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Sonnabend, den 7 J«li Die Griechen in der Türkei Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -er Kgl. Amtohaupttnannschaft und -er Kgl. Schulinfpection zu Kautzen sowie -es Königlichen Verichtsamtes und -es Sla^trathes zu Dischofswer-a. schub leistete. So kam denn auch dieses, das in kftch- kicher Hinsicht nie dem griechischen Patriarchen unter worfen war, in einen Gegensatz zu den Hellenen; und als vor zwei Jahren der Slavenaufstand begann, glaubten die Griechen im Phanar sowohl wie in Athen rhren Borkheil besser zu wahren, wenn sie sich mit den Türken gegen die Slaven verbündeten. Sie freuten sich des Vernichtungskrieges, den gegen diese die Türken führten, weil sie hofften, wenn erst die Führer der Bulgaren dahingerafft wären, so würden die Massen wieder Schutz beim griechischen Pa triarchat suchen ; und wenn auch ihre Sympathie für die Türkenherrschaft nicht so weit ging, daß sie sich in's türkische Heer einreihten, so unterstützten sie doch die Pforte mit Geld und waren glühende An hänger der Midhat'schen Reformen, weil sie in einem ottomanischen Parlament vermöge ihrer geistigen Ueberlegenheit und ihres ReichthumS über Slaven und Türken glaubten herrschen zu können. Erst als Rußland ernstlich sich anschickte, für die Befreiung der Südslaven das Schwert zu ziehen, befiel die griechischen Politiker, besonders in Athen, die Furcht, bei einer Neuordnung der Dinge auf der Balkanhalbinsel könnte das Hellenenthum zu kurz kommen, und die Gefahr des Zusammengehens mit den Türken wurde erkannt. Das Königreich gerieth in eine nationale Bewegung und rüstete weit über seine Kräfte hinaus ; von England bedroht, von Ruß land abgewiesen, mußte die athenische Regierung den Phanar zu gewinnen suchen, da die Griechen in der Türkei doppelt so zahlreich und viel wohlhabender sind als die im Königreich. Dies scheint ihr auch gelungen zu sein, und mit dem Uebergang der Ruffen über die Donau brach der Aufstand in Thessalien aus. Wenn nun auch Rußland die griechische Bewegung nicht grrUe sieht, so wird eS bei einer Reorganisation der Balkan halbinsel aber doch nicht mehr die näti'onal-slavisch«« Interessen allein geltend machen können, sondern eS wird gestatten Müssen, daß auch die griechischen An sprüche berücksichtigt werde», Menn sie gleich zuletzt hrrvorgetreten find. Die Rolle, welche die Hellenen seit dem Aus bruch der letzten orientalischen Krisis gespielt haben, läßt sich sehr leicht au» den nationalen Gegensätzen zwischen dem Slaventhum und dem Hellenenthum erklären. Unter der türkischen Herrschaft nahm die griechische Kirche auf der Balkanhalbinsel eine bevor zugte Stellung ein. Der ökumenische Patriarch in Constantinopel genoß bedeutende Privilegien, die ihm von verschiedenen Sultanen verliehen worden waren, und herrschte in kirchlichen und socialen Dingen fast unumschränkt über die Griechen und die zur griechi schen Kirche gehörigen Slaven. Der Einfluß des Phanars — so heißt der Stadttheil Constantinopels, den der Patriarch und die vornehmen Griechen familien bewohnen — erstreckte sich über den ge- sammten Orient; vom Phanar au« wurde der grie chische Aufstand in den zwanziger Jahren angefacht und der Krelcnseraufstand im Jahre 1867 unter stützt. Erst als die national-slavische Bewegung er wachte, wurde die Allmacht des griechischen Pa triarchats erschüttert. Aus den Verhältnissen ergab sich, daß diese Be wegung sich zunächst gegen die herrschenden kirchlichen Zustände richten mußte. Auch bei den Slaven war die Kirchensprache die griechische und alle einträg lichen Kirchenämter wurden mit Kreaturen des Phanar besetzt, welche der slavischen Sprache unkundig waren, für die geistigen Bedürfnisse ihrer Glaubensgenossen keinen Sinn hatten und ihre Stelle nur zur Be friedigung ihrer Habsucht und Genußsucht auSbeuteten. An der niedrigen Culturstufe der Slaven auf der Balkanhalbinsel ist nicht sowohl die türkische Herr- fchast als vielmehr das kirchliche Regiment des Pha- nars schuld. Der erste Stoß gegen die Herrschaft desselben ging von den Butzarea au», welcher zu Ende der Sechziger Jahre mit Rußland» Hilfe eS durchsetzten, daß sie ritte unabhängige nationale Kirche mit eigenem Patriarchat erhielten. Der Pforte kam e« damals gar nicht ungelegen, daß der Phanar eine Niederlage erlitt imd dadurch Slaven und Hellenen in eine erbitterte Feindschaft geriethea die sich noch steigerte, als Rußland dem kretische« Ausstand keinen Bor- Awchmhdretßigst« Jahrgang. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Souuavenv« und kostet einschließlich der Sonn abend» erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark SO Pfg. (IS Ngr.). Inserate werden bi» Dienstag« und Freitags früh S Uhr angenommen und kostet die gespiltene Corpuszeile oder deren Raum 1V Pfennige. 11877.