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für ' Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -er Kgl. Amtshauptmannschaft nn- -er Kgl. Schnlinfpection zu DantzeN, sowie -es Königlichen Gerichtsamtes un- -es Sta-trathes zu Kischofswerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabends und tastet einschließlich der Sana» abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mart SO Pfg. (IS Rgr.). Inserate werden bi« Dienstag« und Freitags früh S Uhr angenommen und kostet die gespaltene Corpuszeile oder deren Raum 10 Pfennige. 22. j Sonnabend, den 17. März. j 1877 Reformftist für die Türkei. Im Augenblick coursiren wieder Gerüchte über eine neue diplomatische Action, welche den anscheinend unmittelbar bevorstehenden Krieg zwischen Rußland und der Pforte wenn nicht verhindern, so doch um mindestens ein Jahr hinausschieben soll. Es würde sich nämlich darum handeln, der Türkei eine an gemessene Frist für die Durchführung der Verfas sung und der sonstigen Reformen zu gewähren, nach deren Ablauf erst eine europäische Intervention oder Execution eintrelen könnte — unter der Voraus setzung natürlich, daß die Mächte über den Modus einer solchen zu einer Verständigung gelangten. Gegen die Idee einer derartigen Concession, die schon von Midhat Pascha angeregt war, läßt sich an und für sich keine begründete Einwendung er heben, wenn man von der Annahme ausgeht, daß die hohe Pforte nicht blos den Willen, sondern auch die Macht hat, ihre Versprechungen gewissenhaft zu erfüllen und diejenigen Reformen durchzuführen, welche zur Besserung der Lage der Christen in der Türkei von Nöthen sind — und von dieser Annahme scheinen mit Ausnahme Rußlands sämmtliche anderen Mächte in der That auszugehen. Daß man zur Umwand lung eines despotisch regierten Reiches in ein kon stitutionelles Zeit gebraucht, ist ja klar, und zu ver wundern ist nur, daß hierzu der Pforte eine so kurze Frist gewährt werden soll. Wie sollen denn die Staatsmänner am Bosporus mit der ihnen gestell ten Riesen-Aufgabe in einem Jahre oder auch in dreien fertig werden, wenn beispielsweise die Staats männer an der Spree e» nur natürlich finden, daß die Lösung einer Bagatellfrage wie der der Aufhebung gewisser protestantischer „Domstifter", seit 1815 „im Zuge", aber heute noch nicht zu einem Resultat gekommen ist? Wie oft mögen sie dort weit hinten in der Türkei ihre College» in Berlin beneiden, die e« sich mit der Durchführung von Reformen so bequem machen können? Midhat Pascha verlangte'drei Jahre, und dieses Ver langen hat noch einen Sinn, denn drei Jahre lang könnte Rußland seine Armee nicht am Pruth müssig stehen lassen, sondern es würde abrüsten müssen, und für das Weitere würde Allah sovgeoi Englandjedoch, daß die Idee mitbe- sondütt Boüieve aufgefaßt uttz» bereit» in den diploma- -kochmtzbfrißtHsiex Jadrgmip tuschen Verkehr gebracht hat, hält Ein Jahr für genügend, und soll darin, dem „Memorial diplomatique" zu folge, der Zustimmung der übrigen Mächte begegnet sein. Ob der Vorschlag schon in St. Petersburg ge macht ist, weiß man noch nicht gewiß, das „Jour nal de St. Petersburg" verräth aber bereit« die eventuelle Antwort Rußland«. Es vergleicht die Türkei mit einem schlechten Schuldner, der die auf Ehrenwort contrahirten Schulden niemals bezahlt habe und sicherlich keinen größeren Credit verdiene, wenn er statt deren einen Wechsel auf lange Sicht unterschreibt, und stellt einen russischen Gegenvor schlag in Aussicht, dahin gehend, daß England be stimmte Verpflichtungen zur Execution für den Fall übernehme , daß die Pforte innerhalb der ihr fest zusetzenden Frist die entsprechenden Reformen nicht ausgeführt. Von für die Zukunst bindenden Ver pflichtungen will aber England so wenig wie die anderen Mächte wissen, und sein Vorschlag wird also zu nichts führen al« zu diplomatischen Pour parlers, in welche die Türkei wie es scheint, unter Hinweis auf ihren strammen Reformwillen da« Ver langen werfen will, daß Rußland abrüste, weil sie ihrerseits für die Durchführung ihrer Versprechungen einer gesicherten Friedensbasis bedürfe. Nehmen wir aber an, der englische Vorschlag werde ohne russischerseits geforderte Garantien an genommen : was würde die Welt dabei gewinnen? Doch nichts als ein weiteres Jahr der Ungewißheit und der Stockung in Handel und Wandel mit ganz derselben Aufsicht auf den Ausbruch eines Kriege«, die uns heute beängstigt; denn/daß selbst die Durch führung der türkischen Verfassung das LooS der Christen nicht wesentlich bessern würde, da diese Ver fassung ja die unverkennbare Bestimmung hat, die Alleinherrschaft der Muselmänner zu sanctioniren, das wird unter Leuten mit gesundem Menschenver stand doch wohl kaum zweifelhaft sein. Die Pforte will und kann nicht erMen, wa« von ihr verlangt wird, und daher hat jede Fristgewährung nur die Bedeutung jener Auskunft-mittel der Verlegenheit, die stet« das Uebel ärger machen, und wird von Rußland —fall« diese« nicht wirklich rine goldene Rückzugrbrücke sucht und ernstlich abrüsten mll — schwerlich je gebilligd-Merden,