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/E 21k, 17, September 1910. Nichtamtlicher Teil. BdrsenblaLt. v. Dtschn. Buchhanvet. 1k 613 schlechterdings keine Rede davon sein, daß dieser Preis zu dem Werte der Bücher in keinem angemessenen Verhältnisse stehe und sich ein Verkauf zu diesem Preise auch für den Buchhandel nicht lohnen würde. Damit erledigt sich der Vorwurf der Klägerin, die Beklagte treibe mit den Büchern Prcisschleuderei. Was die Behauptung betrifft, die Beklagte benutze die Bücher lediglich als Lockartikel, so hat die Klägerin dafür nicht das mindeste beigebracht. Insbesondere kann von einer Täuschung des Publikums deshalb nicht die Rede sein, weil die Beklagte die Bücher mit einem nur um wenige Pfennige geringeren Nutzen als die Sortimenter verkauft und daher nicht genötigt ist, einen durch diesen Verkauf ver ursachten Verlust an unverhältnismäßig teuereren Waren wieder einzubringen. Vgl. hierzu die Urteile des OLG. Dresden. — 30 79/09 und des Reichsgerichts in Sachen MUlhens und Gen./Kaufhaus Brühl Hiernach ist noch zu prüfen, ob der Erwerb der Bücher seitens der Beklagten gegen die guten Sitten verstieß. Denn in diesem Falle würde das Anbieten und Verkaufen der Bücher — vorausgesetzt, daß dadurch eine Schädigung der Klägerin herbeigeführt wird — sich als Fortsetzung der in einem solchen Erwerbe liegenden unlauteren Handlung darstellen; vgl. das angezogene Reichsgerichts-Urteil. Die Klägerin hat nun durch die Auslassung ihres Vertriebs leiters Neerforth in Verbindung mit dem von ihr oorgelcgten und bei der Klägerin gekauften Bande glaubhaft gemacht, daß die von der Beklagten vertriebenen Ullstein-Bücher von ihrem Kommissionär an den Verfandbuchhändler Theodor Rudolph in Leipzig geliefert worden sind. Damit erachtet das Gericht indes noch nicht für glaubhaft gemacht, daß Rudolph die Bücher an die Beklagte geliefert hat. Vielmehr besteht die von der Klägerin selbst in Betracht gezogene Möglichkeit, daß Rudolph die Bücher nicht unmittelbar an die Beklagte, sondern an eine andere nicht dem Börsen verein angeschlossene Person geliefert und diese sie an die Beklagte weiter geliefert hat. Es ist auch denkbar, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß die Bücher, bevor sie in den Besitz der Beklagten gelangten, noch durch mehr Hände gegangen sind. Damit hat sich zwar Rudolph, der die Bücher zweifellos mit Rabatt an seinen Abnehmer geliefert hat. einer Übertretung des Verbots der Lieferung an Nichtmitglieder, sonach einer Vertragsverletzung, schuldig gemacht. Es ist aber nicht glaubhaft gemacht, daß die Be klagte sich an diesem Vertragsbrüche beteiligt, etwa gar Rudolph dazu angestistet oder verleitet hätte. Denn es ist der Beklagten bisher nicht widerlegt worden, daß der Lieferant der Bücher an sie herangetreten sei und ihr die Bücher zum Kaufe angeboten habe. Damit allein, daß sie dieses Angebot annahm, hat aber die Beklagte nichts Un erlaubtes begangen. Es ist freilich nicht zu bezweifeln, daß der Gcschästssührer der Beklagten mit der Organisation und den Einrichtungen des Buchhandels wohl vertraut ist und sich daher gesagt hat, daß eine Lieferung an die Be klagte zu den ihr eingeräumten Bedingungen nur durch einen Vertragsbruch eines Angehörigen des Börsenvereins möglich sei. Dies genügt jedoch nicht zur Annahme einer An stiftung, noch auch nur zu der einer Verleitung zum Ver tragsbrüche. Denn die Anstiftung setzt voraus, daß der An stiftende bei einem anderen den Entschluß zur Vornahme einer Handlung erst Hervorrust, die Verleitung, daß der Ver leitende auf die Vornahme einer Handlung durch einen anderen bewußt hinwirkt (vgl. Degen in Markenschutz und Wettbewerb, Jahrgang 1909, S. 239). Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß eine Anstiftung in diesem Sinne im vorliegenden Falle nicht in Frage kommt. Aber auch eine Verleitung zum Vertragsbrüche liegt nicht vor. Denn die Ntchtzurllckweisung des von ihr nicht provozierten An- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. gebots ist keine Tätigkeit, wie sie der gekennzeichnete Begriff der Verleitung zum Vertragsbrüche voraussetzt. vgl. Mitteis im Recht 06. S. 541, 542. Auch im übrigen vermögen die erkennenden Richter in der Handlungsweise der Beklagten nichts Sittenwidriges zu finden. Es würde nach ihrer An sicht eine unangemessene Erschwerung des Verkehrs bedeuten, wollte man verlangen, daß im Verkehr auf die vertraglichen Verpflichtungen eines anderen, mit dem man rechtliche Beziehungen anknüpft, Rück sicht zu nehmen und aus diesem Grunde die Ge legenheit, ein günstiges Geschäft abzuschließen, zurück zuweisen sei. Wer mit einem solchen durch Vertrag Gebundenen in Verhandlung tritt, kann es nach der Ansicht des Gerichts diesem überlassen, wie er sich mit seinen Ver tragsverpflichtungen abfindet. In noch höherem Grade gilt dies für den hier möglicherweise vorliegenden Fall, daß nicht der unmittelbare Vertragsgegner, sondern dessen Vor mann durch die Veräußerung eines Gegenstandes einer ver traglichen Verpflichtung zuwidergehandelt hat. Unerheblich für die hier zu entscheidende Frage ist, daß sich der Lieferant der Beklagten unter Umständen nicht zur Übertretung des Lieferungsverbotes entschlossen hätte, wenn er nicht von vorn herein geglaubt hätte, daß er in der Beklagten eine Ab nehmerin finden werde. Denn diese Erwägung bildet den Beweggrund des Lieferanten der Beklagten, für dessen Wirk samwerden die Beklagte nicht verantwortlich ist. Gleich gültig ist endlich auch, daß der Lieferant der Beklagten erst möglicherweise vor dem eigenen Bezüge bei ihr angefragt hat, ob sie für die Bücher Verwendung habe. Denn in dem Augenblicke der Anfrage war der Lieferant der Beklagten bereits zur Lieferung der Bücher und damit zur Über tretung des Verbots für den Fall entschlossen, daß die Be klagte eine Bestellung machte. Daher war dann für eine Anstiftung oder Verleitung zum Vertragsbrüche kein Raum mehr. Sonach fehlt es an einer gegen die guten Sitten ver stoßenden Handlung im Sinne von Z 826 BGB., und eben sowenig liegt, wie ebenfalls aus dem Vorstehenden hervor geht, eine widerrechtliche Beeinträchtigung der Freiheit des Gewerbebetriebes der Klägerin vor. Mithin ist ein An spruch aus Unterlassung des Anbietens, Feilhaltens und Verlaufens der von Rudolph unmittelbar oder mittelbar erworbenen Bücher, also derjenigen Stücke, die mit einem Bleistifrpunkt an der von der Klägerin bezeichneten Stelle versehen sind oder zur Zeit des Erwerbs versehen waren, nicht begründet. In Frage könnte nur kommen, ob dieser Mangel in der Rechtfertigung der einstweiligen Verfügung durch die von der Klägerin zu leistende und wohl geleistete Sicherheit ersetzt wird. Auch dies ist jedoch zu verneinen. Denn die Behauptung der Klägerin, dis Beklagte habe sich der Verleitung zum Vertragsbrüche schuldig gemacht, genügt überhaupt nicht zur Darlegung eines aus Z 826 BGB. her geleiteten Anspruchs. Denn auch nach der oben angeführten Entscheidung des Reichsgerichts in Sachen Mülhens und Gen./Kaufhaus Brühl (vgl. Sächs. Archiv für Rechtspflege 1910 S. 138/9; — wegen der älteren Rechtsprechung vgl. RGZ. 63, 400; I. W. 1906 S. 578 ff.; Seufferts Archiv 61, 452 sowie Annalen 28, 279) ist selbst die Verleitung zum Vertragsbrüche nicht schlechthin als unsittlich anzusehen, viel mehr kommt es dabei auf die konkreten Umstände an. Diese hat aber die Klägerin nicht einmal dargelegt, und es kann diese Darlegung nicht durch Sicherheitsleistung ersetzt werden, vgl. 8 921 Abs. 2 S. 1 ZPO. Da ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht dargetan ist, so kann dahingestellt bleiben, ob durch die von der Klägerin vorgelegten Zuschriften von Sortimentsbuchhand- 1380