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Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpen «n- Umgegend. Amtsblatt -er Kgl. Amtoha tmannschaft vn- -er Kgl. Schnlinfpection zu Pärchen, sowie -es Königlichen Verichtsamtes un- -es Sta-tratheo zu Kischofswerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch» und SounabeudS und kostet einschließlich der Soun» abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark 50 Pfg. (15 Ngr.). Inserate werden dir Dienstag» 2 und Freitags früh » Uhr angenommen und kostet die gesp-ltene Corpuszeile oder deren Raum 10 Pfennige. ! Sonnabend, den 24 Februar ! 1877. Ein Verleumdungsprozeß. Vor einigen Tagen ist in Berlin der Heraus geber der «Social-politischen Correspondenz", vr. Rudolf Meyer, wegen Beleidigung des Fürsten Bis marck zu neun Monaten Gefängnißstrase verurtheilt worden. Meyer hat den Fürsten Bismarck beschuldigt, rin Gründer zu sein, sich mit einer halben Million an der Gründung der preußischen Bodencredit-Actien- gesellschaft betheiligt und dabei außerordentliche Vor theile bezogen zu haben. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß den Behauptungen des Vr. Meyer auch nicht die geringste den Fürsten Bismarck belastende Thatsache zum Grunde liege. Was Meyer erzählt, war reiner Klatsch und genau so entstanden, wie solcher Klatsch zu entstehen und verbreitet zu werden pflegt, gleichviel ob er von alten Weibern auf der Straße ausgeheckt oder in den feinsten Kreisen der deutschen Residenz breit getreten wird. Die Ent scheidung des Prozesses hat gleichwohl in der stoff armen Gegenwart die Bedeutung eines sensationellen Ereignisses erlangt und ist auch im Auslande als solches auSgebeulet worden. Ein ausländisches Blatt wirft, nachdem es seinen Lesern den Verlauf der Gerichtsverhandlung in dem erwähnten Prozesse mitgetheilt, die Frage auf, welche Rückwirkung es auf die politische Stellung des Fürsten Bismarck hätte haben können, wenn dieser in der That seinem Banquier freie Hand gelassen hätte, bei der Verwaltung seines Vermögens jede beliebige einträgliche Operation zu vollziehen, also auch gelegentlich Gründungsbetheiligungen anzu nehmen? Diese Frage wird indirect durch einige historische Parallelen beantwortet, von welchen wir nur die nachfolgende anführen wollen. Von Julius Cäsar — so heißt es in jenem Blatte — erzählten die Sittenstrengen, daß er sich in seiner Jugend schändlichen Lüsten hingegeben habe, die Rangirten spotteten, daß sein Tredit mit der Größe seiner Schulden zu wachsen scheine; die Nachlässigen ent rüsteten sich über die Sorgfalt, womit er sein Haupt haar ordnete und pflegte, und zuletzt höhnte man, daß er den Lorbeerkranz vorzüglich deshalb trage, um seine Glatze zu verhüllen. Dieser selbige Cäsar dehnte aber nicht nur die Grenzen des römischen Reiches über den Rhein und über den englischen , zwchmbdMßlßskr Aabr-antz. Canal aus, sondern er hat durch die Romanisirung de» Westens erst der christlichen Cultur den Weg geebnet und damit für den Fortschritt der Mensch heit mehr geleistet, als Millionen von Biedermännern vom Schlage Cate'S, des strengen CensorS. Dies die Parallele, welche zu dem Schluffe führen soll, daß der Maßstab der bürgerlichen Moral an die Handlungen großer Männer der Geschichte und also auch BiSmarck's nicht gelegt werden dürfe. Deutsch land — so führt das Eingang» erwähnte Blatt fort — hat seit Jahrhunderten keinen genialeren Staats mann hervorgebracht, als den gegenwärtigen Reichs kanzler, der für die politische Machtstellung de» Reiches mehr geleistet hat, als ein Hundert deutscher Regenten; und wenn nun dieser Mann von den Arnim, Gehlsen, Meyer und Genossen überführt würde, eine Betheiligung von der Boden - Credit« gesellschaft angenommen zu haben, würde man des halb sein politisches Werk als ein unsittliches be trachten, oder würde er die politische Fähigkeit ver lieren, auch fernerhin die Geschicke des Reiches zu leiten? Dies wird verneint und die durch den Re dakteur der „Socialpolitischen Correspondenz" inscenirte „politische Gründer-Campagne" gegen Bismarck ein kindisches Unternehmen genannt. So schillernd nun die ganze Argumentation ist, so wird sie in Deutschland doch keinen allgemeinen Beifall finden, denn hier hat der Maßstab der bürger lichen Moral auch in politischen Dingen noch die ihm gebührende Geltung, und daß aus der Gerichts verhandlung gegen Meyer auch die moralische Inte grität unseres großen Staatsmannes intact hervor ging, das bereitet jedem ehrlichen Manne unter uns s den höchsten patriotischen Triumph, wie es ihn nur mir der tiefsten Beschämung erfüllen kann, daß in I unserer Nation eine conservative Partei existirt, in >- deren Schooß als letztes Mittel zur Vernichtung eines politischen Gegners auch der verleumderische Angriff auf die Mannesehre angewendet wird. Wahrlich die vornehmen Kreise, in welchen die Denunciationen eine» Rudolph Meyer entsprungen sind und Unterstützung fanden, haben sich damit ein schlimmes Denkmal errichtet, da» nicht sobald in Vergessenheit gerathen wird. Da» uvilir et' aprös äemolir („erst erniedrigen und dann ver nichten") ist eine Waffe, die gegen sie selbst ihr»