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,1871. Mittwoch den S. August. ^63 Bischofswerda, Litolpen und Umgegend^ Amlsblatt -es Königlichen Verichtsamles und -es Stadtrache» zu Dischosower-a. kX«!e Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend», und kostet einschließlich der Sona, abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12>j, Ngr. Inserate werden bi« Dienstags und Dreitag« früh 8 Uhr angenommen und kostet die gespaltene Corpu«zeile oder deren Raum 8 Pfennige. Politische Umschau. Die hinter uns liegende Woche begann die Reihe der-großen Gedenktage an die Schlachten des ab gelaufenen Jahres. Jene Tage werden Jedem, der sie durchlebt, unvergeßlich bleiben. Mit jäher Eile war der Krieg über uns hereingebrochen; die Kriegs erklärung hatte jeden Versuch einer diplomatischen Verständigung überstürzt. Der Telegraph trug die Mobilmachungsordre in die fernsten Gegenden Deutschlands. Nach wenigen Tagen sahen wir ein t Regiment nach dem andern -«ns verlassen; wir hatten von Brüdern, von unseren Freunden vielleicht für das Leben Abschied genommen. Wohin ihr Weg sie zunächst führen würde, wußten wir nicht. Eine beklommene Stille lag über unserem Lande, während der Rhein von Waffenlärm erdröhnte. Wohl hatten wir ein unerschütterliches Zutrauen in den Kampfes- muth unserer Truppen und in die Feldherrnkunst ihrer Führer; dazu beseelte uns das Bewußtsein unserer gerechten Sache und der feste Wille, bis zum Tage des Sieges auszuharren. Allein wir konnten nicht vergessen, daß wir völlig ungerüstet von der Kriegserklärung überfallen worden waren und der Feind seine Anordnungen seit Monaten getroffen. Der obere Rhein lag fast offen da, jeden Augenblick der Invasion ausgesetzt. Wehrlose Bürger, Weiber und Kinder konnten von den Rohheiten kabylischer Stämme, aus Sträflingen zusammengesetzter Re gimenter heimgesücht werden. Die drohende Ge fahr sahen wir; aber wie Tag für Tag, Stunde für Stunde die Maßregeln reiften, welche dieser Ge fahr entgegenwirkten, das verbarg sich vor unseren Augen. Keine deutsche Zeitung brachte ein Wort über die Truppenbewegungen. Die Zeit dehnte sich unendlich; jeder Glockenschlag, der von den Thürmen dröhnte, hatte eine längere, als die gewöhnliche Dauer. Da traf am späten Abend des 4. August die Nachricht ein, daß bei Weißenburg die erste Schlacht geschlagen und daß diese Schlacht ein Sieg gewesen. Der Zauber war gebrochen. Auf vierzehn Tage bangen Wartens folgten jetzt vier Wochen ununterbrochene 'Siegesnachrichten. Das deutsche Volk würdigte die Schlecht von Weißenburg mit richtigem Tacte, weder ihre Bedeutung unter- noch Sech«nndjwan,!gster Jahrgang. überschätzend. Es war keine entscheidende Schlacht; nur eine Division des Feindes wurde vernichtet. Allein das Schicksal einer Division entscheidet nicht das Schicksal des Feldzuges. Dennoch feierten wir den Sieg mit Fahnenschmuck und Illumination; denn der Feind hatte die ihm eingeräumte BorsprungS- frist verstreichen lassen, ohne sie zu benutzen. Fortan konnte nur die Tapferkeit der Truppen und die Feldherrnkunst der Generäle entscheiden. In beide setzten wir unbeschränktes Vertrauen, was sich bald bewähren sollte. Zwei Tage später, am 6. August, erfocht der Kron prinz von Preußen einen glänzenden Sieg über den berühmtesten französischen Feldherrn, den Marschall Mac Mahon, nach dreizehnstündigem blutigen Kampfe in der Schlacht bei Wörth. Die französische Armee eilte in wilder Flucht davon. Der SieF hatte die Folge, daß der Kronprinz seinen Weiter marsch ungehindert fortsetzen und bei den später entscheidenden Schlachten rechtzeitig eingreifen konnte. Es war der erste Sieg im deutsch-französischen Kriege, wegen dessen Victoria geschossen wurde. Der Volksmund aber knüpfte an ihn das Witzwort: „Mac Mahon, Mac Mahon, Fritze kommt und hat ihn schon!" Zu derselben Zeit wurden die auf den Höhen von Spicheren verschanzten Franzosen des Frossard'schen Corps von der ersten Armee im blutigen Kampfe in die Flucht geschlagen und ihre Vorräthe erbeutet. So ist der 6. August durch einen Doppelsieg ruhmreich geworden. Gewiß werden unsere Leser mit uns diesen ersten Schlachtendenkmälern eine dankbare Erinnerung für alle Zeiten bewahren. Gehen wir nach dieser Betrachtung, die sich uns heut ganz unwillkürlich aufdrängte, von der Ver gangenheit zur Gegenwart über, so bleibt nur zu constatiren, daß des Neuen blutwenig zu melden ist. Die sommerliche Zeit ist nicht dazu angethan, noch die Köpfe mit der hohen Politik warm zu machen. Fürsten, Minister und Diplomaten ergötzen sich in den Bädern und in der Natur- Kaiser Wilhelm hat Ems verlassen und ist vorigen Freitag in Wiesbaden eingetroffen, von wo er über Mainz, Homburg nach Ischl zu einer Begegnung mit dem Kaiser von Oesterreich geht. An diese Zusammenkunft der beidett Kaiser knüpfen deutsche Blätter große Hoffnungen