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Oft en en. sM7 Mittwoch, den LS. August .'tener mzen. Politische Weltschau. Wie oft auch die Kaiser Wilhelm und Franz Joseph einander begegnet sind, kaum jemals geschah es unter so eigcnthümlichen politischen Umständen wie in vergangener Woche. Begreiflicherweise ist man da geneigt, der Zusammenkunft von Ischl eine große wirksame Bedeutung beizumessen. Sicherlich mit Unrecht. Selbstverständlich ist die bedrängte Lage Desjenigen, der in den Berliner September tagen des Jahres 1872 ter Tritte im Bunde war, zwischen den beiden Monarchen nicht unerwähnt geblieben; auch die voraussichtlichen Folgen dieser Lage mögen Gegenstand eines Meinungsaustausches gewesen sein. Daß aber auf Grund desselben irgend welche Entschließungen gefaßt seien, ist durchaus nicht anzunehmen. Für Deutschland liegt keinerlei Anlaß vor, seine Politik gegenüber der orientalischen Frage zu ändern. Diese Politik ist von Anfang an die der größtmöglichen Reserve gewesen. Das deutsche Reich hat die Bestrebungen zur Herbeiführung eines besseren LooseS der Christen in der Türkei, so lange dieselben auf diplomatischen Wege gepflogen wurden, aufrichtig unterstützt; es hat, als dieser Weg sich erfolglos erwiesen hatte, den von Rußland für den gleichen Zweck schon vorher angekündigten Krieg ruhig geschehen lassen. Rußland hat zwar versucht, sich, indem es den Krieg unternahm, als den Vollstrecker der Wünsche Europas hinzustellen; die deutsche Regierung aber hat dazu geschwiegen und jedenfalls keinerlei Ver pflichtungen übernommen, im Nolhfalle Rußland in dieser Vollstreckunzsarbeit Hilfe zu leisten. Bis her ist es bei der Politik geblieben, welche Fürst Bismarck am 5. December v. I. mit den Worten bezeichnete: „Ich werde zu irgend welcher activen Betheiligung Deutschlands nicht rathen, so lange ich in vem Ganzen für Deutschland kein Interesse sebe, welches auch nur - entschuldigen Sie die Derbheit des Ausdrucks — die gesunden Knochen eines einzigen pommerschen Musketiers werth wäre." Heute ist die russische Armee in Bulgarien nach glänzenden Erfolgen von schweren Mißerfolgen heimgesucht, aber ist damit für Deutschland irgend welcher Anlaß gegeben, von jener Linie abzugehen? Fürst Bismarck hat die Möglichkeit «ine» Positlons- AweiundLreißigster Jahrgang. Wechsels nur für den Fall in Aussicht gestellt, daß der russisch-türkische Krieg das von Rußland aus gestellte Programm überschreiten würde. Dieser Fall liegt bis jetzt weder nach der einen noch «ach der andern Richtung vor. Also ist auch kein GruNd einzusehen, weshalb Deutschland aus der bisherigen Reserve herauslreten sollte. Oesterreich wird ohne Zweifel von den Vorgängen in der Türkei weit unmittelbarer berührt. Aber Niemand kann ver kennen, daß seine Interessen durch den dortigen Krieg gerade in diesem Augenblicke weniger bedroht sind, als je vorher. Die „Bedrohung" wurde hauptsächlich in der Wahrscheinlichkeit russischer Eroberungen an der Donau gefunden. Dies« Wahr scheinlichkeit ist aber durch die Wendung des KriegS- glücks in den letzten Wochen gewaltig abgeschwächt. Selbst die Benutzung Serbiens für russische Trup pendurchmärsche, ja die active Betheiligung Serbiens am Kriege würde unter den heutigen Umständen Oesterreich weit weniger Bedenken einflößen können, als zur Zeit des russischen Vordringens mit einer noch ungeschwächlen Hecresmacht. Auch für Oesterreich könnte also schwerlich ein Anlaß vorliegen, seine Stellung zu den orientalischen Dingen zu ändern. Vergebens fragt man sich bei solcher Sachlage, WaS eigentlich die beiden in Ischl zusammengetroffencn Monarchen Gemeinsames hätten beschließen können. Im Anschluß an ein Gerücht, daß die türkische Regierung unter der Bedingung der Gewährung der Selbstherrschaft an Bulgarien unter christlichen Gouverneuren zum Friedensschlüsse bereit sei, Tst in der Presse von einer in Ischl zu vereinbarenden Friedensvermitlelung die Rede gewesen. Die be freundete Stellung beider Kaiser zu dem Czaaren würde aber den Gedanken an eine solche Ver mittelung nur zulassen, wenn dieselbe von Rußland ausdrücklich nachgcsuchl wäre. Dies ist jedoch sicher lich nicht geschehen : Kaiser Alexander mag persönlich dem Frieden sehr geneigt sein, er würde aber °Mhr- scheinlich in seiner Armee und ganz gewiß in seinem Lande auf den bedenklichsten Widerspruch stoßen. Nach alledem wird man sich unsere- BedÜnkrnS aller scharfsinnigen Conjecturen Über die Äfchber Kaiserbegegnung entschlagen müssend Ohne jede po litische Bedeutung ist dieselbe jedoch' nicht. ' Sie beweist auf jeden Fall /daß däS^ tzutt Brrhälkniß > - ' - > "> > .u '!. nun Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpen rmd Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtohanplmannschaft und der Kgl. Schnlinspection zu Dauihen sowie -es Königliche» Verichtsamtes und des Stadtrathea zu Dischofswerda^ Düse Stilschrist erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnaveud» und kästet einschließlich der Sonn abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich l Mark LV Psg. (lL Ngr.). Inserate werden di« Dienstag« und Freitags früh 0 Uhr angenommen und kgstet die gesp iltene Corpuszeile oder deren Raum lll Pfennige.