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103, 22. Mai 1919. Redaktioneller Teil. graphie. Andererseits bringt die angebrochene neue Zeit mit Notwendigkeit eine Umgestaltung der Lehrpläne mit sich. Um zu verhindern, daß hier in-überstürzter Weise vorgegangen wird, haben wir an die Kultusministerien der wichtigsten deutschen Bundesstaaten Ende November eine Eingabe gerichtet, in der wir gebeten haben, Lehrplanänderungen nicht zn schnell nach Friedensschlnß in Kraft zu setzen, keinesfalls vor Ostern 1922, und ferner zuzulassen, daß zunächst bei den Schulbüchern durch Anhänge den neuen Verhältnissen Rechnung getragen werden könne, die Neugestaltung der Bücher selbst aber ebenfalls nicht vor Ostern 1922 gefordert werden möchte. Wir konnten mit Befriedigung feststellen, daß unserer Anregung von sämilichen Ministerien zugestimmt worden ist. Der alte Krebsschaden im Schulbuchverlag, die Lieferung von Freistücken, hat uns auch in diesen fünf Jahren un ausgesetzt beschäftigt und viel Mühe verursacht. Ende 1917 traten drei der größten Schulbuchverleger an uns mit dem Vorschlag heran, neue Bestimmungen über die Liefe rung von Freistücken auszuarbeiten und die Schulbuchverleger durch einen bindenden Vertrag auf Jnnehaltung dieser Bestim mungen zu verpflichten. Wir sind dieser Anregung gern gefolgt und haben in umfangreichen mündlichen und schriftlichen Ver handlungen diese Bestimmungen sowie den Vertrag ausgear beitet, ihn durch einen Juristen prüfen lassen und sodann un seren Mitgliedern zur Unterzeichnung übersandt. Wir hatten die Genugtuung, daß fast sämtliche maßgebenden Firmen ihn Unterzeichneten, und schon glaubten wir am Ziel zu sein, als einer von den drei Großverlegern, die die ganze Aktion ange regt hatten, der zudem laufend über unsere Verhandlungen und Maßnahmen unterrichtet war, im letzten Augenblick zurllcktrat. Da kurz darauf auch der politische Umsturz einsetzte, hielten wir es für angezeigt, diese nunmehr verhältnismäßig unbedeutend gewordene Angelegenheit zurückzustellen, um nicht in den Kreisen der Lehrerschaft Mißmut zu erregen zu einem Zeitpunkt, der ohnehin für den Schulbuchverlag überaus kritisch ist. Wir haben aber die Angelegenheit nur zurückgestellt und würden uns freuen, wenn die heutige Hauptversammlung zu einem posi tiven Ergebnis käme. Mit Rücksicht auf die durch die gegenwärtigen unsicheren Ver hältnisse gebotene Vorsicht und Zurückhaltung mußte es doppelt bedenklich erscheinen, daß eine der bedeutendsten Schnlbuch- firmen — die sich freilich schon immer von jeder Gemeinschafts arbeit ferngehalten hat — in die direkte Lieferung — wenn auch zunächst nur eines Verlagsartikels — gewilligt hat. um dessen Verkaufspreis niedrig halten zu können. Der Schluß liegt doch nur allzunahe, daß, wenn die Bücher durch Umgehung des Sorti ments wesentlich billiger werden, das erst recht der Fall sein muß durch Umgehung des Verlags. Also Wasser auf die Mühlen des Schulbuchmonopols! Daß jene Verbilligung nur eintritt, solange die direkte Lie ferung eine Ausnahme ist, wird natürlich übersehen. Auf die Notwendigkeit, neue Absatzwege zu suchen, wenn der Weg über das Sortiment allzu teuer wird, haben wir schon oben hingewiesen. S o jedenfalls, wie es von der erwähnten Firma beliebt wurde, geht es ohne schwere Schädigung der All gemeinheit nicht, und wir haben es deshalb dankbar begrüßt, daß der Vorstand des Börsenvereins die betr. Firma auf das Bedenkliche ihres Verfahrens mit aller Deutlichkeit hinge wiesen hat. Immer wieder müssen wir gegen das Vorurteil ankämpfen, daß der Verleger häufig neue veränderte Auflagen herausbrächte, nur um durch gesteigerten Umsatz höhere Ge winne zu erzielen. Namentlich in Süddeutschland waren es einige Zeitungen, die mit großer Beharrlichkeit diese Anschau ung vertraten. Wir haben uns schließlich veranlaßt gesehen, hiergegen energisch aufzutreten, und erreicht, daß die betr. Zei tungen ihre falschen Behauptungen nicht wiederholt haben. Auch den Behörden gegenüber waren wir bemüht, nach dieser Rich tung aufklärend zu wirken. Auf Einberufung von Hauptversammlungen und Vorstandssitzungen haben wir während des Krieges verzichten müssen. Auch war die Führung der Geschäfte dadurch sehr erschwert, daß lange Zeit nicht weniger als vier Vorstands mitglieder im Heeresdienst standen, sodaß während dieser Zeit die Geschäftsführung durch den Vorsitzenden sehr gegen dessen Willen einen etwas autokratischen Charakter angenommen hatte. Sobald es irgend möglich war, sind dann kollegiale Entschei dungen des Vorstands durch Umläufe wieder herbeigeführt worden. Neuwahlen konnten naturgemäß nicht statlfinden. Der Vorstand hat deshalb beschlossen, daß heute alle Mitglieder ihre Ämter in die Hände der Hauptversammlung zurücklegen, da für alle die dreijährige Amtsperiode abgelaufen ist. Höhere Gewalt machte uns eine genaue Befolgung der Satzungen unmöglich. Soweit wir von ihnen abweichen muß ten, erbitten wir nachträglich die Genehmigung der Hauptver sammlung. Unser Mitgliederbestand weist dank wiederholter, nachdrücklicher Werbetätigkeit eine sehr erfreuliche Steigerung von 72 auf 163 Mitglieder auf. Die uns durch unsere Satzungen auferlegte Beschränkung auf die Mitglieder des Ver legervereins haben wir dabei als ebenso lästig wie unnötig empfunden. Ein Grund zu ihr liegt nicht vor. Wir haben vielmehr ein Wohlbegründeies Interesse daran, tunlichst alle Be triebe in der Vereinigung zusammenzuschließen, damit der Schul buchverlag in die ihm bevorstehenden Käinpfe festgeschlossen und kraftvoll eiuzutreten vermag. Der gestiegenen Mitgliederzahl entsprechend sind auch unsere Kassenverhältnisse, wie Sie aus dem Bericht des Schatzmeisters ersehen werden, recht erfreulich. Wir haben wäh rend des Krieges gespart und ein kleines Kapital zurückgelegt, das wir nun sehr gut werden gebrauchen können. Groß und schwer sind die Aufgaben, die uns die neue Zeit auferlegt. Wir wagen es nicht, die Hoffnung auszusprechen, daß es gelingen wird, diese Aufgaben zu lösen; daß es gelingen wird, unser Vaterland vor dem drohenden vollständigen wirt schaftlichen Zusammenbruch zu retten. Soviel aber ist sicher, daß dieser Zusammenbruch nur zu verhindern ist, wenn alle Kräfte, die in unserem Volke noch gesund geblieben sind, mit äußerster Anspannung gegen diese Gefahr ankämpfen. In dieser Gesinnung wollen auch wir in das neue Geschäftsjahr und in die Friedenswirtschaft eintreten. Möge es dem Schulbuchverlag ge lingen, in festgeschlossener, zielbewußter Gemeinschaftsarbeit die gegenwärtige, sturmbewegte Zeit zu überwinden und unseren schönen Beruf einer besseren Zukunft entgegenzuführen. Viridis Kleine Mitteilungen. Eine Postwertzeichcnvcrstcigcrung des Reichs-Postmuscums wird am Mittwoch, den 25. Juni, 10 Uhr vormittags, im Künstlerhanse i» Berlin W. 9, Bellevuestraße 3 (am PotsdnmerPlatz), abgehalten wer den. Zur Versteigerung gelangen Nestbestände ungebrauchter Postwert zeichen der früheren deutschen Postanstalten tn der Türkei (Ausgabe 1906/12 mit Wasserzeichen). Es werden sowohl kleinere Lose für Sammler als auch größere für Händler käuflich sein. Das Nähere er geben die Versteigernngsbedingungen, die vom 22. Mai an vom Reiche- Postmnsenm in Berlin W. 66 portopflichtig bezogen werden könne». »Krebs«, Verein jüngerer Buchhändler zn Berlin. — Obwohl die Tätigkeit der buchhändlerische» Vereine, die kollegiale Geselligkeit und berufliche Weiterbildung pflegen, durch den Krieg sehr erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht worden ist, hat der »Krebs« das Vcreino- leben während des Krieges in nahezu normalen Formen aufrechter- halten können. Diese Möglichkeit verdankt er vornehmlich drei hoch verdienten alten Mitgliedern, dem früheren langjährigen Vorsitzenden Heinrich Nübner und den Ehrenmitgliedern Richard Bam berg und Emil Kupfer, die als Kriegsvcreinsleitnng mit nim mermüdem Eifer und schönem Gelingen gewirkt haben und noch wir ken. Ihren Bemühungen ist auch die erste größere Veranstaltung dieses Vcreinsjahres zu danken: ein BcgrllßungSabenö für die vielen ans dem Felde heimgekehrten »Krebse«, der am 27. April, einen, Sonntage, Mitglieder und Freunde des Vereins in großer Zahl in Neumanns Festsälen am Hackeschen Markt vereinte. Den Mittelpunkt des reich haltigen Festprogramms bildete die Begrüßungsansprache, in der Kollege Heinrich Nübner als Vorsitzender die hcinigekehrten Krebs- kricger mit herzbewegenden Worten willkommen hieß und ihnen den 419