Volltext Seite (XML)
Bischofswerda, Stolpen und Umgegend >on Amtsblatt Les Königlichen Vrrichtsamtes and -es Stadtrathr» zu Dischofswerda vi«le Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch» und Tonnadend», und koket einschließlich der «onu. früh 8 Uhr angenommen und kostet die gespalten« Eorpuizeile »der deren Raum 8 Pfennige. Mittwoch, den 10 Januar von irtie Siehenundjwanzigster Jahrgang. Die gesetzgeberische Thätigkeit hat im gesammten Deutschland seit Gtündung des Reiches einen mächtigen Aufschwung genommen. Ein neues Staats leben bedarf einer Fülle organischer Einrichtungen, die nicht unmittelbar in die grundlegende Verfassung ausgenommen werden können. ES muß sich diese Einrichtung durch eine hochgespannte Arbeit schaffen; es muß sie rasch schaffen, damit keine gefährliche /Stockung eintritt. Was bisher von Gesetzen in'S Leben und in die Wirklichkeit gerufen wurde, hat unleugbar eine freisinnige Grundlage, ohne eigentlich Len Charakter einer Parteigcietzgebung an sich zu tragen. Man ist den natürlichen Antrieben gefolgt, die der Gang der Entwickelung bereits in den nord deutschen Bund gelegt hat. Denn der norddeutsche Bund, obwohl zum Theil im Gegensatz gegen die liberale öffentliche Meinung geschaffen, kam doch innerhalb eines beschränkten Umfanges dem Ideal der liberalen Partei näher und es war von Anfang an den Einsichtigeren klar, daß er sich in seiner Ent wickelung auf die populären Kräfte der Nation werde stützen müssen, folglich auch die Gesetzgebung nur von liberalen Grundsätzen ausgehen könne. Diese Entwickelung ist deshalb gerade mit so großer Stetig keit und Sicherheit erfolgt, weil das leitende Bundes kanzleramt stark und mächtig genug war, um dem Liberalismus entgegenzukommen, ohne dem Verdacht der Schwäche zu verfallen. War doch der Liberalis mus weit entfernt, die Centralgewalt zu schwächen, zu einem Spielball der Parteien zu machen. Im Gegentheil suchte er ihre Macht zu mehren und sic 'Mit den Befugnissen auszustatten, deren sie bedurfte, nm die allgemeinen Interessen der deutschen Nation wirksam zur Geltung zu bringen. Volksvertretung und'Regierung waren dabei auf ein gemeinsames Wirken angewiesen ; sie haben von einander Zugeständ nisse gefordert und erhalten. Keine der beiden Ge walten suchte in der Schwäche der anderen ihre eigene Stärke. Autorität und Freiheit bewegten sich M gleicher Richtung, einander fördernd und unter stützend. Es Mars keiner weiteren Ausführung, daß im deutschen Reiche dieselben Antriebe, wie im nord- dentschkn Bunde, in noch verstärktem Maße wirken. Der große Machtznwachs, den wir dem Jahre 1871 verdanken, ist der Nation und ihrer politischen Frei heit zu Gute gekommen. Auch der Einzelstaat kann sich den Einwirkungen dieser liberalen Bewegung nicht entziehen, wie dies mannichfache Gesetzesvorlagen sowohl bei uns als in anderen deutschen Ländern be kunden. Wenn trotzdem die konservative Partei diesen Aufschwung beklagt, weil sie chon ihm eine Gefährdung aller der Ordnungen erblickt, auf welchen staatliche Organismen beruhen, so ist dies nur ein Beweis, wie wenig sie die große Zeit versteht, in der wir leben. Sie thäte besser, die frische Thätig- kcit an der Sache des Fortschritts und der natio nalen Wiedergeburt dem Schmollen vorzuziehen. Vertrauen auf die Entwickelung der Gegenwart — das ist für alle Elasten der bürgerlichen Gesellschaft das beste Mittel, um ihren berechtigten Einfluß in die neue Zeit mit hinüber zu nehmen. Die preußische Regierung hat sich zu vor bereitenden Schritten auf dem Gebiet der Social- Gesctzgebung gedrungen gefühlt. Zu diesem Zwecke fanden Dorberathungen im Handelsministerium mit Abgeordneten und anderen fachmännischen Persönlich keiten statt. So weit preußische Blätter in diese Angelegenheit eingeweiht find, soll sich der Schutz für die arbeitenden Elasten lediglich auf Dinge er strecken, die man von jeher der Fürsorge des Staates zuerkannt hat. So ist man nach diesen Mittheilungen davon zurückgekommen, die freie Concurrenz und ihre Folgen unbedingt gelten zu lassen. Maßregeln,-die in dieser Beziehung dem Arbeiter Schutz gewähren sollen (wie z B. Ausschließung der Sonntagsarbeit, Schutz der Frauen und Kinder gegen die Ausbeutung in Fabriken rc.), haben sogar die wärmste Fürsprache von volkswirthschaftlichen Koryphäen(Schulze-Delitzsch) gefunden. Gleicherweise ist die Hebung des Arbeiter standes durch Unterrichts- und Fortbildungsschulen in S Auge gefaßt worden. So sehr man mit dieser intellektuellen Hebung des Arbeiterstandes einverstan den sein kann und muß, so fraglich bleibt doch die Aufnahme, welche ein Gesetz über Beschränkung der Arbeitsstunden finden wird. Mag sein, daß der Staat berechtigt ist, gegen Ausschreitungen der Arbeitsgeber auch nach dieser Richtung hin vorzu gehen, aber Niemand wird glauben, daß damit eine Lösung der socialen Frage herbeigeführt werden MM;