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11872. ^L92.s Mittwoch, den 2«. November Ä> MW Politische Umschau. „Schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit" — tönt's aus den Hallen des preußischen Herrenhauses. Die Regierung weiß sich vor Er- gebenheitS- und Liebesversicherungen der edlen Junker kaum zu retten und wir glauben selbst, daß das Herrenhaus jetzt so klug sein und sich „biegen" würde, um nicht „gebrochen" zu werden. Aber das his torische „Zu spät" macht sich hier wieder einmal geltend. Mögen die Herren jetzt noch so viel Loya litäts-Bezeugungen los lassen, das Schicksal des Herrenhauses ist endgültig beschlossen: DerPairs- schub erfolgt und zwar in ausgedehntem Maße. Sie konnten das Verhängniß noch einmal abwenden, hätten sie für ^ie Kreisordnung gestimmt; aber des hohen Hauses edler Hort Kleist-Retzow erklärte: daß die Privilegien des Junkerthums mehr werth seien, als ein Ministerium. Dem Führer folgend, bereitete sich das Herrenhaus den Sturz mit eigener Hand. Jetzt hat der tapfere Kleist- Retzow „auf unbestimmte Zeit'^ Urlaub genommen und sich grollend nach Kiekow zurückgezogen. Aber, wie gesagt, zu spät! Denn mit der Verwerfung der organischen Gesetze, wozu die Kreisordnung die Grundlage bildet, wollte man Bismark's Wort zur leeren Phrase machen: „Nach Canossa gehen wir nicht." Wer noch daran zweifeln wollte, daß die Regierung mit vollem Ernst vorwärts gehe, den wird ein Artikel der cfficiellen „Prov.-Correspondenz" eines Besseren belehren. Unter dem Titel „Krone und Herrenhaus" beweist nämlich das amtliche Organ, daß der Kampf des Herrenhauses nicht blos gegen das Ministerium, sondern gegen.die Person des Monarchen selbst gerichtet war, weshalb auch Me späteren LohalitätSversicherungen eitel und ver- Mblich sind. Dann heißt es in dem Artikel weiter: Je tiefer und unüberwindlicher der Gegensatz und Widerspruch der Ueberzeugungen ist, in welchem sich die jetzige Mehrheit des Herrenhauses mit der Krone ' in Bezug auf die Bedürfnisse und die Aufgaben dieser Zeit befindet, desto unabweislicher tritt an die Regierung die Pflicht heran, von allen ihr nach Verfassung ttnd Gesetz zustehenden Mitteln Gebrauch Ul. machen, durch welche die Macht des Widerstandes im Herrenhause überwunden werden kann. Die wieder- Siebenundjwanzigster Jahrgang. holteBerathung der Vorlage im Herrenhause würde kaum zu andern Ergebnissen führen, wenn die bisher^ Mehrheit ihr Uebergewicht behauptete. Die Regierung wird ihr verfassungsmäßiges Recht und ihre ernWff Pflichten in dem Bewußtsein üben, daß es sich, auch über die zunächst vorliegende Frage hinaus, Uin M Gewähr einer stetigen und harmonischen Entwicklung der preußischen Monarchie überhaupt handelt. Wenn die bisherige Mehrheit des Herrenhauses aber durch die Maßnahmen der Regierung überwunden tvikd,. so mag sie sich mit ihrem ehemaligen Führer Stähl trösten, welcher sagte: „Wenn wir heute erliegen, so erliegen wir der Regierung des Königs, und wir werden, da sich darin die Macht der Regierung be währt, selbst unsere Niederlage als einen Triumph feiern." Diesen Trost kann man dem Herrenhause, so lange es überhaupt noch besteht, wohl recht gern - lassen. Alle österreichischen Landtage treten hegen den von Tirol in den Hintergrund. Was d» geschehen, übersteigt freilich alle Erwartungen. Die klerikale Majorität protestirt ohne jedwede Berech tigung gegen die Wahl des Rector mngnilivuZ d?r Innsbrucker Universität. Sie zieht deswegen djp Regierung zur Rechenschaft und verlangt binnen acht Tagen befriedigende Erklärungen. Dieser Renitenz gegenüber giebt der Statthalter Graf Taasfe ein Diner, zu welchem sämmtliche Abgeordneten Ein ladungen erhallen. Noch mehr! Er fordert dest Landtag zur Vornahme der Reichsrathswahleu auf und diese Wahlen finden statt, natürlich im verfassungs feindlichen Sinne. Dies Alles bewegt die Regierung nicht zur Auflösung des widcrhaarigeu Landtags, sondern, weil mit demselben absolut nicht. auSjn- kommen ist, wird er einfach geschloffen. Die „N. Fr. Pr." bemerkt dazu: Fragen wir uns, wieso all dies gekommen ist, weshalb das MinistekiM ' so gegen alles Erwarten einen Weg eingeschlagen hat, der nicht nur die augenblickliche Anwendung ' des Nothwahlgesctzes auf Tirol ausschließt, sondern auch das Ansehen der Regierung in. so hohem Grade " bloßstcllt, so müssen wir uns sagen: Das Ministerium - ist. auf den Widerstand jener geheimen' Mächte ge stoßen und hat sich ihm gefügt, in deren dUnllW Schoße der UltramontaniSmuS noch immer, t«tz Allem und Allem, eine unnahbare ZufluchtssMc Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt des Königlichen Gerichtsamtes vnd -es Stadtrathes zu Kifchofswer-a. viele Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabend«, und koket einschließlich der Son», «dend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'1, Ngr. Inserate werden bi« Dienstag« und Frritqg» früh 8 Uhr angenommen. '