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Wochenblatt für > Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt des Königlichen Gerichtsamteo «n- -es Ktadtrathes zn Dischofswer-a. v<«te Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, MittwockS und Sonnabends, und kostet einschließlich der Sonn abend« erscheinenden »belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'j, Ng-. Inserate werden bi« Vien«tagt und Freitag« früh 8 Uhr angenommen und kostet die gespaltene CorpuSzeile oder deren Raum 8 Pfennige., ^L48.< Mittwoch, den IS. Juni. >1872. Politische Umschau. Unter den letzten Arbeiten des Reichstags befand sich auch der Gesetzentwurf wegen Verlängerung der Diktatur in Elsaß-8othringen bis zum 1. Januar 1874. Der Reichstag genehmigte den selben trotz einer zweifachen Opposition, nämlich einer vorwiegend realistischen und einer anderen mehr idealistischer Natur. Erstere ging von der CentrumS- fraction aus. Die Herren aus dem Centrum wissen, daß, wenn in Elsaß-Lothringen die Diktatur schon im Jahre 1873 ein Ende nähme und schon in diesem Jahre die Elsässer ihr verfassungsmäßiges Wahlrecht zum Reichstage ausübten, die gewählten Abgeordneten wahrscheinlich ihre Reihen verstärken würden. Sind sie ja diejenige Partei, die dem Reiche die lebhafteste Opposition macht; die Elsässer würden jetzt noch geneigt sein, in dasselbe Horn zu stoßen, in das die Polen, Dänen, Socialisten und Clerikalen bisher geblasen haben und noch weiter blasen werden. — Ein Theil der liberalen Partei hat gegen das Gesetz stimmen'zu müssen geglaubt, weil es die Freiheit des Individuums verletzt und die heiligsten Rechte des Staatsbürgers beeinträchtigt. Die Oppositionsgründe beider Parteien halten sach gemäßen Erwägungen über die Lage der Dinge im Elsaß nicht 'Stich. Was den Grund der Clerikalen anbetrifft, so hat das Reich durchaus nicht nöthig, vor einer Vermehrung der CentrumSfraction um höchstens 16 bis 18 Abgeordnete zu zittern; es wird mit 80 Clerikalen ganz ebenso fertig werden, als mit 60. Uebrigens ja 1874 ebenso gut noch Abge ordnete des Elsaß das Centrum vermehren, als Heutezutage. Was aber den Verrath an den ewigen Grundsätzen der Freiheit anlangt, so ist derselbe auch damals geübt worden, als man die Diktatur bis zum 1. Januar 1873 beschloß. Und warum stimmte man damals für diese Diktatur? Doch nur der trifftigen Gründe halber, die ein Uebergangsstadium als nothwendig erscheinen ließen. Heute liegen noch dieselben Gründe vor. Die Aufregung ist von der Bevölkerung der neu erworbenen Landestheile noch nicht gewichen und also würden auch die Wahlen nicht als un befangener Ausdruck der Volksgesinnung gelten können. Wir verlangen ja nicht ausdrücklich deutsch- Slebtmmdjwanzigster Jahrgang. freundliche Wahlen, aber doch wenigstens unbeein flußten Ausdruck der Gesinnung. Die Landesgesetz gebung im neuen Reichslande konnte von der jetzigen Verwaltung noch nicht genügend den neuen Zuständen angepaßt werden; im Reichstage, wo es nach Auf hebung der Diktatur geschehen müßte, kann es nicht geschehen, ohne ihn, der nicht für die Particulargesetz- gebung bestimmt ist, zu schädigen; eine elsässische Landesvertretung kann billigerweis« nicht organisirt werden ohne die Mitwirkung der Elsässer im Reichs tage; letztere aber kann nicht früher eintreten, bis mehr Ruhe in Elsaß-Lothringen eingekehrt ist. Wir hoffen, daß dies am 1. Januar 1874 der Fall sein wird. — Die Debatte über die Jesuiten-Borlage, welche am vorigen Freitage verhandelt, wurde, brachte in der Hauptsache dasselbe kro und Ooolra zum Vor schein, womit schon im Mai d. I. der Jesuiten feldzug eröffnet wurde. Von ganz besonderem In teresse dürste jedoch eine Aeußcrung des Abg. Wagner sein und zwar hauptsächlich um deswillen, weil dieser Abgeord nete gewissermaßen als das Sprachrohr des abwesenden Reichskanzlers betrachtet wird. Herr Wagner sagte: Ich für meinen Theil wäre in der Sache, die uns heute beschäftigt, gern weiter gegangen, wenn ich nicht einerseits Bedenken hinsichtlich der Competenz des Bundesraths gehabt und andererseits berück sichtigt hätte, daß es sich hier um ein Provisorium handelte. Eine anderweite Maßregel ist jetzt nicht möglich, das Gesetz ist der partielle Belagerungs zustand. Das Reich ist im Kriegszustände mit Rom. (Lebhafter Beifall.) Auf dem vatikanischen Concil ist uns der Krieg erklärt worden, und die das gethan haben, stellen an uns das Ansinnen, sie für unsere besten Freunde zu halten. Zum Belege meiner Behauptung will ich einige kleine Thatsachen an führen, denn ich rede nicht gerne in's Blaue hinein. Was bedeutet das Verhältniß der in Rom herrschenden Partei zum deutschen Reiche, was bedeutet es, daß seit dem Vatikanum die religiösen Gegensätze im deutschen Reiche auf unnatürliche, gewaltsame Weise geschärft worden sind? Hat die preußische Regierung den Conflict hervorgerufen oder haben Sie es gethan. Die katholische Kirche ist in Preußen in der ent gegenkommendsten, nachsichtigsten Weise behandelt worden ; erst die ausgedehnten Jesuitenmissionen in