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488 auch in diesem Jahre eine Extrafahrt über Prag nach Wien eventuell nach Italien und Tyrol. Einem Kaufmann in Dresden ist, während der selbe am Mittwoch, 14. d., mit seiner Familie seine Wohnung verlassen hatte, von dessen Commis ein Diebstahl verübt worden, dessen Object sich auf 6000 Thlr., darunter 1400 Thlr. baares Geld be laufen soll. Der Dieb befindet sich auf der Flucht. Nach neuerer Meldung ist derselbe bereits in Ham burg ausgegriffen worden. Leipzig, 22. Juni. Ein furchtbares Eisenbahn unglück hat sich in der vergangenen Nacht um 1 Uhr auf der Anhalter Bahn, zwischen den Stationen Rakwitz und Zschortau, einige Stunden von Leipzig, ereignet. Ein mit einem Bataillon vom Regiment Friedrich Wilhelm IV. besetzter Extrazug ist auf noch nicht bestimmt festgestellte Weise zwischen den oben bezeichneten Stationen entgleist und sind bei der Zertrümmerung mehrerer Wagen 19 Mann (2 Unter- officiere und 17 Soldaten) getödtet und 57 ver wundet worden. Die Bahn bildete an der Unglücks stelle einen Trümmerhaufen. Aerzte mit Lazareth- gehilfen, sowie Lazarethwagen sind in kürzester Zeit aus dem hiesigen Barackenlazareth an der Unglücks stätte erschienen und haben sogleich ihre Thätigkeit begonnen. Verwundet sind: 1 Officier schwer, 2 Offioiere leicht, 1 Unterofficier schwer, 41 Füsiliere schwer, 12 Füsiliere leicht. Die so unglücklich um gekommenen Mannschaften sind in Podelwitz mit militärischen Ehren bereits zur Erde bestattet worden. Preußen. Wir tragen noch Einiges aus dem Einzug in Berlin nach. Der greise Kaiser saß sieben Stunden rüstig und heiter zu Pferde. Das Volk zeigte in der Art seiner Zurufe gute Kenntniß von den Verdiensten der einzelnen Truppentheile. Die gefürchteten Ulanen, durch drei Garderegimenter vertreten, waren Gegen stand besonderer Begeisterung. Die Cürassire und Gardes du Corps vermochten trotz des glänzenden Schauspieles ihres Aufzuges eine gleiche Begeisterung nicht zu erwecken. Dagegen erndteten die beiden Dragonerregimenter, welche bei Mars la Tour zu einem so verzweifelten Angriff vorgeführt wurden, stürmische Zurufe, die aus den Reihen heraus durch hochgeschwungene Säbel beantwortet wurden. Gleich stürmische Zurufe fanden die am 18. August bei Gravelotte in heißem Kampfe streitende Garde- Infanterie und das beim Sturm auf St. Privat fast aufgeriebene Gardeschützenbataillon. Lebhafte Teil nahme erweckten die Sanitätsabtheilungen, die Ab teilungen der Aerzte und besonders der Feldpost. Große Auszeichnung erfuhren die aus sämmtlichen Regimentern Nord- und Süddeutschländs zusammen gesetzten Truppentheile, sodann das Bataillon der Königsgrenadiere (7. Infanterie-Regiment), welche bei Weißenburg und Wörth im heißesten Kampfe gestanden haben. Fast allen Truppentheile« folgten kleidsam uniformirte Markedenterinnen und Knaben, wie sie zahlreich in Berlin entlaufen sind, um sich den Truppen anzuschließen. Mehrfach sah man Ver wundete, welche hei dem Vorbeimarsch vor dem Kaiser trotz Stock und Krücke dem letzten Gliede ihres Re gimentes sich anschlossen. Am Tage des Einzuges der deutschen Trappen in Berlin wurden vom Kaiser folgende Auszeich nungen ertheilt: 1) Denjenigen Lruppentheilen, deren Fahnen resp. Standarten im Muer gewesen sind und das eiserne Kreuz bereits führen, Fahnen bänder in der Farbe des Bandes des eisernen Kreuzes mit dem Kreuze darin. 2) Denjenigen Truppen teilen, deren Fahnen resp. Standarten im Feuer gewesen sind und das eiserne Kreuz noch nicht führen — das Kreuz in der Fahnen-, resp. Standarten- Spitze. 3) Denjenigen Truppentheilen, welche mit ihren Fahnen resp. Standarten, ohne daß diese im Feuer gewesen sind, vor dem 2. März o. die fran zösische Grenze überschritten haben, das Band der für den Feldzug 1870/71 gestifteten Denkmünze für Combattantcn. — Prinz Friedrich Carl wurde zuM General-Jnspector der III. Armee-Inspektion; der Kronprinz von Preußen zum General-Jnspector der IV. Armee-Jnspection; der Großherzog von Mecklen burg-Schwerin zum General-Jnspector der II. Armee- Jnspection und Kronprinz Albert von Sachsen zum General-Jnspector der I. Arniee-Jnspection ernannt. Den übrigen Prinzen sind Regimenter verliehen worden, u. A. dem Prinzen Georg von Sachsen das Altmärkische Ulanenregiment Nr. 16. Außerdem ernannte der Kaiser den Grafen v. Moltke zum Gcneralfeldmarschall und der Kriegsminister v. Roon wurde in den Grafenstand erhoben. Nächstdem folgte noch eine ganze Reihe Ordensverleihungen. Der Kaiser hat den sämmtlichen Mitgliedern des Staatsministeriums, und dem Staatssekretär v. Thile das eiserne Kreuz am weißen Bande verliehen. Der Kaiser hat der „Voss. Z." zufolge genehmigt, - daß den Empfängern von Pensionen und Unter stützungen aus preußischen Staatsfonds, welche im Gebiete des deutschen Reiches sich aufhalten, ihre Pensionen und Unterstützungen dorthin bis auf Weiteres, ohne in jedem Falle die Äläubniß ein zuholen, unverkürzt verabfolgt werden dürfen, so lange dieselben nicht aus dem preußischen Staats- verbande ausscheidcn. Die Regierung geht gegenwärtig mit den frei händigen Verkauf der auf den Pariser Südforts er beuteten Schußwaffen älterer Construction vor. Ein Berliner Auctionator brachte dieser Tage mehrere 1000 Stück kleiner, recht sauber gearbeiteter Per cussionsmusketen mit Bahonnet und ebenso viele kurze ungeschickte Reiterpistclen von mächtigem Ka liber, alle ganz neu und noch gar nicht gebraucht, unter den Hammer, von denen die Gewehre zum Preise von 2 Thlr. pro Stück, die Pistolen L 1 Thlr. willig Abnehmer fanden. Wie der „V- Z." mitgetheilt wird, hat der Ein zugstag unter den Truppen viele Opfer gefordert. Die Zahl der infolge der Hitze und Anstrengungen Gestorbenen — viele Regimenter mußten schon Morgens 4 Uhr antreten — beträgt 8, während noch etwa 40 Soldaten schwer erkrankt darnieder liegen. Die Zahl der zum Einzug in Berlin anwesend Gewesenen betrug nach den amtlichen Rapporten über eine halbe Million.. . , Ueber die Thätigkeit des Reichstags während