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Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend»^ Amtsblatt -er Kgl. Amtshauptmannschafl und -er Kgl. Schnlinfpection zu Pautzea/ sowie -es Königlichen Verichtoamtes und -es Sta-trathes zu Difchofswer-a. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabends und kostet einschließlich der Sonn»' abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark b(> Pfg. (15 Rgr.). Inserate werden bis Dienstag« und Freitag« früh » Uhr angenommen und kostet die gesp-ltene Corpus,eile oder deren Raum IS Pfennige. 1877. Der russisch-türkische Krieg. So wären denn die Würfel endlich gefallen und der russisch-türkische Krieg kein Object des Zweifels mehr. Bermuthlich vergehen noch einige Tage, bevor die Kanonen jene Verhandlungen wieder aufnehmen, welche die Diplomatie zu einem glücklichen Ende nicht zu führen vermochte. Auch 1828 verstrichen mehr als drei Wochen zwischen dem russischen Kriegs manifeste (14. April) und dem Pruth - Uebergange (7. Mai). Ob der Krieg localisirt d. h. auf Ruß land und die Türkei beschränkt bleiben, oder sich zu einem europäischen Brande ausdehnen wird, — das ist eine Frage, die heute zwar vielfach ventilirt, aber wohl von Niemand mit Gewißheit beantwortet werden kann. Wir glauben an die Localisirung desselben, falls Rußland mit ein oder zwei wuchtigen Schlägen den Gegner zu Boden wirft. Geschieht dies nicht, dann fürchten auch wir eine Einmischung anderer Nationen und somit eine Verallgemeinerung des Kampfes, der ganz Europa in seinen verhängnißvollen Strudel ziehen kann. Blicken wir zunächst nochmals auf die Vorgänge zurück, welche zum Kriege führten. Alle Welt weiß, daß er durch Rußland von langer Hand vorbereitet worden ist. Wenn die Pforte die Bedingungen, welche Rußland im Londoner Protokoll für seine Abrüstung gestellt, nicht erfüllen mochte, ja wohl auch nicht erfüllen konnte, so trifft sie kaum deshalb ein Borwurf. Rußland hat erklärt daß es zur Be dingung der Abrüstung den Friedensschluß mit Mon tenegro mache Nun hat man inzwischen vernommen, daß der Fürst von Montenegro der Pforte unan nehmbare Bedingungen gestellt. Deputirtenkammer und Senat in Constantinopel haben erklärt, daß der Frieden mit Montenegro von der Pforte durch keinerlei Gebietsabtretungen erkauft werden dürfe. Es ist die Unterstellung nicht gestattet, daß diese Entschließungen unter irgend einem Drucke gefaßt seien, nach der Zusammensetzung beider Körperschaften ist vielmehr anzunehmen, daß ihre Mehrheit in diesem Falle wirklich so denkt, wie sie spricht. Man kann also höchstens einwenden, die Pforte habe, um ihre Ent schließungen mit dem Scheine der BolkSthümlichkeit zu bekleiden, jene Versammlungen so zusammengesetzt, wie sie dieselben jur Zeit brauchte. Wie viele Re gierungen in Europa sind aber in der Lage, von sich etwas Besseres rühmen zu können; in Rußland ist man noch nicht einmal soweit gelangt, daß auch nur der Schein einer Volksvertretung neben der Re gierung geduldet würde. Die Pforte hat ferner — und es kann ihr diese Enthaltung von jeder Heuchelei bei der öffentlichen Meinung nicht zum Nachtheil gereichen — das Lon doner Protocoll zurückgewiesen; sie hät aber gleichzeitig in einer Circulardepesche Savfet Pascha's an die Vertreter der Pforte bei den fremden Mächten wiederholt ihre Bereitwilligkeit ausgedrückt, innerhalb des Rahmens der Reichsverfassung Re formen zu gewähren, auch der Wiederholung ähnlicher Excesse, wie der vorjährigen in Bulgarien vorzubeugen. Die Controle der fremden Mächte über die innere Verwaltung müsse sie jedoch als eine mit ihrer Sou- veränetät unverträgliche Einmischung zurückweisen. Schließlich werden die geforderten Zugeständnisse als solche bezeichnet, die nur ein besiegter Staat ein- ränmen könne. Kurz gesagt: die Pforte zieht den Krieg mit seinen Wechselfällen einer friedlichen Er gebung in das ihr zugedachte Schicksal vor; sie will lieber die Hand am Schwerte sterben, als am Pro tocoll verderben. Von den Vertragsmächten hat England sofort seine Vorbehalte gemacht. Führt das Protocoll nicht zum Frieden, sondern war eS nur eine Etappe aus dem Wege zum Kriege, so ist England jeder Ber« Kindlichkeit aus dem Protocoll ledig. .Es hat seinen Inhalt im Einzelnen nicht durchweg gebilligt, sondern ihm nur im Ganzen zugestimmt, von der Hoffnung geleitet, daß für Rußland durch die Zustimmung der Pforte zum Protocoll der Kriegsfall hinweggeräumt werden möchte. Da nun die Pforte das Protocoll ablchnt, weil sie sich nicht den Bertragsmächten inS- gesammt gegenüber binden will, während Rußland einseitig aus seiner Nebeuforderung den Kriegsfall herleitel, so wird ihr diese Ablehnung auch nicht weiter zum Nachtheils bei den übrigen Vertrags mächten gereichen. Auf eine selbst nur moralische Unterstützung von Seilen einer derselben, namentlich Englands, hat die Pforte ja überhaupt nicht zu rechnen. Etwaige spätere Einmischungen inden russisch-türkischen Krieg sind Leswegen niA aus-» schloffen, nur werden sie, wenn sie stattfinden, lediglich