidenten Balmaceda, sondern daß erstere auch entschiedene Erfolge über die Regierungstruppcn errungen haben. Berlin. Der Botschafter Herbette soll sich einem Sonder-Berichterstatter des „19. Siöcle" gegenüber sehr entrüstet über das Treiben der französischen Patriotenliga ausgesprochen haben. Ihr albernes Gejohl habe diesmal kein größeres Unheil angerichtet, weil man in Berlin an hoher Stelle die Ereignisse richtig und maßvoll beur- theilt habe; man möge es sich aber in Paris gesagt sein lassen, daß es gefährlich sei, mit dem Feuer zu spielen. Der Botschafter beklagte schließlich, daß die französischen Maler sich von den Schreiern einschüchtern ließen und in Berlin nicht ausstellen. Ueber einen Besuch Crispi's in Friedrichs- ruh hat, nach dem „Hamburger Korr.", Graf Herbert Bismarck nach seiner Rückkehr aus Aegypten in Rom mit Crispi die näheren Ver abredungen getroffen. Berlin, 7. März. (Reichstag.) Die Debatte über die Panzerfahrzeuge 3 und V (je 1 Million) wird fortgesetzt. Abg. Manteuffel beantragt die Bewilligung und Zurückverweisung an die Budgetkommission. Abg. Keudell ist für die Bewilligung, da nach den gestrigen Aus führungen des Reichskanzlers diese Panzer nichts anderes wären als die 1887 schon gebilligten Kanonenboote. Abg. Bennigsen erklärt sich für die Zurückverweisung an die Kommission, da die beiden Schiffe einen wesentlichen Bestandtheil des Planes von 1887 bildeten, gegen welchen ein Widerspruch nicht erhoben sei; wozu wolle man den Bau der nothwendigen Schiffe aus zwei Jahre ausschieben? Abg. Rickert ist gleichfalls für die Kommissionsverweisung, hält aber die angebotenen Abstriche für kein Aequivalent, wir haben kein Geld für eine Flotte ersten Ranges. Staatssekretär Hollmann weist die wiederholte Unterstellung zurück, als handle es sich um eine Flotte ersten Ranges. Abg. Richter ist gegen die Rückverweisung, das gestern von dem Reichs kanzler «»gebotene Aequivalent hielte er für gar keinS. Er wünscht das Tempo der Entwickelung der Marine verlangsamt und erklärt es für einen politischen Fehler, jetzt den Kommissionsbeschluß aufzuheben. Aba. Windthorst erklärt, die Er fahrung sei unerfreulich, daß nun zu dem Schuhe deS Nord-Ostsee-KanalS noch Schiffe nöthig seien; daS gebotene Aequivalent sei ungenügend. Der Verweisung an die Kommission widerspreche er nicht. Abg. Haußmann ist gegen die Ver weisung an die Kommission. Für die Kommission-» Verweisung stimmen 121, dagegen 77. Da eine Stimme zur Beschlußsähigkeit fehlt, wird die Sitzung auf Montag um 2 Uhr vertagt. Der füchfische VrzShler. Geile 8. / 18«. Berlin, 9. März. Im Reichstage wurde bei Berathung des Marine-EtatS der Antrag de» Abg. Manteuffel auf Zurückverweisung der Forderungen für die Panzerfahrzeuge 8 und U an die Kommission angenommen, für das Panzer» sahrzeug ? jedoch abgelehnt. Der Rest de» Marine-EtatS wurde debattclo» bewilligt, des gleichen eine Anzahl anderer EtatStheile. Bei dem Reichsschulden-Etat erklärt der Schatzsekretär Maltzahn, voraussichtlich werde eine Begebung neuer Anleihen nicht erfolgen, ehe nicht die letzten Einzahlungen auf die jetzt begebene Anleihe er folgt seien. Da» Kapitel „Zolleinnahmen" auS- 90/91, sowie daS Etatsgesetz mit Nachtrag und' Anleihegesetz werden bewilligt. Der Gesetzentwurf über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs, sowie daS internationale Uebereinkommen über Eisenbahnfrachtverkehr werden einer 21gliedrigen Kommission überwiesen. Morgen um 2 Uhr ge langen kleinere Vorlagen und ein Gesetzentwurf betreffend die Schutztruppe in Ostafrika zur Be rathung. Berlin, 7. März. Den „Politischen Nach richten" zufolge beschloß die hier tagende Ver sammlung der Vertreter der deutschen privaten Bergwerksindustrie eine einmüthige Erklärung, sie könnten in den von den Bergarbeitern ver schiedener Reviere Deutschlands erhobenen For derungen nur den verwerflichen Versuch erblicken, eine allgemeine Ausstandsbewegung einzuleiten. Allgemein berechtigte Forderungen der Berg arbeiter beständen derzeit nicht. Die Androhung einer Arbeitseinstellung werde die Bergwerks industrie nicht veranlassen, irgend welche Zu geständnisse zu machen. Aus Straßburg meldet das Wolff'sche Bureau, daß, sicherem Vernehmen nach, der Kaiser am Sonnabend, dem 14. d. M., hier in Berlin die mit Ueberreichung der mehrerwähnten Adresse betraute Abordnung des elsässisch-loth ringischen Landcsausschusses zu empfangen ge ruhen wird. Wien. Dem „Neuen Wiener Tageblatt" wird aus Berlin gemeldet, daß der Kaiser Wil helm am 3. August nach Wien kommen werde,, um den viertägigen Manöver» in Waldviertel beizuwohnen. Wien, 7. März. Mit den heutigen 47 Wahlen beträgt die Gesammtzahl der voll zogenen Reichsrathswahlen 275. Bisher erreichtem die Deutsch-Liberalen 85, die Deutsch-Nationalen 9j die Konservativen 29, die Jungczcchen 31, die Altczechcn 10, die Czechcn ohne Parteizugehörig keit 4, die Polen 37, die Slovenen 13, die Ruthenen 8, der Coronini-Klub 6, der böhmische konservative Großgrundbesitz 18, die Antisemiten 12, die mährische Mittelpartei 5, die Italiener 4, die Deutsch-Konservative» 2 und die Rumänen 2 Reichsraths-Mandate. Wien, 6. März. Im Städtebezirke Kolomea in Galizien wurde Rabbi Bloch mit 2128 Stimmen wiedergewählt; Graf Starzenski erhielt 1778 und Meisels 97 Stimmen. Bei der Wahl in Kolomea kam es zu argen Exzessen gegen die Juden. Ein jüdischer Wähler wurde erstochen und viele Juden erlitten Verletzungen. Die Bauern durchzogen die Straßen und mißhandel ten die Juden. Die Fenster jüdischer Wohn häuser wurden eingekchlagen und der jüdische Friedhof verwüstet. Die Läden aller jüdischen Kaufleute sind gesperrt. Lemberg. AuS Kolomea werden weitere Gewaltthaten und Plünderungen seitens aufge hetzter Bauern gemeldet. Drei Juden wurdeir erschlagen. Es sind von der Kolomeaer Behörde Truppen und die Erlaubniß zur Verhängung des Standrechtes telegraphisch erbeten worden. Im schweizerischen Kanton,Tessin hat am Sonntag die Volksabstimmung über die Re vision der Verfassung stattgefunden. Hierbei haben wieder die Liberalen eine geringe Stimmen mehrheit erhalten. Bisher sind 11,111 Stimmen für, 10,625 Stimmen gegen die Revision gezählt. Von fünf Gemeinden steht das Ergebniß noch auS, doch ist die Annahme der Revision gesichert. Paris. Verschiedene hies. Zeitungen bringen phantastische, offenbar erfundene Nachrichten aus Berlin, bezüglich eines Wechsels im Reichs kanzleramt, von der Berufung Waldersee'S, Ver handlungen mit dem Fürsten Bismarck u. s. w.. — Der hier stattfindende internationale Berg« arbeiter * Kongreß beschloß, einen allgemeinen Streik sofort zu verwirklichen, sobald ein Ein» verständniß mit den englischen, belgischen, deutschen und amerikanischen Bergarbeiter-Verbänden erzielt sein werde. Ein Weltausstand der sämmtlichen Bergarbeiter werd« einen Weltausstand aller anderen Arbeiter nach sich ziehen, da die vorhan denen Kohlenvorräthe unbedeutend seien, Pari», 8. März. Hier ringegangene Nach«-