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für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -es Königlichen Gerichtoamtes und -es Sta-trathes zu KischofswerLa. Dies« Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch- and Sonnabend«, und kästet einschließlich der Sonn» »bendt erscheinenden „belletristische» Beilage" vierteljährlich IS Rgi. Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« früh 0 Uhr angenommen und kostet die gespaltene Sorputzeile »der deren Baum 1 Slgr. 80. §Sonnabend, den 1v. Oktober. j 1874. Die preußische Regierung und der Socialismus. Erst im Laufe dieses Jahres sehen wir die Preußische Regierung mit einiger Energie gegen die focialisiische Bolksverführung auftreten. Es sind socialdemokratische Vereine suspendirt, Versammlungen aufgelöst, allzudreiste Aufwiegler mit einem ernstlicheren Strafarrest belegt worden. Außer bei ihres Gleichen und einem Theil des bethörten Anhanges finden diese Maßregeln nirgends Bedauern. Im Gcgen- theil, die ordentlichen Leute und zwar in den unteren Elassen selbst, haben sich längst gewundert, daß die Behörden den Aufwieglungen von Personen, die sich von der eigenen Hände Arbeit nicht ernähren mochten und sich ein neues Handwerk aus der Aufregung ihrer Standesgcnossen bildeten, so ünthätig zusahett und die gröbsten Excesse in Wort und Schrift straf los auSgehen ließen. Eine ganz natürliche Folge dieses Umstandes war es, daß die Volksverführung immer kühner und eifriger betrieben wurde, sich auf immer zahlreichere Elassen erstreckte, daß die neue Lehre von der nothwendigen Umwälzung der Gesell schaft sich immer ungenirter ausbildete und die Agitationskünste förmlich systematisch betrieben wur den. Das socialdcmokratische Mißvergnügen erlangte eine Ausdehnung und Stärke, wie nie vorher, gerade in den Jahren, wo die „arbeitenden Elassen" sich in den Lohnverhältnissen ganz ungewöhnlich verbesserten und sich einer Ungebundenheit wie nie vorher erfreu ten. Die Declamationen der Volksverführer über die „gedrückte Lage" der Arbeiter, über den Mangel an Muße und Erholung, um den Bildungsbedürf nissen obzuliegen, nahmen sich wahrhaft komisch aus in der eingetretenen Situation, wo man viel eher von einer gedrückten Lage der Arbeitgeber sprechen konnte. Und mehr oder weniger ist die Sache heute noch so. Die Passivität der preußischen Regierung gegen über der socialdemokratischen Propaganda hat augen scheinlich mit dazu beigetragen, daß dieselbe in Deutschlands» große Fortschritte machte und selbst eine Menge fleißiger und wohlunterrichteter Arbeiter ver führte oder ihnen wenigstens die Möglichkeit nahm, eine nüchternere und verständigere Auffassung dem socialistischen Unverstand entgegevzusetzen. Wenn sich eine politische Richtung so ernst und so br- Neunuadzwanjlgst« Jahrgang. denklich den Intentionen der preußischen Regierung, den staatlichen Grundlagen entgegengesetzt hätte, wie es die Socialdemokratie gegen die Grundlagen der bestehenden Gesellschaft, gegen die unwandelbaren Principien des Eigenthums, der Arbeit, de« Erwerbs that, wahrlich, die preußische Regierung hätte den Umtrieben einer solchen Partei nicht ünthätig zuge- sehcn. Wir kennen die Gründe nicht, welche die preußische Regierung bewogen, dem um sich greifen den Uebel nicht früher Einhalt zu thun. Da die socialdemokratische Bewegung gegen die sogenannte „liberale Bourgeoisie" (ein schlechter tendenziöser Ausdruck aus der französischen Publicistik) gerichtet war und sich namentlich in der „Conflict-Zeu" ent wickelte, so ist vielfach behauptet worden, Herr von Bismark hätte es nicht ungern gesehen, wenn die liberale Partei durch Vie Heranwachsende Social demokratie einigermaßen im Schach und in Besorg- niß gehalten würde und zum Bewußtsein käme, daß sie die Regierung brauche. Es ist Thatsache, daß halbofficiöse Blätter (z. B. Jahre lang die Nordd. Allg. Atg.) mit den socialistischen Ideen cokettirten und daß für die Universitäts-Lehrstühle eine jüngere Classe von Volkswirthschaftslehrern bevorzugt wurde, die sich von der Manchesterschule abgewendet und halb-socialistischen Theorien zugewendet hatten. Ohne die politischen Gründe erforschen zu wollen, welche die preußische Regierung zu der passiven Stellung trotz der eifrigen und erfolgreichen Propa ganda der Socialdemokratie in der Presse, in Ver einen, in Versammlungen bewogen, wollen wir mit Anerkennung hervorheben, daß die preußischen Behör den im Laufe dieses Jahres zu einer klareren und entschiedeneren Haltung übergegangen sind und daß kürzlich auch das einflußreichste Regierungsorgan, die „Provinzial-Correspondenz," eine offenere und überzeugungSvollere Sprache gegen die „Irrlehren des Socialismus" führt. ES heißt in dieser sehr glänzenden Ausführung u. A.: „Es ist ein Haupt - Jrrthum — oder viel mehr eine von socialistischen Volksverführern in der Wirkung auf die schlechtesten Leidenschaften wohl berechnete Täuschung, — daß die bestehenden Ver mögen«- und Erwerbsverhältnisse al« ein Erzeug- niß der Willkür, al« ein Werk der auf AuSbeMung der arbeitenden Bevölkerung speculireadtu besitzen den Elassen dargepellt werden. Die ge^uwarttge