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würde. Line liberale Regierung, welche diel unter dem Einflüsse des äußersten radikalen Flügels stünde, wie dies bei jeder liberalen Regierung mit geringer Majorität der Fall wäre, würde gleich sehr unzu lässig sein und den gleichen Gründen zum Opfer fallen, welche den Sturz der früheren Regierung Mr. Gladstone'» im Jahre 1874 hcrbeigeführt haben, ko lange aber ein wirklicher liberaler Triumph unmöglich ist, wird das permanente Ge fühl des Landes stark sich zur conseroalivcn Partei urigen. Der wirkliche Punkt des Interesses bezüg lich der Wahlen wird nicht darin b> stehen, daß die selben die zukünftige Verfassung der Politik bestimmen — denn darüber kann kein Zweifel obwalten — sondern daß dieselben darüber entscheiden, ob wir momentan eine schwache oder starke Regierung be sitzen werden. Die Wahlen werden von unermeß lichem Nutzen sein, da sie über die wahre Stärke der Parteien Licht verbreiten werden." Rußland hat den Gedanken, die Beleidigung des Czaaren, welche in der Nichtachtung des Ver trages von Kuldscha lag, durch einen Feldzug in das westliche China zu rächen, aufgegebcn. Anstatt seine Kräfte in Centralasicn zu zersplittern, gedenkt das Czaarenreich ernstlich im Innern Ruhe und Ordnung zu schaffen, und die Thätigkeit des Grafen Loris-Melikoff zeigt wenigstens Spuren einer Be mühung, den Wünschen der Nation mehr gerecht zu werden, als bisher. Aus Rom wird untcrm 28. März gemeldet: Italien macht im Auslande große Pferdeankäufe. Bereits im vorigen Herbst wurde in ganz Italien vom Armee-Oberccmmando aus eine Statistik aller dienstpflichtigen Pferde ausgenommen. — Die Bauten an den Besestigungswerkcn Noms werden momentan suspendirt. Die dabei beschäftigt gewesenen Genie offiziere sind nach Verona ccmmandirt, behufs so fortiger Inangriffnahme des Fronrumbaus der dortigen Festungswerke, welche bekanntlich unter österreichischer Herrschaft sich gegen Italien richteten, während sie jetzt, um ihrem Zwecke zu entsprechen, gen Norden gerichtet werden sollen. Nachdem das italienische Ackerbau- und Handels ministerium officiell an der im April d I. in Berlin abzuhallenden internationalen Fischerei-Aus stellung theilzunchmen beschlossen, hat dasselbe nun mehr den Exporteur agrarischer und alimentarischer Producte, Herrn Cirio, beauftragt, eine vollständige Ausstellung aller in den italienischen Gewässern Verkommenden Fischgattungen, sei es im lebenden oder wenigstens in frischem Zustande in Berlin zu veranstalten. Herr Cirio hat sich sofort an seine Aufgabe gemacht, und zunächst mitgelheilt, daß er an bestimmten Tagen und Oertlichkeitcn frische Fische von, mit Rücksicht auf ihre SpecicS, hervor ragenden Dimensionen, sei es im Kaufwege für den entsprechenden Preis, sei es im Ccmmissicnsweg, entgegennkhmen werde, wenn cs die betreffenden Fischer oder Eigenthümer vorziehen, dieselben unter ihren Namen zur Ausstellung gelangen zu lassen. Ein mit allen erforderlichen Einrichtungen ausge statteter Eisenbahnwagen wird zur Entgegennahme der auSzustellenden Fische am Morgen des 10. April von Reggio Calabrig über Taranto, Bari, Pescara, Ancona, Castelbolognese, Ravenna, Bologna, Ferrara, Pontelagoscuro, Padua und Venedig, in welchen Stationen ein entsprechender Halt gemacht werden wird, nach Verona abgehcn, von welcher Stadt aus die schließliche Weiterreise nach Berlin, dem Be stimmungsorte auf dirrctestem Weg erfolgt. In der Nacht zum 27. März wurde in St. Petersburg eine zweite geheime Volksdruckerei ent deckt ; in der Druckerei wurden drei Pressen gefunden. Bei der Aufhebung der geheimen Druckerei im Lozlow'schen Hause wurden nebst den Setzern und Druckern auch drei Mädchen verhaftet, die der höheren Gesellschaft angehören sollen. Die Familie de« TapezirerS, welcher die Lokalität vermierhet hatte, ist nach der Citadelle abgeführt worden. Man fand Manuskripte vor, welche die Fortsetzung des nihilistischen Kampfes anzeigen sollten. Die Verhafteten männlichen Geschlechts sind durchweg« blmjunge Leute, zumeist aus dem südwestlichen Rußland. General Surow erschien selbst im Hause; außer den Polizisten waren 40 Gendarmen am Tharorte gegenwärtig, ebenso der Procurator. Nicht ohne bedeutende Gewalt anwendung erfolgte die Verhaftung der 15 Individuen. Zum ersten Male war bei dieser Gelegenheit ein Mitglied der Sicherheits-Commission der Polizei- rnanvkhaft attachirt. Bei den Verhören haben die ? sieten nicht» auSgrsagt, ja nicht einmal ihre angeben wollen. Sachsen. Bischofswerda, 30. März. Da« Osterfest mit seinen großen heiligen Erinnerungen brachte zugleich da« herrlichste FrühlingSwettrr, so daß Tausende hinauSzogen in Gotte« freie Natur. Frühling und Ostern, die schönsten Hoffnungen knüpfen sich an diese Zeit. Zu neuem Leben erwacht die Natur und ein neue« geistiges Leben soll auf wachen im Menschen. Der Frühling kommt, der Lantmann hofft, o manche Aussicht verdarb ihm diese« Jahr vielleicht der Winter, zumal in unserer Gegend, aber er streuet neuen Saamen auf den Acker, wo die Herbstsaat kümmerlich steht und ver traut der Erde und seinem Fleiße und hofft auf den Lohn sür seine Mühen, zum Wohle aller Menschen. ES gleicht an Fruchtbarkeit und Witterungswechsel nie ein Jahr dem andern, aber die Erde hat ihren Kindern noch nie ihren Schooß verschlossen, und was auf der einen Seite verloren geht, ersetzt sie auf der andern wieder. — Die nahende Leipziger Frühlingsmesse bringt regeres Leben in die Fabriken; der Fabrikant und der Arbeiter setzt auf sie seine nächsten Hoffnungen, >chon werden die Maaren geordnet und gepackt, und es ist eine Lebensfrage: Ob die Preise steigen oder fallen, Wie verkauft wird und ob viel von Allen; Doch so lange wir noch weben — Klagen wird es immer geben! sz Umschau in der Lausitz, 27. März. Feuersbrünste haben vernichtet: am 22. März das Wohnhaus des Tischlers Knappe in Ebersbach; in Steinölse (pr. L) die Scheune des Gutsbesitzers Jurk; zu PeterShain (pr. L.) die Barthcl'sche Scbenk- wirthschaft; zu Rechten (pr. L.) das Pilenz'sche Wohnhaus und zu Niedercunnersdorf die Schmidt'sche Schneidemühle. — Der verhaftete Müllergesclle Korn zu BeyerSdorf, welcher beschuldigt war, die Dienst magd Richter zur KindeSlödtung verleitet zu haben, ist vom königl. Amtsgericht Neusalza entlassen worden, wodurch der Verdacht sich erledigt. — Den 12. starb zu Dresden Herr Privatschuldirector Herzog, geb. 1844 in Goldbach. Die diesjährigen Herbstübungen des 12. Königl. Sächsischen Armee-Corps werden dem Vernehmen nach in folgender Weile und mit Rücksicht auf ge ringe Flurschäden bei der Wahl des UebuugS-TerrainS in nachbenannten Gegenden statlfinden: Nachdem die Infanterie in Regimentern und Brigaden geübt, schließt sich hieran eine 13iägige DivisionS-Ucbung vom 1. bis mit 14. Sept. an. Die k. Jnftr.-Division Nr. 23 übt in der Gegend von Großenhain und bat am 10. Sept, der Art dislocirt zu sein, daß Großenhain-Tolbern den Mittelpunkt der Dislokation bildet. Die II. Jnftr.-Division Nr. 24 übt in der Gegend von Lommatzsch und hat am 11. Sept, so zu dislociren, daß sie auf dem linken Elbufcr — südlich Seerhausen, Heyda, Hirschstein — liegt. Das 1. Jäger-Dat. Nr. 12 betheiligt sich am Brigade-Exerciren der I. Jnftr.-Brigade Nr. 45 und da« 2. Jäger-Dat. Nr. 13 bei der IV. Jnflr.-Brig. Nr. 48 Die Cavallerie-Brigaven werden zu einer 7tägigen Ucbung zusammengezogcn und zwar übt die I. Cavall-Brigade Nr. 23 bei Dahlen, die II. Cavall -Brigade Nr. 24 bei Wurzen und sollen diese Hebungen mit dem 29. August beendet sein, da vom 3. Sept, an die I. Cavall.-Brigade Nr. 23 bei der I. Jnftr.-Division Nr. 23 und die II. Cavall - Brigade Nr. 24 bei der II. Jnftr.-Division dir. 24 übt. Die Artillerie hält wie gewöhnlich ihre Schieß übungen bei Zeithain ob, nimmt jedoch an den Brigade-Uebungen der Infanterie nicht Theil. Das I. Feld-Art.-Regmt. Nr. 12 excl. der reitenden Ab teilung nimmt vom 3. Sept, ab an den Uebungen der II. Jnftr.-Division Nr. 24 Theil; die reitende Abteilung wird vom 7. Sept, ab mit dem Stab und der 2 Batterie bei der II. Jnftr.-Division Nr. 24, die I. Batterie bei der I. Jnftr.-Division Nr. 23 Theil nehmen. Da« Pionier-Bataillon nimmt ebenfalls erst vom 7. Sept, ab an den Urbungen der II. Jnftr.-Division Nr. 24 Theil. Sehr häufig, bemerkt da« „Dr. I.", werden an da« Ministerium de« Innern und nicht seltener an da« Ministerin, de« königl. Hause« Gesuche um Gewährung von Darlehen zur Begründung oder Unterstützung gewerblicher Unternehmungen gerichtet. Da dieselben in der Regel von der Annahme auS- gehen, daß ein „öffentlicher Fond«" oder „Landes fond«" für solche Zwecke bestehe, erscheint es nöthig, wiederholt darauf aufmerksam zu machen, daß der früher bestandene „gewerbliche BorschußsondS" bereit« im Jahre 1868 auf Antrag der Land stände ge schlossen und gänzlich aufgehoben worden ist, und gegenwärtig ein Fond«, au« welchem Darlehen oder Beihilfen der bezeichneten Art gegeben werden können, überhaupt nicht vorhanden ist. Der dem BundeSraihe am 24. März überreichte Antrag Sachsens aus Einführung eines Veredelungs zolles normirl den Zollsatz auf 25 Procent. Her vorgerufen ist der Antrag durch die traurige Lage der Leinenindustrie Sachsens, au« deren Kreisen zahl reiche Petitionen in der Richtung de« Anträge« an die königl. sächsische Regierung gelangt find. Nach einer anderen Meldung geht der Antrag dabin, daß von den au« Oesterreich eingehenden gewebten Spitzen, Posamenlerien und Stickereien ein Veredlungszolt eingehoben werde mit 25 Procent jener Zollsätze, welchen die eingehenden Maaren je nach der tarif mäßigen Beschaffenheit bei der Einfuhr unterliegen. Ein Verzeichniß der vom 1. Juli bi« mit 31- Dec. vor. I. im Bereiche der k. sächs. Staatsbahnen aufgesundencn und noch nicht rectamirlen Sachen zählt nicht weniger als 370 Regen- und Sonnen schirme, 542 Spazierstöcke und 2 Dutzend unächte Brochen auf. Dresden, 25. März. Ein interessanter Preß- proccß wurde heule vom hiesigen Schöffengericht in einer Weise entschieden, welche in den weitesten Kreisen besprochen werden wird. Im vorigen Jahre brachte die „Dresdner Zeitung" einen mit den Worten »Ein vermuthlicher Schwindler" beginnenden Artikel, worin auSgeführt wurde, daß der vermuthliche Schwindler dadurch zu seinem Vermögen gekommen sei, daß er in seinem Interesse Leute erst unterstützt und dieselben schließlich unter Benutzung günstiger Momente auf Grund von Vertragsbestimmungen.- von HauS und Hof verjagt habe. Diesen Artikel bezog der Direktor des landwirihschaftlichen Credit- vereins und Landtagsabgeorvneler Carl Mehnert, gegen dessen PrivatspcculalionsmoduS sich zu ange gebener Zeit hier eine lebhafte Agitation geltend machte, auf sich und klagte gegen den damaligen verantwortlichen Redacteur genannten Blattes Eugen Wittmeyer auf Belewigung. Der Beklagte räumte ein, daß mit dem fraglichen Artikel der Kläger ge meint gewesen sei und berief sich auf die Mit theilungen eine« ihm bekannten Herrn, der anfänglich sogar als Angeklagter figurirte. Die mehrstündige Beweisaufnahme vor hiesigem Schöffengerichte förderte heute aber eine Reihe Momente zu Tage, welche die Privatspeculationen des Klägers, der u. A. Baugelder zu 12 Procent verlieh, in nichts weniger al« günstigem Lichte erscheinen ließ. Der Rechtsanwalt des Klägers, Lesky, beantragte die Verurtheilung des angeklagten Redakteurs mit Gefängniß, dessen Vertreter aber, Rechtsanwalt Schanz, plaidirte sür Freisprechung seines Clienten. Der feurige Redner wies u. A. daraus hin, daß das immerhin beschränkte Beweismaterial so Manches in der Handlungsweise des Klägers habe als „faul" erscheinen lassen; ein Mann in der Stellung wie Mehnert dürfe nicht wuchern und die Nothlage Anderer ausnutzen. Es sei Pflicht der Presse, im öffentlichen Interesse derartiges Gebühren zu geißeln und sei er selbst überzeugt, daß mit dem Inkrafttreten der Wucher gesetze die Handlungen des Dircctor« Mehnert al» strafbar erachtet werden müßten. Mit welchem Er folge ein Ehrengericht aus dem Stande der Land- tagSabgeordnetcn der heutigen Verhandlung bei gewohnt haben würde, sei nicht schwer zu errathen, es würde dem Herrn Abgeordneten Mehnert in diesem Falle nichts Anderes übrig geblieben sein, als sein Ehrenamt niederzulcgen. (Erwähnt mag hier werden, daß die Zweite Kammer auf dem letzten Landtage den Abgeordneten Mehnert in keine- einzige der verschiedenen Deputationen gewählt hat, eine Ausschließung die selten und außergewöhnlich- ist!) Die Presse habe nur ihre Pflicht gethan unw sei Wittmeyer nach tz 193 entschieden freizusprechen. Nach langer Berathung de« Schöffengerichts erfolgte auch die Freisprechung des Angeklagten und Verur teilung des Klägers in Zahlung der Kosten. (B. N > Neue Telegraphenanstallen in Sachsen: in Mo horn (bei Wilsdruff) und in Niedcrpohritz, beide Stationen al« Fernsprechämter eingerichtet. Aus Neustadt bei Stolpen kommt die erfreu^ liche Kunde von erhöhter Jndustriethätigkeit. Die bei der Blumenfabrikalion übliche Arbeitszeit wurde von 12 Stunden auf 15 pro Tag erhöht. Die Mkssersabrikation erfreut sich ebenfalls lebhaft ein gehender Bestellungen. Auch die Leinwandbranche hat den letzten Winter hindurch niemal« ganz gefeiert. In Adorf haben die Erkrankungen an der Trichinose noch nicht aufgehört. Die Zahl der davon Betroffenen hat sich einschließlich der in Siebenbrunn und Mühlhausen vorgekommenen Fälle nuninehr auf über 40 gesteigert. Infolgedessen haben die Leute in diesen Orten eine solche Furcht vor den Trichinen, daß nur wenig Schweinefleisch gekauft wird. Die meisten Fleischer lassen nunmehr die von ihnen ge schlachteten Schweine auf Trichinen untersuchen, sodaß der betrübende Vorfall wenigsten« elwa« Äute« im Gefolgt hat. Vermischter. — (Stenographische- Kunststückchen.)' Bei der letzten Generalversammlung de« deutschen Stenographenbunde« in Essen wurde von dem Stenographen A. Reiser au« Mühlheim a. d Ruhr, eine Postkarte vorgezeigt, auf welcher siH nit^