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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Amtsblatt Le» Königlichen Verichtsamtes und de« Stadtrathe« z« Kifchofswerda 1874 Sonnabend, den 7. November Schlimme Zustände. M«uwd,»«v«sta Schr-ao«. Vies« Seitschrtst erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabends, und k»ket einschließlich der Sona« abend« «scheinenden > „belletristischen Beilage" vi«teljShrlich lü Ng«. Inserate w«den bi« Dienttag« und Freit-r» früh V Uhr angenommen und kostet die gespaltene Torpurzeile «der deren Raum 1 Ngr. ' . Die neuesten Greuelscenen in Podgoricza, dem durch häufige blutige Raufereien zwischen Türken und Montenegrinern übel berüchtigten Grenzorte in der Herzegowina, lenken die Aufmerksamkeit civilisirter Staaten wieder einmal hin auf den Südosten Europa's, wo die innere Fäulniß aller socialen Verhältnisse Lurch jene Vorgänge unzweideutig zu Tage tritt. Massenweise haben fanatische Anhänger des Propheten Muhamed auf offenem Markte unbewaffnete Monte negriner, die an sich freilich auch nicht sehr zahmer Natur -sind, niedcrgemetzelt und dadurch ihrem Padischah die Laune verdorben, da die nicht ausbleibenden Reklamationen des Auslandes ihn, den ohnehin so viel geplagten Familienvater mit neuen Regierungs sorgen beschweren. Es fehlt zwar auch in den -romanischen Völkern, ja sogar im lieben deutschen Vaterlande nicht an Rohheit und Barbarei, an Excesfen mit und ohne Messer; aber derartige bestialische Massenmorde im tiefsten Frieden, wie sie in den östlichen Donäuländern häufig sind, kommen im Westen Europa's höchstens einmal in Zeiten wilder kriegerischer Aufregung vor, wie in den Tagen der Eommune in Paris oder gegenwärtig bei den carlistischen Mordbrennerbanden in Spanien. Wie gesagt, es sind zwischen den wilden Grenz bevölkerungen des Ostens solche grausige Vorfälle gar nicht selten; sie führten sogar vor wenigen Jahren in der Regel zu großartigen Rachezügen. Früher würde der ganze Stamm der Montenegriner sengend und mordend von den schwarzen Bergen nach Albanien hinabgestiegen sein und nicht eher geruht haben, als bis er seinen Rachedurst in dem Blute der doppelten Anzahl Türken gestillt hätte. Daß eS diesmal nicht so gekommen, ist immerhin ein gutes Zeichen für die kräftige Regierung und die Besonnenheit de» Fürsten Rikita von Montenegro Er hat entschieden vaS Recht auf seiner Seite! die Ermordung eine» Türke« durch einen anderen Anhänger des Halbmondes in Podgoricza hatte eine Metzelei zu Wege gebracht, bei der die Montenegriner mit Hinterlassung von zwanzig Schlachtopfern dem Platz räumt«, weil sie in der Minderzahl wäM. sogar in seiner Haupt- und Residenzstadt Eettinge durchsetzte, die dort anwesenden türkischen Handels leute unter sicherem Schutz ungefährdet auf türkisches Gebiet zu bringen. Aber Nikita hat nicht bloS bei der Pforte mit aller Energie beantragt, daß durch die türkischen Behörden eine strenge Untersuchung der Metzelei und eine exemplarische Bestrafung der Schuldigen ver hängt werde, sondern er stellt auch die Forderung: daß die in Scurari residirenden Consule der Groß mächte zu dem Schiedsgerichte hinzugezogen werden und droht zugleich, die ganze Angelegenheit der Ent scheidung der Großmächte zu unterbreiten. Die Be stechlichkeit türkischer Beamten ist weltbekannt und es will wenig sagen, wenn aus Scutari berichtet wird, daß die inzwischen eingesetzte türkische Unter suchungscommission bereits mehrfache Verhaftungen vornehmen ließ und Maßregeln zur Ausrechthaltun^ der Ruhe anordnete. Fürst Nikira kennt die türkische Justiz sehr gut und seine nahen Beziehungen zu Rußland wie zu Oesterreich-Ungarn dürften es ihm wesentlich erleichtern, eine dem Sultan sehr unbe queme Intervention des Auslandes herbeizuführen. Die Sorgen des kranken Mannes würden dadurch stark vermehrt werden. Mit seinem Bemühen, im Widerspruch mit der bisherig« Thronfolge ordnung in Constantinopel statt de» Bruders dem ältesten Sohne einmal die Fahne des Propheten und die Herrschaft über die Gläubigen zu hinter lassen, will es auch nicht recht vorwärts gehen. Dazu behaupten die von der Pforte abhängigen Donaufürstenthümer, Rumänien voran, da» Recht zu besitzen, mit anderen Staaten selbstständige: Zoll- und Handelsverträge abschließen z« dürfen und darin finden sie zum Verdruß der türkischem Regierung bei Oesterreich, sogar wie mau neuerding» behauptet, auch bei Deutschland und Rußland, kräftige Unterstützung. j - -j- Die» Alles ist wahrlich für- den Beherrscher dem Gläubige« fatal und beunruhigend genug. Und nun gar noch die bitterböse finanzielle Krisis, in der sich das osmanische Reich seit der nicht zu Stande gekommenen Anleihe von 1873 befand, die . , , .. jetzt freilich durch die Kunst de» Großvqier»! De Der Tod de» Türken war fälschlich einem Möntrne- den Augenblick beseitigt scheint, thatsächlich Mr griner zur Last gelegt. Da muß man e» eigentlich immer noch anhält, da durch die mit der o«ma-