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9402 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 191, 19. August 1910. Wo liegt Gutenberg begraben? — Dem jetzigen Umbau am Stadttheater in Mainz sahen die Geschichtsfreunde höchst ge spannt entgegen; gab man'sich doch der stillen Hoffnung hin, bei den Erdarbeiten am »Krempelmarkt«, dem Standorte der alten Franziskanerkirche, wo gemäß seitheriger Annahme die Gebeine Gutenbergs beigesetzt waren, würde man endlich auf die so lange gesuchten Spuren seines Grabes stoßen. Für die Bezeichnung jener Kirche als Grabstätte des Erfinders berief man sich früher eines teils auf die Angaben seines Verwandten Golthus (1499), andernteils auf das Zeugnis des Frankfurter Patriziers Johann von Glauburg, der — vor 1734 — »den Totenschild des Erfinders in Holz gearbeitet und an der Wand aufgehängt« gesehen zu haben behauptete. Nun aber haben neuestens der Gutenberg.Bibliograph Bibliothekar vr. Karl Schorbach (Straßburg) und der Guten- berg-Genealog Archivdirektor Freiherr Schenk zu Schweinsberg nachgewiesen, daß der von Glauburg angeblich gesehene Totenschild nicht der des Buchdruck-Erfinders sein konnte. Damit siel die letzte Stütze für die Annahme, Gutenberg habe seine endgültige Ruhestätte in der Franziskanerkirche in Mainz gefunden. Ohne hin war diese Annahme fast undenkbar, da bei der Vermögens- läge des Erfinders eine Bezahlung der erheblichen Kosten für den Leichentransport von seinem Sterbeort Eltville nach Mainz sowie derjenigen für eine dortige Beisetzung aus der Hinterlassenschaft keinesfalls hätte erfolgen können. Kaum wahrscheinlich ist es andrer seits, alle jene Unkosten seien etwa von anderer Seite aufgebracht worden; denn dafür, daß der im Alter erblindete Gutenberg, der sich zuletzt ganz von der Eltviller Druckerei zurückzog, als der Erfinder des gewaltigsten Kulturmittels in Vergessenheit geriet, sorgte schon genügend die Firma seiner ehemaligen Geschäfts- und Betriebs-Teilhaber Fust-Schöffer. Die Vermutungen und Er wartungen, die man mancherseits an jene derzeitigen Grab- und Erdaushebungsarbeiten in Mainz geknüpft hatte, sind heute nicht im geringsten bestärkt oder gar bestätigt worden. Im Gegenteil: fast jeder Anhalt zur Feststellung des Gutenberg-Grabes in Mainz ist nunmehr entfallen. Und dazu hat der Archivar F. W. E. Roth in Eltville, ein längst bewährter Kenner der deutschen Inkunabel- Kunde, nach Ansicht vieler überzeugend die Bedenken zerstreut, die Eltville als Begräbnisort Gutenbergs nicht gelten lassen; viel mehr hat Roth recht glaubhaft nachgewiesen, daß ausschließlich die alte Eltviller Pfarrkirche als Gutenbergs Ruhestätte in Betracht kommen könne. Ix. * Ausstellung »Alt-Stuttgart«. — »Alt-Stuttgart« heißt eine Ausstellung, die vom Königlichen Kupferstichkabinett in Stuttgart veranstaltet ist und die Entwicklung Stuttgarts zur Hauptstadt veranschaulichen soll. Ein von vr. Willrich verfaßter illustrierter Führer erläutert die Ausstellung und gibt u. a. die Anregung zur Ausschreibung eines Wettbewerbs mit dem Thema »Groß-Stuttgart«. Erstausgabe von Arnim und Vrentano, »Des Knaben Wunderhorn«. — Die städtischen Sammlungen in Heidelberg er- hielten von Stadtrat vr. Bauer ein Exemplar der ungemein seltenen 1. Ausgabe von Arnim und Brentanos »Des Knaben Wunderhorn«, die 1806-08 im Verlag von Mohr und Zimmer in Heidelberg erschienen ist. Ix. Stuttgarter BuchhandlungS-Gehilfen-Berein. <E. B.) — Am Sonntag den 8. Mai wurde das Frühlingsfest in alt gewohnter Weise begangen. Ein vorübergehender Regenguß hatte die Mitglieder und Freunde des Vereins nicht abgehalten, in Scharen nach dem freundlichen, weingesegneten Untertürkheim hinauszuwandern und in ungezwungener Fröhlichkeit, in echter Maienlust den Lenz zu feiern. Bald war der geräumige Saal in der »Krone« dicht besetzt, und in bester Stimmung konnte unser Vorsitzender, Herr Jakob Maier die obligate Frühjahrs- Ansprache an seine Getreuen halten. Wie immer, so lag auch diesmal poetischer Schwung in seinen Worten, die mit großem Beifall ausgenommen wurden. Den besonderen Dank der An wesenden ernteten die Vortragenden, in erster Linie Fräulein Ennen mit ihren prächtigen gesanglichen Darbietungen, sowie die Herren Gebrüder Erpf, Seybold und Büttner und die Sängerrunde »Schimmelklub«. Nachdem sich die Gesellschaft in ausgiebigster Weise den Tanzfreuden hingegeben hatte, ging man in später Abendstunde in fröhlichster Stimmung aus einander. — Das 43. Stiftungsfest am Sonntag, den 3. Juli, führte eine stattliche Festschar in eine der landschaftlich und wirtschaftlich gesegnetsten Gegenden des schönen Schwabenlandes, hinauf zur schwäbisch.fränkischen Grenzscheide, in die farbenprächtigen Hoch waldungen des Schurwalds und auf die sonnigen Höhen mit den herrlichsten Ausblicken auf die mächtige Gebirgskette der Schwäbischen Alb. Während am frühen Morgen ein heftiger Regenguß nichts Gutes für den kommenden Tag prophezeite, hatte der Himmel doch bald ein Einsehen, und als die Gesellschaft von ungefähr fünfzig Herren sich anschickte, den Zug zu besteigen, schoben sich die dunklen Wolkenmassen auseinander, während der Fahrt fielen bereits die ersten Sonnenstrahlen auf die nassen Wiesen und Felder. Eine Abteilung der Musikkapelle der württembergischen Olga grenadiere sorgte schon auf der Fahrt für eine vorzügliche Unter haltung, und als wir in Plochingen uns zur Wanderschaft auf machten, empfing uns eine liebenswürdige Deputation der Tübinger »Insel«, die uns eine liebe Gesellschaft blieb. Hierauf ging es zum Plochinger Aussichtsturm, und vor uns lag im Sonnenglanz das typische, überaus reizvolle Landschaftsbild der Alb. Bei Reutlingen grüßte die Achalm herüber, und aus Wolkenschleiern traten die trotzigen, schwäbischen Berge, Hohenstaufen und Hohenrechberg in ihrer malerischen und imponierenden Größe hervor. Durch Feld und Wald und über Hügel ging es in flottem Marsch und bei munteren Weisen über Baltmannsweiler nach dem schöngelegenen Hohengehren, wo ein flinkes Automobil uns liebe und verehrte Gäste brachte. Nach einem kräftigenden Frühschoppen wurde der Marsch nach Engel berg fortgesetzt. Unterwegs gruppierten sich noch die Kolonnen um die Jubiläumsdenksäule für König Wilhelm I., und angesichts des entzückenden trauten Remstales, üppiger Waldungen, dicht belaubter Weinberge und einer Fülle historischer Stätten feierte unser Ehrenmitglied, Herr Verlagsbuchhändler Erwin Nägele, die schwäbische Heimat und brachte ein Hoch auf das Schwaben land aus. Dann hallten die Klänge des Liedes »Preisend mit viel schönen Reden« weit hinaus über die gesegneten altwürttem- bergischen Gefilde. Noch eine kurze Strecke, und schon stand der Vorhügel des Schurwalds vor uns, der das weltbekannte Gasthaus »Engelberg« auf demselben Grund und Boden trägt, wo Graf Ulrich der Viel geliebte bei der alten Marienkirche im Jahre 1466 den Augustiner- Eremiten ein kleines Kloster stiftete, das aufständische Bauern in bewegter Zeit zerstörten. Hier wartete unser ein vortreffliches Mahl und manch guter und edler Tropfen. Herr Maier begrüßte in einer formvollendeten Ansprache die Festgäste, wies auf den unerwarteten, günstigen Witterungsumschlag hin, dankte für die rege Beteiligung und wünschte allen viel Vergnügen. Herr Nägele dankte mit herzlichen Worten dem Vorstand, besonders dem Vorsitzenden, der an der glücklichen Entwicklung des Vereins hervorragenden Anteil habe, und widmete sein Glas dem Vorstand. Herr Mouzon-Tübingen überbrachte die Grüße und Glückwünsche der »Insel« und wies auf das vorbildliche Verhältnis zwischen Prinzipalität und Gehilfenschaft in unserem Verein hin. Herr Hosemann gedachte der zurückgebliebenen Damen. Herr Märcker wünschte, daß der alte Geist im Verein immer lebendig bleibe. Herr Wegner gedachte seiner Rückkehr ins liebe Schwabenland und brachte ein Hoch auf Herrn Märcker aus, und Herr Bach erwies noch einmal Herrn Maier seine Reverenz. Am Abend ging es nach herrlich verbrachten Stunden hinab nach Winterbach, und die Rückfahrt durch das Remstal beschloß den sehr genußreichen Ausflug. Eine große Anzahl der Festteil nehmer vereinigte sich noch im Vereinslokal mit den liebens würdigen Damen unserer Mitglieder. Hier wurde es noch einmal so gemütlich, daß man zum Tanz übergehen konnte. Eine be sondere Überraschung bereiteten uns die Geschwister Ulshöfer dadurch, daß Schwester und Bruder ihre musikalischen Erinne rungen aus Amerika auffrischten und uns damit auf eine reizende Art unterhielten. Es herrschte Einigkeit darüber, daß das 43. Stiftungsfest sich würdig den vorangegangenen angereiht hat und uns allen Teil nehmern stets in freudiger Erinnerung bleiben wird. Ed. Büsching.