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für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend» Amtsblatt -es Königlichen Verichtoamtes und -es Atadtrathes zu Kifchofswer-a. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend-, und koket einschließlich der S«an- adendS erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'j, Rgr. Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« früh 8 Uhr angenommen und kostet die gespaltene CorpuSzeile «der deren Raum 8 Pfennig«. 1 Mittwoch den s. Juli >1871. Politische Umschau. Die Kriegszeit wickelt sich mit der Rückkehr unserer braven Truppen mehr und mehr ab und das frohe Bewußtsein des wieder hergestellten Friedens zieht mit dem erhebenden Gedanken in die Gemüther ein, daß Deutschland ein neues glanz» volles Zeitalter begonnen, eine Epoche, welche reiche Verheißungen in ihrem Schooße birgt. In diesem Vollgefühl freudigen Stolzes und hoffnungsreicher Erwartung ist man, soweit die deutsche Zunge klingt, so einig, daß dem großen Gedanken gegenüber alle jene Parteiunterschiede geschwunden sind, welche bis her in der Entwickelung unseres nationalen Lebens sich geltend gemacht. Das Geschrei der Parteien verstummte von selbst, weil die Massen von der Ueberzeugung durchdrungen wurden, daß es angesichts dieses gewaltigen nationalen Aufschwunges eben nur eine Partei geben könne, deren Losung lautet „Das ganze Deutschland soll es sein!" Freilich — wir können dies leider nicht hinweg- leügnen — eine Claque gab es und giebt es noch heut' in Deutschland, welche der nationalen Be wegung nicht blos theilnahmloS, sondern mit schlecht verhohlener Mißgunst zusah — das war die Partei der Römlinge. In dem Augenblicke, da die Kriegs erklärung Frankreichs bei uns alle Herzen bang durch zuckte, da proclamirte man jenseits der Alpen die Unfehlbarkeit und Pflanzte damit den Keim zu neuem, konfessionellen Hader. Ein Jahr später, als Deutsch land Siegesjubel durchdrang und seine Söhne zu den heimischen Hütten zurückkehrten, da feierte auch jene Partei ein Fest, um der Welt glauben zu machen, ein schwacher, dem Jrrthum unterworfener Mknsch könne zugleich Gott fein. Wer da glaubt, daß von dem einen Ereigniß zu dem andern, d. h. von der Unfehlbarkeits-Erklärung bis zum Papst jubiläum, die Haltung der Römlinge eine andere gewesen, als eine dem nationalen Gedanken feind liche, der würde sehr irren. So lange die Welt steht, hat man den Baum an seinen Früchten erkannt. Daß die clerikalen Wahlagitationen am Rhein, die Verfluchung Döllinger's, die Haftung der schwarzen Herren im Reichstage einen deutsch- nütionalen Charakter haben, das werden -wohl selbst TechSundjwanjigster Jahrgang. die Jesuiten, sv viel sie auch sonst in der Sophisttk leisten, kaum zu behaupten wagen. - Man kann dem deutschen Volke die Anerkennung nicht versagen, daß es mit großer Langmuth und bewunderungswürdiger Gutmüthigkeit dem un- patriotischen Treiben dieser Partei zugesehen und schon viel zu lange dazu geschwiegen hat. Es ist hohe Zeit, dem gefährlichen Feinde offen und mann haft entgegen zu treten, damit er nicht den Böden unserer politischen Einheit und religiösen Freiheit weiter und weiter durchwühle. Oder wollen Mr diese unter Blut und Thränen errungenen Güter den fanatischen Plänen Herz- und vaterlandsloser Römlinge zum Opfer fallen sehen? Damit würden wir uns selbst entwürdigen! Neben dieser Aufgabe, die wir noch zu erfüllen haben, mag nicht unerwähnt bleiben, daß nach dem Kriege doch nicht die von Manchem gefürchtete, von Anderen erhoffte Reactionsperiode eingetreten ist. Besonders meinten die Vertreter veralteter politischer Grundsätze, daß sie noch einen leidlichen Nachsommer erleben würden. Nichts von alledem; die Ver schwörung der Regierenden gegen Regierte wurde nicht in Scene gesetzt. Freilich, vorsichtig muß das Volk und namentlich der deutsche Reichstag immerhin bleiben. Der Krieg hat die Regierenden an eine sehr bequeme Behandlung der Parlamente gewöhnt, denn das stets unabweisliche Bedürfniß, die stets drängende Noth des Vaterlandes, verhinderte jede Discussion und gestattete keinen Widerstreit der Rück sichten. Im Frieden aber giebt es berechtigte Gegen sätze, die Kritik und die nach allen Seiten hin ge rechte Erwägung treten an ihren alten Platz. Aber auf beiden Seiten sind in der großen Krisis, welche wir soeben durchlebt haben, viele Vorurtheile ge fallen. Wie das Volk die Wohlthat der schneidigen Waffe zu würdigen gelernt , so hat die Regierung, so haben die Repräsentanten des Heeres die innige Hingabe aller Berufskreise an den Schutz des Landes erfahren^ .Wachsam müssen wir für die ruhige Fort entwicklung der Freiheit einstehen, aber der wüste 'Traum eines Rückschritts in überwundene Zeiten sst vorüber , und mit größerem Vertrauen auf Erstarkung der Freiheit dürfen wir die neue Periode des gc- sicherten Friedens antrrtem