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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -es Königlichen Verichtsamte« vu- -es Sta-trathrs zn Pischolswer-L. Vielt Jeitschrist erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend», und kostet einschließlich der vomi- «bendt erscheinenden „belletristffchen Beilage" vierteljährlich 12'1, Rg«. Inserat« werden bi« Dienstag« und Freitag« .... früh S Uhr «agea»m»«n. 66.1 Mittwoch, den 21. August. I 1872. Politische Umschau. Der 14., 16. und 18. August waren die Er innerungstage an die großen Schlachten vor zwei Jahren. Es giebt wohl nur wenig Deutsche, welche an diesen Tagen nicht jener gewaltigen Kämpfe ge dacht hätten. In den meisten Kriegen ist es der Wechsel derIiachrichten von Siegen und Niederlagen, der das Gemüth der Menschen am tiefsten ergreift und ihnen die schicksalsvolle Größe, sowie den gewich tigen Ernst des Geschehenen am meisten zum Bewußt sein bringt. In dem letzten Kriege mit Frankreich hat die deutsche Streitmacht Niederlagen fast gar nicht erlitten; wohl aber war es mehr als einmal tief ergreifend, zu hören, wie schwer im Felde ge rungen und mit welchen großen schmerzlichen Opfern die Fortschritte unserer Waffen erkauft wurden. In solchen Augenblicken empfanden wir daheim, wenn auch nicht die ganze, aber doch die halbe Betrübniß einer Niederlage, mochten immerhin unsere Kämpfer keine Niederlage erlitten, sondern obenauf geblieben sein. Niemals war das mehr der Fall, als bei der Schlacht vom 16. August, durch welche die für den ganzen Kriegsgang entscheidende Wendung vom 18. vorbereitet wurde. Dem langen blutigen Ringkampfe vom 16. bei Vionville und Mars la Tour war es ja zü verdanken, daß nach einem zweiten deutschen Erfolge am 18. die ganze Macht Bazaine's nach Metz hiveingetrieben ward. Aber wie es dann an den Tag kam, daß schon am ersteren Tage ein Ver lust von 15 bis 16,000 Mann auf uns selber ge fallen war, da war die Siegesfreude doch sehr ge trübt und jeder Deutsche fühlte sich tief ergriffen und erschüttert. Doch sind darum diese Schlachten nicht weniger erhebend für's deutsche Volk. Haben sie doch unsere Ueberlegenheit über den prahlerischen Erbfeind erhärtet. Hier standen Männer aus beiden Rationen im Faustkampfe einander gegenüber und die Minder zahl der Deutschen erwies sich mehr werth, als eine große Überzahl von Franzosen. Der größere Muth, die größere Beweglichkeit, die größere Leibeskraft — alle dieft-Vorzüge waren auf Seite der Deutschen. Cs Hecks den Franzosen nichts daß sie viel zahlreicher warm, in viel günstigeren Stellungen sich befanden und zum Schießen in die Ferne viel bessere Gewehre Sitbtnundzwabjigyer Jahrgang. hatten; sie wurden trotzdem überwältigt. Da dich eine unleugbare Thatsache ist, so läßt sich wohl dH: Ausspruch daran knüpfen: wenn nur die Deutschen sich ihre angeborene, größere Leibeskraft und ihren größeren Muth erhalten und vor Erschlaffung durch Verweichlichung und Liederlichkeit sich hüten, so dürfen sie in alle Zeit auf den Uebermuth des friedlosen Nachbarvolkes mit Selbstvertrauen Hinblicken. Für uns Sachsen haben aber diese Tage noch eine besondere Weihe, da hier zum ersten Male im großen Ricsenkampfe unsere eigenen Landsskinder mit cingriffen und namentlich bei St. Privat mit ent scheidendem Nachdruck. Denn während auf dem rechten Flügel der deutschen Armee das Kriegsglück noch schwankte, führte der linke Flügel durch Er stürmung von St. Privat die Entscheidung herbei. Hier war es, wo General von CrauShaar die Fahne des ersten sächsischen Grenadierregiments der er starrten Hand seines Schwiegersohnes v. Pape ent riß, sie muthig im dichtesten Kugelregen voran trug und beide Grenadierregimenter, sowie das Schützen regiment Nr. 108 zum Sturm führte, bis auch ihn das tödtliche Blei dahin streckte. Aber der Sieg war damit erfochten 1 Tausende unserer Wackeren liegen gebettet auf den Fluren von St. Privat; die Erinnerung und das dankbare Gedenken an ihre unvergleichliche Waffenthat wird fortleben nicht blos bei uns in Sachsen, sondern in allen Gauen des geeinten deutschen Vaterlandes. Wir können dm zweiten Jahrestag aber nicht vorüber gehen lasse«, ohne im Geiste nochmals an ihre Gräber zu treten mit dem Wunsche: Friede ihrer Asche! : Neben der kirchlichen Bewegung im neue« deutschen Reich wird nächstens eine Milik ar frage viel von sich reden machen, nämlich die in Aussicht genommene Neuorganisation der Artillerie. Es handelt sich dabei hauptsächlich darum, ob die Reichsregierung berechtigt ist, diese neue Organisation auf Grund der jetzt gütigen Bestimmungen allein vorzunehmen, oder ob sie vorher die Genehmigung des Reichstages einzuholen habe. Wie es heißt, hat sich bereits Kriegsminister v. Roon dahin entschiede«, diese Reorganisation ohne denReichötag in's Werk zu setzen, weil zu derselben weder ein Ueber- schreiten des bewilligten Pauschquantums, noch ej«e Vermehrung der Mannschaften erforderlich sei. !