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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Amtsblatt des Königlichen Verichtsamtes und des Ktadtrathes zu Bischofswerda »871 Mittwoch, den 7. Juni Sechtuadiwaazigster Jahrgang. Viele Zeitschrift erscheint rvöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabends, und koket einschließlich der Sonn« abend» erscheinenden »belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'j, Rgr. Inserate werden bi« Dien«tag« und Freitag» früb 8 Uhr angenommen unb kostet die gespaltene CorpuSzeile »der deren Raum 8 Pfennige. Politische Umschau. Der Familienzwist, welcher sich unlängst zwischen dem Reichstag und dem Reichscanzler wegen Elsaß-Lothringen erhob, scheint glücklicherweise einen besseren Ausgang zu nehmen, als man nach der Sprache officiöser Blätter erwarten durfte. Die Art und Weise, wie die „Prov.-Corresp." und auch die „Nordd. Allg. Ztg." über die Vertretung der deutschen Nation zu sprechen sich erlaubten, recht fertigte die Besorgniß, als stehe das neue deutsche Reich bereits vor einer Conflictsperiode. „Das Pfingstfest", schloß die „Prov.-Corresp." ihren höchst ungeziemenden Artikel gegen die deutsche Volks vertretung, „hat eine Unterbrechung in den Arbeiten des deutschen Reichstags nothwendig gemacht. Die Pause kommt gerade jetzt sehr gelegen; denn es ist hohe Zeit, daß nicht allein den parlamentarischen Kräften eine Erholung zu Theil werde, sondern daß auch die Geister Muße finden, sich zu sammeln und zum vollen Bewußtsein ihrer patriotischen Pflichten zu gelangen." In der That, eine ächt schulmeisterliche Abcanzelung; es fehlt nur noch die Androhung, die ungehorsamen Buben zu züchtigen. Nach diesem Artikel ist der Reichstag die unnützeste Körperschaft im ganzen deutschen Reiche, denn wenn er nicht Beschwerden der Staatsbürger zur Sprache bringen, nicht An träge stellen, zu den Vorlagen nicht Amendements einbringen darf — auf diese drei Punkte reducirt sich nämlich die ganze Conflictsgeschichle — s möchten wir wirklich wissen, wozu er denn eigentlich da ist? Welche Vorwürfe sind es denn, womit das officiöse Organ seine höhnende Mahnung zum Ge horsam rechtfertigt? Weil der Reichstag zu dem .Gesetze für Elsaß-Lothringen zwei Amendements ge stellt, die schließlich der Reichscanzler in der Com mission selbst acceptirte; weil ferner der Reichstag einen Antrag zu Gunsten der heimkehrenden Krieger, namentlich der Landwehrmänner und Reservisten, angenommen; und endlich weil er sich gegen ein Rescript des Generalpostdirectors Stephan erklärte, welches eine Strafversetzung zweier Postbeamten ent hielt. Das ist das Ganze — s ' schönste Eintracht zwischen Reichstag und Regierung bestanden. Wenn aber eine parlamentarische Körper ¬ schaft nicht einmal so weit gehen darf, ohne gleich Alles in Feuer und Flammen zü setzen, dann lasse man doch das Volk in Ruhe und rufe es nicht erst zu den Wahlen! Doch, wie gesagt, der Ausgang des drohenden Conflicls ist ein besserer, als ihn vielleicht die Officiösen gewünscht haben. Fürst Bismark selbst trat den Rückzug an. Er ließ sich nämlich, wie die „Corresp. Stern" erfährt, das Protokoll der be treffenden Commissions-Sitzung zuschicken, um zu verhindern, daß seine Auslassungen darin etwa schärfer wiedergegeben würden, als seine Absicht, sich auszudrücken, gewesen; mit anderen Worten: um die starken und verletzenden Ausdrücke durch mildere z!u ersetzen. Auch in der entscheidenden Sitzung des Reichs tags vom 3. d. M. lenkte der Reichscanzler ein, indem er erklärte: „Ich bitte Sie, zu erwägen, ob Sie nicht den Elsässern Schaden thäten, wenn sie zu früh in den Reichstag eintreten. Es sind große Organisationen im Werke; es sollen größere Gerichts bezirke gebildet werden, wobei viele Interessen von Notaren, für die Entschädigung geleistet werden niuß, in Sprache kommen. Das kann am grünen Tische berechnet werden, aber ein einzelner Punkt vom Reichstag verschoben, erschwert die Sache sehr. Lassen Sie uns diese Dinge mit Besonnenheit er ledigen. Es ist dies kein Eigensinn meinerseits; auch habe ich keine CabinctSfrage gestellt, sondern nur gesagt, daß ich das Amt für Elsaß-Lothringen so nicht übernehmen will, wenn Ihre Beschlüsse zur Geltung kommen sollen. Sie müssest mir schon eine gewiße Reizbarkeit zu Gute halten, ich könnte sonst die Geschäfte nicht führen. Das Recht müde zu sein, wird mir wohl Niemand bestreiten." Das Gesetz wurde' hierauf in der Fassung der Commission angenommen, wonach die Diktatur bis 1. Januar 1873 dauert. Damit ist der Friede zwischen Reichstag und Reichscanzler wieder hergestellt. Nach einem Allerhöchsten Erlaß vom 31. v. M. soll in allen Kirchen und Gotteshäusern des König- . . reiche Preußen am 18. Juni ein feierlicher Dank- sonst hat bislang die gottesdienft stattfinden. Es heißt darin, daß durch Gottes Gnade nach dem schweren Kampfe ein ehren voller Friede gefolgt sei, welches neugeschenkte Aut