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Sein Gegner Jrangi hatte ihm vorgeworfen, daß er während seiner 15jährigen ministeriellen Wirk» famkeit in den wirthschaftlichen Beziehungen zu Oesterreich keine Besserung herbeiaesührt habe, da ein selbstständige- Zollgebiet uni eine selbst ständige ungarische Bank noch immer z« den frommen Wünschen der Nation gehören. Graf Karolyi glaubte seinem Gesinnungsgenossen kräftig beispringen zu müssen, indem er rief: „Einem Verräther vertrauen wir unsere Geschicke an!" was ihm einen Ordnungsruf fettens des Prä sidenten eintrug. In seiner Erwiderung betonte Tisza, daß er auf sämmtlichen Geldmärkten Europas Versuche zur Errichtung der selbst ständigen ungarischen Bank gemacht habe. Das englische Geldinstitut, welches ein Angebot gethan, machte dies von der Wiederherstellung der Valuta abhängig. Da habe er denn nichts Anderes thun können, als dahin streben, daß die bestehende Bank zu einer österreichisch-ungarischen Bank werde und auch in ihrer Organisation nach Mög lichkeit dem Dualismus entspreche. Bei einem Festmahl, welches die liberale Partei zu Ehren des Ministerpräsidenten Tisza veranstaltete, war der Letztere Gegenstand der begeistertsten Hul digungen. In seiner Dankrede erklärte Tisza, daß seine Gegner sich irrten, wenn sie nach seiner Entfernung ans Ruder zu kommen hofften. Zer störende Tendenzen, welche unter dein Deckmantel des Radikalismus die Reaction einschmuggeln möchten, würden, so lange die liberale Partei bestehe, in Ungarn nie zur Macht gelangen. Mit dem ihm eigenen Tactgefühl vermeidet es der König von Italien während der Ent hüllung des Giordano Bruno-Denkmals in Rom anwesend zu sein, da das von den römischen Radikalen dem im Jahre 1600 auf dem Campo dei Fiori verbrannten Freidenker errichtete Denk mal dem Vatikan ein schweres Aergerniß bereitet. Nicht genug daran, daß der Papst deshalb eine Note an die Mächte richtete, soll auch am 2. d. eine Versammlung von Cardinälen die Frage erwogen haben, ob es für den Papst nicht zweckmäßig wäre, Rom zu verlassen. Nach langen Erwägungen ist diese Frage verneint worden. Weder das Ministerium noch der italienische Senat werden sich an der Denkmals-Enthüllung officiell be- theilgen, das infolge der Anwesenheit zahlreicher Abordnungen vieler Hochschulen und Akademien zwar einen sehr glänzenden Verlauf nehmen, aber immerhin den Character einer sehr entschiedenen anti- clerikalen Massen-Kundgebung annehmen dürfte. Die Italiener in Massauah haben ihren vielum strittenen Vormarsch ans die abessynische Hoch ebene endlich doch angetreten und Keren besetzt. Es scheint jedoch nicht, als ob sie dort ein größeres Sommerlager errichten wollen. Es wird nur ein Theil des Bataillons Eingeborener, das unter Major Dimajo die Besetzung von Keren vornahm, als Garnison daselbst verbleiben. Für die republikanische Partei in Frank reich bietet der Erfolg der Pariser Weltaus stellung eine glänzende Genugthuung und ist die Partei hocherfreut, daß die französische Haupt stadt ihre alte Anziehungskraft nicht verloren hat. Am 2. d. z. B. fanden sich nicht weniger als 250,000 Besucher auf dem Ausstellungsfelde ein. Zu diesem Erfolge tritt noch der günstige Verlauf der Reise des Präsidenten Carnot nach den Departements Pas de Calais und du Nord. Nicht nur die officiellen Ansprachen waren von vaterländischer Begeisterung und republikanischer Gesinnung erfüllt, sondern auch die zusammen geströmte Menge kargte nicht mit Huldigungen für die Republik und ihren Präsidenten, während kein feindlicher Ruf von monarchistischer oder boulangistischer Seite ertönte. Auch die Berg leute, die Eisen- und Stahlarbeiter, in deren Mitte sich der Präsident Carnot begab, beob achteten eine loyale republikanische Hakung. Der Cardinal Erzbischof Richard von Paris hat in einem Hirtenbriefe die Hundertjahrsfeier der Revolution in mildester Weise besprochen und erklärt, die Kirche halte den rechtmäßigen Gebrauch bürgerlicher Freiheit für vollkommen zulässig. Für den plötzlichen Rückgang der russischen Valuta werden zwei Ursachen angegeben, die durch die große Dürre in RuAand arg gefähr dete Roggenerntc und die Mißstimmung, welche der Trinkspruch des Czaaren auf den Fürsten von Montenegro erregte. Wahrscheinlich zu dem Zweck, ein weiteres Sinken des Rubelcurses zu verhüten, erhielt da- ministerielle „Journal de St. Petersburg" die Weisung, allen Gerüchten über russische Rüstungen entgegenzutreten und den friedlichen Character der russischen Politik lebhaft zu betonen. Durch die Sequestration der Eisenbahn hat die serbische Regierung die französischen Unter- uehmer arg verletzt, aber im Lande selbst große Zufriedenheit erweckt. Der verhaftete fortschritt liche Führer Garaschanin, der kaum überführt werden dürfte, den verhängnißvollen Schuß auf den Realschüler MiSkovic abgefeuert zu haben, ist wieder in Freiheit gesetzt worden. Mit viel größerem Interesse verfolgt man jetzt in Belgrad die angestrebte Lösung der Kirchenfrage, da Ristic den Metropoliten Theodosius pensioniren, dafür aber den geistlichen Freund der Königin Natalie, Michael, wieder in sein Amt einsetzen und damit betrauen will, den König Alexander bei der Kossovo-Fcier zu salben. Die beschleunigte Rück kehr des Exkönigs Milan nach Belgrad dürfte sehr leicht einen Strich durch diese Rechnung machen. Berlin, 9. Juni. Der Extrazug des Schahs traf 6 Uhr auf dem reichgeschmückten Bahnhofe ein. Die Musik intouirte die persische Nationalhymne, die Ehrenwache präsentirte. Der Kaiser, in Garde-du-Corps-Uniform mit dem persischen Orden, war umgeben von sämmtlichen Prinzen, dem Grafen Herbert Bismarck, Feld marschall Blumenthal, den Genecal-Flügeladju- tanten, der gesammten Generalität, dem Gouver neur, dem Stadt-Commandanten und dem zweiten Bürgermeister, sowie vom Personal der persischen Gesandtschaft und des Consulats, dem russischen Militär-Attachee rc. Der Kaiser umarmte den Schah, drückte ihm wiederholt die Hand und stellte ihm die Prinzen vor. Nach Abschreiten der Front und Abnahme des Parademarsches begaben sich der Kaiser und der Schah in den vierspännigen Galawagen, dem Spitzenreiter, so wie Ulanen-Escorte vor- und »achritten; die übrige Wagenreihe erfolgte programmgemäß. Zahlreiche Menschenmenge empfing die Majestäten unter brausenden Hochs. Beim Passiren des Brandenburger Thors ertönte Geschützsalut. Bei der Ankunft auf Schloß Bellevue präsentirte die Ehrenwache, worauf Parademarsch folgte. Dann begaben sich die Majestäten nach dem Schlosse, woselbst gegenseitig die Oberhofstaaten vorgestellt wurden. Der Kaiser fuhr nach dem Schlosse in Berlin zurück, woselbst der Schah kurz darauf seinen Besuch abstattete, ebenso wie bei den an wesenden Prinzen und Prinzessinnen. Der Kaiser fuhr sodanu nach Schloß Bellevue, woselbst Abendtafel stattfand. Die Herzogin von Anhalt ist an der Diphtheritis nicht unbedenklich erkrankt. Augsburg, 10. Juni. Anläßlich des Zu sammentritts der deutschen Lehrerversammlung ist die Stadt reich beflaggt. Die hier eingetroffenen Lehrer — es sind ca. 2000 — wurden bei ihrer Ankunft herzlich begrüßt. Die Vorversammlung wurde von dem Seminaroberlehrcr Halben aus Hamburg mit einer Ansprache eröffnet, worin derselbe die Versammelten mit warmen Worten willkommen hieß und betonte, daß die Bestrebungen der deutschen Lehrerschaft auf eine freie deutsche Schule und eine streng wissenschaftliche Forschung gerichtet sein müßten. Die Rede wurde sehr bei fällig ausgenommen. Hierauf fand ein Begrüßungs abend statt. Ueber neue Kämpfe Wißmanns meldet die „B. Pr." ein Telegramm a»s Zanzibar: Nach Einleitung des Gefechts durch Feuer des Geschwaders hat Hauptmann Wißmann Saadani und Uwindji ge nommen und verbrannt. Auf deutscher Seite ein Mann todt, ein Offizier, ein Unteroffizier und sechs Schwarze leicht, Unteroffizier Wilke und ein Zulu schwer verwundet. Verluste des Feindes sind noch unbekannt. Äie mitgetheilt wird, soll die Bewaffnung der gesammten österreichischen Armee mit dem kleinkalibrigen Mannlicher Repetiergewchr bis zum October d. I. beendet sein. Bern, 8. Juni. Wie verlautet, dürite die Bundesversammlung noch in dieser Session die Einführung von kleinkalibrigen Repetirgewehren beschließen und die däzu erforderlichen Credite bewilligen. Bern, 11. Juni. Der deutsche Gesandte v. Bülow »heilte gestern dem Vorsteher des De partements des Auswärtigen, BundesraH Droz, eine ihm aus Berlin zugegangene Depejche mit, nach welcher die deutsche Regierung ihr Bedauern ausdrückt, daß im Falle Wohlgemuth ein Ein- verständniß nicht erzielt ist. Ans Anordnung des obersten Gerichtshofes ist in d« vergangenen Nacht der Unterintendant Reichert, welcher im früheren Ministerium Bou langer angcstellt mar, verhaftet worden. Der Neuner-Ausschuß des Senats wird höchst wahr scheinlich einen Theil der Acten nächsten Montag an die Staatsanwaltkchaft abgebcn und zwar mit dem Antrag, den General Boulanger, den Grasen Dillon und Henry Rochefort in Anklage- znstand zu versetzen. Der Senatsgerichtshof wird dann zwischen dem 20. un^ WWM in Versailles zusammentreten. — In BrtW würden bei dem dort zurückgebliebenen Geyeimsekretär BoulangerS, Breuille, dessen gesammte Buchführ ung, sowie Privatbriefe und vier versiegelt« Kisten Documente, welche zum Versandt nach Lopdon bereit waren, beschlagnahmt. Ein anonymer Brief machte den Neunerausschuß auf das Versteck der hochwichtigen Schriftstücke aufmerk sam, deren Durchsicht mindestens 14 Tage er fordert. — Auf Grund der beschlagnahmten Papiere hat der oberste Gerichtshof die Verhaf tung des Militärintendanten Reichert, welcher dem Ministerium Boulanger attachirt war, an geordnet. Paris, 9. Juni. Die Verhaftung des Unterintendanten Reichert wurde damit begründet, daß Reichert falsche Aussagen vor Gericht machte, und sich weigerte, die vom Untersuchungsrichter verlangten Schriftstücke auszuhändigen. Nach dem Reichert die Schriftstücke ausgeliefert und Angaben über die Schriftstücke, welche sich im Besitze des Capitäns Fleuchat befanden, gemacht hatte, wurde er gestern wieder in Freiheit gesetzt. Weitere Verhaftungen sind bis jetzt nicht vor genommen worden. Der ehemalige Cabinctschef Boulangers, General Jung, wurde heute von der Untersuchungscommission des Staatsgerichts hofes vernommen. Angoulöme, 9. Juni. Zusammenkunft und Banket der Boulangisten, welche heute hier statt finden sollten, sind polizeilich untersagt worden. 24 Verhaftungen wurden wegen der Rufe: „Es lebe Deroulöde! Es lebe Boulanger!" vorgenommen. Deroulode, Laisant und Richard wurden, als sie dagegen Widerspruch erhoben, verhaftet; die gegen 4000 zählende Menge protestirte dagegen ebenfalls. Die Garnison war in den Casernen consignirt. Wie verlautet, sollen in den letzten Tagen mehrere Beamte und Offiziere wegen Verdachtes der Theilnahme an dem boulangistischen Komplott verhaftet worden sein; unter den Verhafteten soll sich auch der General Jung befinden. Die Verhaftung des Unterintendantcn Reichert er folgte wegen Mcineidsverdachtes. Die Königin von England hat sich, der „ Trull;" zufolge, in der letzten Zeit viel mit dem bei königlichen Begräbnissen zu befolgenden Cere- moniell beschäftigt und darin eine große Anzahl Aenderungen vorgcnommen. Eine ausführliche? Denkschrift mußte Ihrer Majestät darüber vsr- gelegt werden. Sogar die Art der zu benutzenden Särge ist bis in alle Einzelheiten vorgeschrieben worden. Einbalsamirung wird absolut verboten. Sachsen. > Se. Majestät der König wurde am 8. Juni auf Bahnhof Zwickau von den Herren Ober bürgermeister Streit, Landgerichtspräsident von Mangoldt und Regiments - Commandeur Oberst von Mangoldt begrüßt. Herr Kreishauptmann von Hausen war Sr. Majestät bis Mosel ent gegengefahren. Se. Majestät verließ oberhalb Mosel den Zug und »ahm die bei Oberrothen bach vorhandene Unfallstelle, sowie das beschä digte Dorf in Augenschein. Nach kurzem Auf enthalt fuhr der Separatzug weiter nach Reichen bach. Daselbst hatten sich die-Spitzen der Be hörden, die Reserveoffiziere und Kriegervereine zur Begrüßung eingcfunden. Se. Majestät be sichtigte sodann die Carolinenstraße, Bach- und Dunkclgasse. In Oberreichenbach im Gasthof zum Hirsch nahm Se. Majestät ein Glas Bier an, hierauf erfolgte die Fahrt nach Mylau. Das Diner wurde auf dem Bahnhöfe eingenommen. Se. Majestät, von dem Herrn Kreishauptmann j begleitet, reiste Nachmittag ^4 Uhr nach Dresden l zurück. Se. Majestät der König hat dem Mitinhaber der Firma „Bibliographisches Institut Meyer in Leipzig", Seconde-Lieutenant der Garde-Land wehr-Artillerie, vr. Hans Meyer, das Ritterkreuz I. Classe des Albrechtsordens verliehen. Se. Majestät der König hat auf Vortrqg des Königl. Ministeriums des Innern dem Kauf mann und Fabrikbesitzer Hermann Otto Richard Gmeiner-Benndorf in Dresden den Titel „Commis» sionSrath" verliehen. Diese Allerhöchste Entschließ ung ist dem Genannten mit Rücksicht auf den an den Tagen vom 10. bis 13. laufenden Monat- hier stattfindcnden Internationalen Thicrschutz-Congreß. und die damit zu verbindende 50jährige Jubel» feier des hiesigen Vereins zum Schutze der Thiere unter Aushändigung de- Ütnigl. DecretS am II. d. durch Herrn Oberbürgermeister vr. Stübel. eröffnet worden. Die Verlegung des König!. Hokl^ Strehlen nach Pillnitz wird am 21.M Se. König!. Hoheit