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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend^ Amtsblatt -er Kgl. Amtohauptmannschaft und -er Kgl. Schulinspection za Kauhea sowie -es Königlichen Gerichtoamteo un- des Sta-trathes zu Aischofswer-a. Diese Jeitschrist erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabends und kostet einschließlich der Sonn abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich l Mark 50 Pfg. (15 Ngr.). Inserate werden bis Dienstag« und Freitag« früh » Uhr angenommen und kostet die gespUtene Eorpuszeile oder deren Raum 10 Pfennige. «^4. Mittwoch, den 28. November. j 18H. Politische Weltjchau. Das wichtigste Ereigniß der vergangenen Woche war die Erstürmung der Festung Kars durch dir Russen. Daß der Fall einer Festung wie KarS neben der militärischen auch eine politische Seite von her vorragender Bedeutung hat, liegt in der Natur der Dinge. WaS der Besitz der Festung bisher für den Ghazi Moukhtar Pascha war, das wird er hin fort für die Russen sein; diese haben nun den Depot- und Waffenplatz und zugleich den festen Rückhalt für etwaige nicht vorhergesehene Fälle, dessen sie bisher in Armenien entbehrten. Bisher war die Kautasu-armee darauf angewiesen, alle ihre Kriegs bedürfnisse aus dem Innern Rußlands über Tiflis und Alexandropol zu beziehen, und wer sich eine Vorstellung davon machen kann, wie schwierig eS ist, schweres Geschütz und riesige Proviant- und MunitionScolonnen auf schlechten Straßen und auf ungeheure Distanzen einer Armee nachzuführen, der begreift auch die Vortheile, welche der Besitz eines verschanzten Lagers von der Ausdehnung und forti- ficatorischen Bedeutung von Kars bietet. Unter dem Schutz der Werke dieses Platzes, die sich ohne Zweifel noch Perstärken werden, können die Russen jetzt Depot», Magazine und Spitäler anlegen, so zu sagen für den weiteren Krieg sich häuslich einrichten. Die strategischen Consequenzen der Erstürmung von KarS sind noch höher anzuschlagen. Der Ver einigung der bisher getrennt operirenden Theile der russischen Armee steht jetzt nichts mehr im Wege; Großfürst Michael kann sich mit seiner vollen Uebermacht der Armee Moukhtar Pascha's bei Erzerum gegenüberstellen und diesen Platz mit den bei KarS verwendeten Geschützen regelmäßig be lagern und wird dabei immer noch dem RioncorpS bei Batum Verstärkungen senden können, um auch dort Raum für die Offensive zu schaffen. Wenn aber Erzerum genommen ist, so wird der Haupt widerstand der Türken in Asien gebrochen sein, ganz Armenien wird in russischen Besitz übergehen und dadurch wird eine neue politisch« Situation gesoffen, die bei dem Friedensschluß schwer ins Gewicht fallen muß und jetzt schon in Wien sowohl al- in London Be- klemmungen erregt. Und doch ist an der Catastrophe Aw,inllbb«ißi-fkr Jahrgang, von Kars im Grunde nichts überraschend als ihr baldiges Eintreten; denn daß die Festung auf die Dauer sich nicht würde halten können, war nach der Schlacht am Aladscha Dagh doch so ziemlich die allgemeine Ansicht. Die Äoberung von Kars hat aber die Frage der russischen Eroberungen überhaupt wieder auf die Tagesordnung gesetzt, und diese ge staltet sich um so heikler, als auch auf dem bul garischen Kriegsschauplatz entscheidende russische Siege erwartet werden, und als andererseits in Constan- tinopel da« Gespenst eines Separatfriedens mit Rußland aufgetaucht ist, das Europa mit einer sehr untergeordneten Rolle bei der Neuordnung der Dinge im Orient bedroht. Unter diesen Umständen sind aller Augen auf England und Oesterreich ge richtet, auf die Mächte, welche bei Gebietserweite rungen Rußlands in Europa, wie in Asien am meisten interesstrt sind und denselben durchaus ab wehrend gegenüberstehen. Lord Beaconsfields Worte am Lordmajorsbankett könnten sich plötzlich auf eine schwere Probe gestellt, und das Vertrauen Oester reichs auf Rußlands Uneigennützigkeit könnte sich sehr getäuscht sehen, wenn Rußland durch entschei dende Siege auch an der Donau sich zu „Ersatz ansprüchen" in der Form von Gebietserweiterungen berechtigt hielte und die Türkei einwilligte, denselben zu entsprechen. Dem gegenüber würde England höchstens Oesterreich für sich haben, denn die übrigen Mächte, welche bei der Genehmigung eines russisch türkischen Friedens in Betracht kommen, Deutschland voran, dürften das Prinzip der Entschädigung für die Kriegskosten acceptiren; aber ein russischer Ver zicht auf Gebietserweiterungen in Europa, würde Oesterreich beruhigen und England vor die Frage stellen, ob es allein im Stande sei, den für den Fall der Einverleibung Armeniens angedrohten Krieg gegen Rußland zu führen, unv auf diese Frage kann cS unseres Bedünkens nur eine verneinende Antwort geben. So ist denn die politische Perspective, welche der Fall von KarS eröffnet, für Rußland sehr günstig, wenn auch die Erreichung der russischen Ziele selbstverständlich noch vom Verlauf der Er eignisse in Bulgarien abhängt. In englischen Regierung-kreisen scheint die Stimmung sehr unbehaglich zu seifig Der „Stqn- dard" — das Blatt de« Premierministers, schreibt