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1876, cm dem da« letzte Ministerium der Loosorteria Dadurch in die Lust gesprengt ward, daß Ricasoli Mit seines Toskanern gelegentlich der Mahlsteuer frage Minghrtti im Stiche ließ.- Alle versuche der Rechten, die Herrschaft au sich z« reißen, find bis her vergeblich gewesen, bi« ihr heute ein glückliche« Geschick, wie e« scheint, die Zügel wieder in den Schooß wirst. Fragen wir, wodurch die Linke sich nm'« Regiment gebracht, so wisst« wir nur eine Antwort: durch ihren überspannten Patripti«mu« und ihre Gr»ßmaon«sucht. Nachdem r« ihr gelungen ist, lediglich durch diesen rloea Fehler Italien nach allen Seiten hi« gründlich zu tsoltrr», r« bet fast alle« Mächten dem gegründetsten Argwohn au«zusetzen, hat sie sich endlich in dem tunesischen Looflicte eine derbe Lection zugezogen, für welche leider mit ihr selber da« ganze Königreich die Kosten zahlen muß. Die Seichtigkeit und Schnelligkeit der französischen Erfolge hat allerding« den Eintritt der definitiven Eatastrophe beschleunigt. Wa« sollte auch Lairoli noch länger aus einem Ministerfauteuil, wo er nur noch einem Hagel von Interpellationen al« Zielscheibe dienen konnte, mit denen doch nicht« zu erzielen war, al« daß der Schmerz über die selbstverschuldete Niederlage, gleich einem Pfeil mit scharfen Wider haken, immer tiefer in die Brust de« Volke« drang? So geht er denn, und die Herrschaft kommt wieder an die Rechte. Glück aber können wir Italien dazu nur unter der noch gar nicht sehr wahrscheinliche« Voraussetzung wünschen, daß e« dem Großindustriellen Sella, dem kühlen Piemontesen au« viella, wo seine Spinnereien liegen, dem gewiegte« Geschäft«manne, der zuletzt al« Finanzminister bi« zum Amttantritte Minghetti'« 1873 fungirte, gelingen möge, »ine wahrhaft liberale und nicht chauvinistische Majorität im Parlament auf dem Wege der Fusion von recht« und link« zusammenzubringen. Der französische Sammerpräfident Gambetta hat dieser Tage durch die Annahme der Listenwahl einen großen Lieg errungen. Der Kampf ist ein heißer, auf beiden Seite« mit Zähigkeit u«d Energie geführter gewesen, und der Au«gang desselben muß unweigerlich Gambetta'« Macht außerordentlich ver mehren. Vorläufig wird freilich keine Veränderung in der Regierung Frankreich« vor fich gehen, denn wenn auch mehrere Minister sich persönlich sehr für die Aufrechterhaltung der Einzrlwahlen engagirt hatten und wenn selbst der Präsident der Republik, Jule« Grövy, diesen Standpunkt theilte, so wird vor den Wahlen doch ohne Zweifel Alle« beim Alten bleiben. Die Annahme de« Listenskrutinium« aber sichert Herrn Gambetta für die Zukunft eine noch weit ergebenere Kammer, al» wie die gegenwärtige. — Der tunesische Feldzug hat noch ein kleine», blutige« Nachspiel zu verzeichnen. Die Eolonne de« Generals Maurand stieß am 18. Mai auf dem Marsch nach Mater auf 2500 Araber, welche Widerstand zu leisten versuchten, aber zurückgeschlagen wurden. Auf beiden Seiten gab e« Todte und Ver wundete. Die Einwohner von Mater unterwarfen sich sofort. Im englischen Oberhause wurde dieser Tage die Asylrecht«.Frage angeregt. Lord Granville erklärte, über da« Asylrecht seien der Regierung keinerlei Vorstellungen zugrgangen, die Ansichten England« hierüber seien so wohl bekannt, daß solche Vorstellungen überhaupt nicht wahrscheinlich seien. Wohl aber habe Rußland unter Zustimmung Deutsch land» England zur Theilnahmr an einer Lonferenz auf gefordert, um praktische Methoden zur Unterdrückung verbrecherischer Bestrebungen gewisser Associationen zu erwägen. Nach der Ermordung de« russischen Kaiser« sei e« durchaus nicht auffällig, wenn Rußland unter anderen Mitteln, den Verbrechen ein Ende zu machen, auch die Mitwirkung anderer Mächte nachsnche. E« sei nicht Sympathie mit dem NihillSmu«, welche die Regierung zu der Ansicht veraulaßt habe, daß die Theilnahmr an der Lonferenz nicht vorthellhaft sei. Wenn der NihillSmu« da« sei, wa» er scheine, nämlich eine große Association argen die Gesetze und Institutionen der civilisirtea Gesellschaft, wenn seine Operationen durch Gevaltthaten und Mord aus geführt würden, sei e« vollkommen klar, daß e» die Pflicht und da« Interesse England« sei, demselben entgegenzutreten, und denselben z« bestrafen. Er sei aber der Meinung, daß dir« nur durch dasjenige ausführbar sei, wa« die Gesetz« gestatteten, und seiner Ansicht nach böten die englischen Gesetze ge« nügrnde Mittel, diesen Zweck zu erreichen. Nirgend« habe sich über die Ermordung de« russischen Kaiser« «ine größere Entrüstung kund gegeben, al« in England. Wenn aber England sich an der Lonferenz betheiligt hätte, so würde da« zu keinem praktischen Resultate geführt haben, auch würde e« weder dem Parlamente, «och auch dem Land« genehm gewesen sein. Erstehe indeß nicht an, zu erklär»«, daß die Ablehnung der Theilnahme an der Lonferenz der Regierung nur um so mehr die Pflicht auferlege, die Gesetze, die fi« besitze, sorgfältig anzuvendeu, damit solch« ver brechen gegen die Sicherheit anderer Regierungen und ganz besonder« die verbrechen de« Morde« und de« Mordversuche« gegen fürstliche oder Privatpersonen in anderen Ländern verhindert würden. — Da« Unterhau« nahm schließlich die irische Landbill in zweiter Lesung mit 352 gegen 176 Stimmen an. Lauter Beifall der ministeriellen Partei. Die Zustände in Rußland scheinen von Tag zu Tag trostloser und entsetzlicher zu werden. Erst führten di« Ruffen einen Krieg gegen den Moha- medanttmu« und nachdem Vieser Kreuzzug ihnen nicht ganz gelungen ist, begeistern sie sich für die grandiöse Idee der Judenverfolgungen. Der Orient krieg in der alten, die Judenverfolgungen in der neuen Aera, da« ist da« wahre Rußland. Und welche sensationellen Bilder werden da dem Auge vorge führt; wa« will da die Fantasie de« Maler« gegen über diesen Bildern bedeuten? Dieselbe Partei der Penslavisten unter der Führung Aksakoff'«, welche einsten« gegen die Polen hetzte, welche sich einst für einen Murawieff begeisterte, sie klatscht auch jetzt den Judenverfolgungen Beifall und hat enthusiastische Hymnen für die Kraft der Selbstherrschermacht, für den wiederbefestigten Absolutismus. An der Spitze de« Reiche«, in der Nähe de« Lzaaren Unverstand und heimtückischer EgottmuS, in allen Zweigen der Verwaltung Lorruptioa und Liederlichkeit, die Ordnung unterwühlt durch den Nihili«mu« und im Volke zügellvse Anarchie; da« sind allerding« Zustände, welche zur Glorificirung de« Absolutismus ermuntern können. Der Kaiser selbst soll über den Eindruck, den sein Manifest in Rußland gemacht hat, äußerst erschreckt sein. Er hat geäußert: .Ich werde nicht verstanden; ich wollte nur eine bestimmte Basis für die Bahn verzeichnen, auf welcher die Reformen sich vorwärt« zu bewegen haben, und nun werde ich der Reaktion bezichtigt." Wohl auch mit Recht, denn da« beweist die Wahl der Männer, die er zu seinen Rathgcbern erwählt; namentlich die Berufung Jgnatieff'« zum Minister de» Innern. Die.Köln. Ztg." — ein sehr gemäßigte« Organ — sagt in dieser Beziehung: .Die Gefahr, die für Rußland und für ganz Europa in der Berufung Jgnatieff'« auf einen so einflußreichen Posten liegt, besteht eben darin, daß .der Vater der Lüge," wie die Türken ihn nannten, „der schwarze Fuch«," wie ihn die Peroten bezeichneten, in seinem amtlichen Handeln vollständig charakterlos ist, keine Wahrheit, keine Ehrlichkeit, keine Heiligkeit de« gegebenen Worte« und der festesten Versicherung kennt, daß er seine ehrgeizigen Pläne durchführt ohne Rücksicht auf die blutigsten Opfer, daß sein ganze« Thun und Treiben eine lebendige Verkörperung de» Grundsätze« ist: der Zweck heiligt die Mittel. Und eine Persönlichkeit, die mit dieser Charakterlosigkeit al« Staatsmann eine seltene Fülle von Kenntnissen, Fähigkeiten, Energie und Kraft verbindet, eine solche Persönlichkeit ist wahrhaft gefährlich". Au« Berlin schreibt man unterm 23. Mai: Der Handelsvertrag mit Oesterreich-Ungarn ist heute Vormittag vollzogen worden. Lin gleicher mit der Schweiz abgeschlossener Vertrag wird heute Abend vollzogen werden. Der von dem Königreich Sachsen beim Bunde«- rath eingebrachte Antrag, betreffend die Abänderung de« Zolltarif«, lautet: Z 1. Der Zolltarif zu dem Gesetze, betreffend den Zolltarif de« deutschen Zoll gebiet« und den Ertrag der Zölle und der TabackS« steuer, vom 15. Juli 1879, wird in nachstehender Weise abgeändert: An Stelle der Position ä. 5 der Nr. 41 treten folgende Bestimmungen: ä. 5 unge druckte Tuch- und Zeugwaaren, soweit sie nicht zu Ziffer 7 gehören, a) im Gewichte von mehr al« 200 Gramin pro Quadratmeter Gewebeplätze 135 Mark pro 100 Kilogramm ; b) ein Gewicht von 200 Gr. oder weniger pro Quadratmeter Gewebefläche 220 Mk. pro 100 Kilogramm, ß 2. Diese« Gesetz tritt den 1. Juli 1881 in Kraft. Dem Anträge, welcher unter dem 17. Mai dem LundeSrath über geben worden ist, wird eine sehr ausführliche Moti- virung beigefügt, die im Wesentlichen darauf bafirt, daß die heimische Fabrikation der Damenkleiderstoffe von der Erhöhung de» Zollschutze», welche der Fabri kation der Tuche, der Baumwollen« und Leinen- Webwaaren rc. zum Theil in erheblichem Maße und mit dem günstigsten Erfolge zu Theil geworden ist, vollständig «»«geschloffen geblieben ist. Sie ist dadurch um so härter betroffen worden, al- sie schon vor 1879 durch auSlänvische Loncurrenz be drängt war. Die in den sächsischen Fabrikations orten beschäftigte Weberbevölkerung leidet seit Jahren unter einem schweren Drucke, welcher schließlich in völlig unauskömmlichen Löhnen seinen Ausdruck ge funden hat. Der stetig wachsenden ausländischen Loncurrenz gegenüber beruht dir Lalculatioa der Fabrikanten jetzt im Wesentlichen auf dem Drucke der Arbeittlöhne, welchem di» Weier fich füge» müssen. Die hauptsächlichste Ursache der schwieriges Geschäftslage der Kleiderstefffabrikatioa ist die Los- currenz der gleichartigen Fabrikation in Frankreich. Eine Abhilfe dieser Uebelstäave kann lediglich nur darin gefunden werden, daß die französische Lon- currenz durch Erhöhung der Eingang«zvlle für die gleichartigen Waarea auf ein erträgliche« Matz zurück- und den deutschen Fabrikanten und Arbeiter» wieder ausreichend« und lohnende Beschäftigung zu geführt wird. Nach den Ergebnissen der zahlreiche» Messungen und Wägungen, welch, die sächsische Re gierung in Glauchau und Meerane hat vornehme» lassen, liegt da« Gewicht der Damenkleiderstoffe zwischen 79,5 und 190,4 Gramm pro Quadratmeter Gewebflächc. E« würde also ausreichen, die zu Nr. 41 ä 5 gebörigen Stoffe in zwei Unterabtheilungen mit der Grenze von 200 Gramm pro Quadratmeter zu zerlegen. Die Höhe de« Zollsätze« für diese zwei Unterabtheilungen wird so zu bemessen sein, daß die ausländische Loncurrenz nur abgemindrrt, nicht aber vollständig verhindert wird. Nach alledem beantragte die königlich sächsische Regierung Vie in dem Entwurf vorgeschlagenen Festsetzungen. Wien, 20. Mai. Die Gesammtzeichnungea auf die vierprocentlge ungarische Goldrente erreiche» nahezu die Summe von vier Milliarden und ver- theilen sich wie folgt: Wien 400 Millionen, Buda-, pest 100 Millionen, in den verschiedenen Filialen der Lreditan statt 30 Millionen, Deutschland 90l> Millionen, London 800 Millionen, Pari» 1600 Millionen Gulden. Wien, 23. Mai. Abgeordnetenhau«. Die von der Majorität de« Schulausschusses bean tragte Abkürzung der Schulzeit wurde in nament licher Abstimmung mit 156 gegen 149 Stimme» angenommen. Für die Minorität, welche für die diesbezüglichen Beschlüsse des Herrenhauses eintrat, sprachen die Abgg. Beer und Eduard Sueß. Letzterer erhielt wegen unparlamentarischer Angriffe gegen die Regierung einen Ordnungsruf. Der Präsident ließ wegen wiederholten Applauses die Galerie räumen. Au« Bukarest schreibt man unterm 22. Mair Die feierliche Krönung fand heute Mittag auf dem Platze vor der Cathedrale statt. Der König und die Königin, begleitet vom Prinzen Leopold von Hohenzollern und dessen beiden Söhnen, nahmen auf dem daselbst errichteten Throne Platz. Die Weihe der Krone de» Königs und der Königin erfolgte durch den Primas von Rumänien und dem Metro politen der Moldau, welche von den Bischöfen und dem höheren CleruS umgeben waren. An der Feier lichkeit nahmen die Minister, die Senatoren und Deputirten, sowie die hohen Civil- und Militär würdenträger und da« gesammte diplomatische Corp« Theil. Der König und die Königin wurden auf dem Hin- und Rückwege von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt. Aus allen Theilen de« Lande« sind zahl reiche Abgesandte eingetroffen. Nach der Rückkehr in das Palais nahmen die Majestäten die Glückwünsche der Vertreter der auswärtigen Mächte entgegen. — Die Stadt ist aus'« Prächtigste decorirt; zu der heute Abend stattfindenden Illumination sind die Vorbe reitungen in großem Maßstabe getroffen. Zürich, 20. Mai. Gegen die Abhaltung de» Socialistencongresse« sind ohne Mühe i» dem Canton Zürich gegen 30,000 Unterschrift»» gesammelt worden. Wa« die Regierung thun wird ist noch ungewiß. Die Socialisten haben beschlossen, den Longreß trotzdem unbedingt in Zürich abzu halten und mit dem Lomitee in Genf in Verbindung: zu treten. Aus Petersburg meldet man unterm 23. Mai Folgende«: Nachrichten au- Alexandrowsk vom 22. d. besagen, daß die Unruhen in den Kreise» AlexandrowoSk und Melitopvl fortdauern. Die Bauern überfallen daselbst die jüdischen Grund besitzer und Pächter. Beim Einschreiten der Be hörden unterwarfen fich die Tumultuanten sofort ohne Widerstand. Nach Alexandrowsk ist militärische. Verstärkung abgegangen. — In JekaterinoSlat» wurden am 22. d. 2 Personen verhaftet, welche mit Proklamationen von Pet«r«burg angekomme» waren. — Aus NowotschrrkaSk wird gemeldet, daß nach Rostow drei Sotoiea Kosaken abgrsandt wurden, weil daselbst auf von bi« jetzt noch unermittelter Seite ausgegangeue Drohungen hin gegen die dortige» Juden gerichtete Ruhestörungen befürchtet wurden. Bi« jetzt ist aber noch keine Nu«schreitung vorge kommen. — Der Schaden, wrlcher durch die am 8. und 9. d. M. in Kiew verübten Gewaltthätigkeitea verursacht wurde, beläuft sich nach den polizeiliche» Ermittelungen für vier Stadttheile auf 1,137,831 Rubel. Nachrichten über die Höhe de« Schaden» in den beiden übrigen Stadttheilrn liegen »och nicht. vor. — Die außerordentliche persische GesandtschcckL. Hal am 22. d. Petersburg wieder verlafsttz. ^MM