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iWn sächsische MrzäUer, Wochenblatt , für Blscyofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -es Königlichen Verichtsamtes «nb des Stabtrathes zu Dischofswerda. VUse Zeitschrift erscheint »Schrntlich zwei Mal, Mittwoche und Sonnabends, und kestet einschließlich »er Sonn« abends erscheinend«!^ „belletristischen Beilage" vierteljährlich IS Ngi. Inserate werde» dis Dienstag« und Freitag« früh 0 uhr angenommm und tastet die gespattene Sarpuszeile »der der«! Rau» 1 Ngr. 34. I Mittwoch, den 2». April» 14874. Politische Weltschau. Die Leidenschaften, welche noch vor kaum 14 Tagen des Militärgesetzes halber so hohe Wellen schlugen, haben sich seitdem besänftigt und gestatten somit eine ruhigere Betrachtung der Lage. Das Bürgerrecht des Reichstages sollte aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen zum guten Theil geopfert werden. Wer sich dagegen erklärte wurde für reichs feindlich verschrieen. Glücklicherweise war die Reichs regierung weniger hitzig, als die ergebensten Freunde derselben. Sie begnügte sich mit einem siebenjährigen Provisorium. Was gestern so außerordentlich Ver dammungswerth war, mußte nun heute lobens- und annehmenSwerth sein. Auf diese Weise kam das Budgetrecht des Reichstages im Handumdrehen wieder zu Ehren. Nach Ablauf der sieben Jahre wird dieselbe Forderung dem Reichstage wiederum gegenüber treten und zwar ebenfalls mit dem An spruch auf definitive Lösung der Frage. Allerdings ist sie eine Machtfrage, denn sie bedeutet die Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Kaiserthum und dem deutschen Parlamente über einen der wichtigsten Punkte des konstitutionellen Systems, der in der gegenwärtigen Reichsverfassung nur eine unbestimmte und darum den Keim von Conflicteu in sich tragende Fassung erhalten hat. Ob diese Auseinandersetzung zu Gunsten des einen oder des anderen der streitenden Faktoren ausfallen wird, läßt sich heute noch nicht ermessen, denn von ihrem Zeitpunkte trennen uns noch zwei Neuwahlen des Reichstages. Da aber im Augenblicke weder das Kaiserthum noch das Parlament sich stark genug fühlten, eine definitive Lösung herbeizuführen und da die allgemeine politische Lage Europas, sowie die inneren Verhältnisse Deutschlands die Vermeidung jeglichen Streites zwischen Kaiser und Reich dringend erheischen, so war es geboten, den Compromiß anzunehmen. Die bevorstehenden sieben Jahre dürften genügen, eine allseitige Klärung über die ganze Angelegenheit herbeizuführen und das Machtbewußtsein jedes der streitenden Faktoren in die richtige, dem Wohl des Vaterlandes entsprechende Bahn z« lenken. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, so müßte dann eben ein neues Pro- visorünn eintreteo, wie ja auch in England die jetzige Stellung de« Parlamentes zur Krone sich Neummdpuanzigster Jahrgang. nicht von einem Tage zum anderen, sondern durch eine mehrhundertjährige Reihe von Provisorien und Compromissen herausgebildet hat. Nachdem der Reichstag am Beginn voriger Woche die dritte Lesung des Militärgesetzes be endet, wandle er sich dem Bischofsgesetze und dem Preßgesetze zu. Was das Bischofs- oder richtiger Kirchendienergesetz anlangt, so hatten die liberalen Parteien einen schweren Kampf mit sich zu bestehen, ehe sie diesem „Ausnahmegesetze" ihre Zustimmung gaben. Ausnahmezustände erfordern allerdings auch Ausnahmegesetze. Der zwischen Rom und Deutschland entbrannte Kamps über die Souve ränetät des Staates ist ein Ausnahmezustand, der es dringend nothwendig macht, die Reichsregierung gesetzlich zu ermächtigen, renitente Geistliche entweder an bestimmten Orten zu imerniren oder sie ganz und gar des Landes zu verweisen. Zwar ist auf Antrag Laskers eine Bestimmung in da« Gesetz aus genommen, wonach den ausgewiesenen Geistlichen eine nachträgliche Berufung an die richterliche Ent scheidung offen bleibt; allein auch dieses Mittel, den Ausnahmecharacter der Vorlage in Etwas zu mindern und mildern, dürfte in der Praxis sich als wirkungs los erweisen, weil voraussichtlich kein katholischer Geistlicher davon Gebrauch machen wird, da ja hierin die Anerkennung der zuständigen Gerichts behörde in diesen innern Kirchenangelegenheiten ent-- halten wäre. ' Das neue Reichspreßgesetz gewährt wenig. Befriedigung. Selbst diejenigen öffentlichen Blätter, welche die Nachgiebigkeit gegen jeden Wunsch der Reichsregierung al« politisches Dogma für jeden reichstreuen Deutschen predigen, sehen sich anläßlich der wieder eingesührten polizeilichen Beschlagnahme und des Zeugenzwanges der Redacteure zu dem reuigen Bekenntniß veranlaßt, daß mit der bloßen GeschäftSerleichterung — die noch dazu im Wegfall der Cautionen und Stempelgebühren nur die preußischen Blätter trifft — für die Hebung der Preise nicht« Wesentliches gethan sei. Am vorigen Sonntage, Mittags 1 Uhr, schloß der Kaiser den Reichstag mit folgender Thronrede: „Teehrte Herren! Die Seist»», an deren Abschluß Sie stehen, reiht sich durch di» tiefgreifende Wichtigkeit ihrer gesetzgeberischen grgedniffe den bedeutsamsten Sesstaaen der früheren Reichs tage an.