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Beendigung des Streiks im Leipziger Buchhandel. Der Streik im Leipziger Buchhandel ist am 10. September durch eine Vereinbarung salzenden Inhalts erledigt worden: Die Parteien haben vereinbart, in neue Tarifverhandlungen einzutreten, die bis zum 31. Januar 1920 beendet sein sollen. Bei diesen Tarifverhandlungen ist, ausgehend von dem bisherigen Tarif, bei der Neueinteilung der Angestellten auch ihre Ausbil- düng und Beschäftigungsart entsprechend zu berücksichtigen. Sollte der neue Tarif bis zum 31. Januar 1920 nicht abgeschlos sen sein, so wird ihm jedenfalls rückwirkende Kraft ab 1. Februar 1920 bcigelegt. Der Börsenverein soll ersucht werden, drei Mit glieder der Arbeitnehmerverbände zu den Verhandlungen der 20köpfigen Kommission, die über die Reorganisation des Zwi schenbuchhandels beraten soll, hinzuzuziehen. Auf die bisher gezahlten Tariflöhne wird ein Zuschlag gewährt, der beim Verlag und bibliophilen Antiquariat 40>, beim Kommissionsgeschäft, Barsortiment und Grossogeschäft 30"/, und beim Sortiment, Auchbuchhandel, Reise- und Versand buchhandel, Bohnhofsbuchhandel, wissenschaftlichen und Export- Antiquariat, Ramsch-Antiquariat, Leihbibliotheken und ähn lichen Betrieben ebenfalls 307» beträgt, jedoch mit der Maßgabe, daß diese auf 407» erhöht werden, falls dem Sortiment die Er hebung eines 207>igen Sortimenter-Teuerungszuschlags gewährt werden sollte. Verlag und Sortiment zahlen zudem eine ein malige Beihilfe in Höhe von ISO.— für verheiratete Ange stellte und 75.— für alle übrigen Angestellten über 18 Jahre. Die Wiedereinstellung der Streikenden erfolgt nach Maß gabe der Beschäftigungsmöglichkcit in den Betrieben. Es sind jedoch AusfUhrungsbestimmungen des Inhalts besprochen wor den, daß Maßregelungen aus Anlaß des Streiks nicht statt- sinden. Die Arbeit wird Freitag, den 12. Sep» tember, wieder ausgenommen. Die deutsche Selbstbiographie. Von Adolf Bartels. V. <I-IV siehe Nr. 184, 188 u. 187.s Die neue Zeit der deutschen selbstbiographischen Betätigung möchte ich mit Hebbel und Wagner beginnen. Hebbel (1813 —1863) hat bekanntlich die geistig bedeutendsten deutschen Tage bücher geführt, sie sind meiner Ansicht nach aber doch kein voller Ersatz für die Selbstbiographie, die er mit »Meine Kindheit« begonnen hatte. Die in dem »Systematischen Lagerverzeichnis« unter dem Namen Fr. Hebbel stehenden »Kriegserinnerungen eines Achtundvierzigers« gehören einem entfernten Verwandten, Hans Groth Hebbel. RichardWagnerhat schon bei seinen Lebzeiten viel über sein Leben herausgebracht, da er eben für sich interessieren wollte, so eine »Autobiographische Skizze« (bis 1842), »Eine Mitteilung an meine Freunde« (1851), allerlei Erinnerungen an Musiker (jetzt alles bei Reclam). 1911 erschien dann »Mein Leben« von Richard Wagner, das seine Freunde, wie ich glaube, nicht vermehrt hat. Sehr zahlreich sind schon die Erinnerungen an den Meister, es seien nur die von G. A. Kietz (»Richard Wagner in den Jahren 1842—49 und 1873—75«), Angela Neumann (»Erinnerungen au Richard Wagner«) und Hans von Wolzogen (Universalbibliothek) genannt. »Jugend erinnerungen« schrieb der Schwabe Hermann Kurz <1813 —1873), Levin Schückings (1814—1883) »Lebenserinne rungen« führen auch zu bedeutenden Persönlichkeiten, wie zur Droste-Hülshofs. Ebenso weisen des Grafen Adolf Fried rich von Schack (1815—1894) Erinnerungen »Ein halbes Jahrhundert« sehr viel interessante Verhältnisse auf. Das her vorragendste, Werk der ganzen neueren deutschen Selbstbio graphie dürften doch Bismarcks (1815—1898) »Gedanken und Erinnerungen« sein, erstens weil in ihnen die große Per sönlichkeit ganz unmittelbar zum Ausdruck kommt, dann wegen des gewaltigen national-politischen Gehalts. Die sich an Bis marck anschließende Erinnerungsliteratur kann ich hier nicht auf führen (ich verweise auf meine Übersicht zu Bismarcks 100. Ge burtstag im Börsenblatt 1915, Nr. 62 u. 66) und begnüge mich, die Namen R. v. Keudell, Frhr. v. Mittnacht, Moritz Busch, L. E. Hahn, P. Hahn, H. Lange, P. Hosfmann, A. Sensft von Pilsach, Horst Kohl, H. von Poschinger zu nennen. Selbständige Selbstbiographicn, die sozusagen dem Bismarck-Kreise angehören, sind die von seiner Cousine Hedwig von Bismarck (»Erinnerungen aus dem Leben einer Fünfundneunzigjährigen«), von dem Minister Rudolf von Delbrück (1817-1913): »Lebens erinnerungen« (1905), von Christoph von Tiedemann, dem Chef der Reichskanzlei (1836—1907), dessen Denkwürdigkeiten »Aus sieben Jahrzehnten« heißen und in die beiden Abteilungen »Schleswig-Holsteinische Erinnerungen« und »Sechs Jahre Chef der Reichskanzlei unter dem Fürsten Bismarck« zerfallen. Schles- l wig-holsteinische Erinnerungen gab auch der Jurist Rudolf ! Schleiden (1815—1895), der eine Zeitlang hanseatischer Mi nisterresident in London war. In die preußische Hosatmosphäre führen die Erinnerungen der GräfinSophievonSch wo rin (»Vor hundert Jahren, Erinnerungsblätter aus den Jah ren 1815—1863«). Süddeutsches Leben kommt in den »Jugend erinnerungen« des württembergischen Obcrhofpredigers und Dichters Karl von Gerok (1815—1890) und in des Mark gräflers Eduard Kaiser (1815—1875) »Aus alten Tagen« gut zur Erscheinung. — Von Friedrich Gerstäcker (1816 -1872), dem unermüdlichen Reiseschilderer, haben wir natür lich in seinen Rcisebüchern sehr viel Selbstbiographisches, doch Kleider keine Selbstbiographie. Dagegen hat der einst nicht minder geschätzte Unterhalter Friedrich Wilhelm von Hackländer (1816—1877) den »Roman seines Lebens« (1878) geschrieben, ein wenig schlechter, wie mich dünkt, als seine anderen Romane. Auch Gustav Freytag (1816—1895) gab »Erinnerungen aus meinem Leben« — er hat ja auch in der Politik eine bestimmte Rolle gespielt — und ferner hon ! Gleichalterigen noch der Dorfgeschichtenerzähler J o sc vft Rank (1816-1896), der 1848 Mitglied des Frankfurter Parla ments war. Des Ingenieurs und Großindustriellen Werner vonSicmens (1816—1892) »Lebenserinnerungen« erschienen ^ 1892 und gelten als selbstbiographisches Meisterwerk. Viel ge- . rühmt worden sind auch stets die »Memoiren einer Jdealistin« ! von Malvida von Meysenbug (1816—1903), mich aber ! haben sie, die noch durch den »Lebensabend einer Jdealistin«