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1877 Sonnabend, den 24. November. für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -er Kgl. Amtehauptmannschaft und -er Kgl. Schulinspection zu Kautzea sowie -es Königlicken Gericktsamtes und -es Sta-tratstcs zu Dischofowerda. Dirse Zeikschrist erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabends und kästet einschließlich der Sonn abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark LV Pfg. (15 Ngr.). Inserate werden bi« Dienstag« und Freitags früh S Uhr angenommen und kostet die gesprltene Corpuszeile oder deren Raum lv Pfennige. er HW'che Mr Mer, 'N« Zf« In den Friedhof, wo gefunden Ruh' im letzten Kämmerlein, Die in schnell verrauschten Stunden Du mit Lust genennet dein, Trete an dem heut'gen Tage Ein mit deines Herzens Klage. Solch ein stiller Friedhofgang Bringt dir Segens lebenslang. An den Gräbern lernst du lieben, Wie man wahrhast lieben muß, Wem die Lieb' in'S Herz geschrieben, Fürchtet nicht des Todes Gruß. Von den Gräbern, stumm und offen, Flieht die Freude, weicht das Hoffen, Doch die Liebe hält noch warm, Was erstarrt in Todes Arm. An den Gräbern hernst Du glauben. Diesen Trost, von Gott gesandt, Laß dir nicht von Thoren rauben, Die dem Staube zugewandt. Wem ein Blick voll Lieb' geleuchtet, Wem der Schmerz den Blick gefeuchtet, Den umweht im tiefsten Leid - Mild das Glück der Ewigkeit. Gedenke Mensch, daß du einst sterben mußt! Kein Tag des Jahres führt dringender diesen Mahnruf uns zu Gemüthe, als der heutige, an dem wir das Gedächtniß unserer lieben Heimgegangenen feiern. Wir Alle, ob reich, ob arm, ob alt, ob jung - sind dem Tode verfallen, der Eine früher, der Andere später. Die von uns Geschiedenen haben die gc- heimnißvoll dunkle Bahn zurückgelegt, die wir Alle, Alle wandeln müssen. Und wer cs auch sei, Jeder, der Menschen geliebt und sie in die Gruft hat betten müssen, er kehrt vom stillen Grabe nicht heim, ohne über die Vergänglichkeit, und Richtigkeit des irdischen Daseins nachzudenken. Wir sind ja weit mehr in Anderen vorhanden, als in dem, was wir unser Selbst nennen, wie wir von dem Leid Anderer schmerzlicher berührt werden, als von dem eigenen, ss»,inad»«ipßst« Jahrgang. WWWMl' . ... - . , . , An den Gräbern lernst du tragen, Was dein Gott dir auferlegt; Eine Stunde wird einst schlagen, Die den Schmerz zur Ruhe trägt. Friedlich, wie im Mutterarme Ruhen, frei von jedem Harme, Deren Äug', eh' eS sich schloß, Oft von Thränen überfloß. An den Gräbern lernst du sterben, Eh' der Tod dein Herz berührt, Daß dich nicht das eitle Werben Um das Glück der Welt verführt. Flüchtig sind die ird'schen Zeiten; Bald, gar bald wird man bereiten, Wo bewegt hem' stehest du, Dir eia Bett zur letzten Ruh'! Ja, am Grabe deiner Todten Dringt ein Segen dir in'S Herz, Sie sind Gottes heil'ge Boten, Die dich führen himmelwärts, Und mit süßem Trost begäbet, Der dich lebenslänglich ladet, Kehrst Du, reich an sel'gem Glück, In dein irdisch Haus zurück. dem wir Muth und Hoffnung entgegensetzen. Aber wie wir in Andern gelebt haben, das lernen wir erst ermessen, wenn sie der Tod uns entrissen; und wie in Anderen zu leben die Aufgabe unseres mensch lichen Daseins ist, daran mahnt uns ihr Grab; daran mahnt uns das Wort des Dichters: O lieb', so lang du lieben kannst, O lieb', so lang du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Ein herrliches, wahres Wort! In Anderen leben, in ihnen das verklärtere Menschenbild lieben — das ist de« Lebens höchster Werth. Wir begreifen dies tiefer bei der Gedächtnißfeier eines geliebten Todten, denn nirgends schwelgt die Liebe in solcher Innigkeit, wie an den Gräbern, die ihre Hoffnungen