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Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Drschn. Buchhandel. 1026! 223, 24. September 1S08 über Selbstverwaltung in Stadt und Dorf, ehemaliger Heraus geber der -Russischen Chronik-, Initiator und Leiter der -Nach richten der Moskauer Stadtduma- und Herausgeber der Zeitschrift -Selbstverwaltung», starb am 17./30. Juli, 76 Jahre alt, in Moskau — Julius Trupp, hervorragender Pharmakolog, Akademiker und Professor an der medico-chirurgischen Akademie, Mitglied des militär-medizinischen Gelehrten-Komitees und des medizinischen Conseils des Ministeriums des Innern, Verfasser vieler Pharma- kopöen und wissenschaftlichen Arbeiten seines Spezialfachs, starb am 20. Juli (2. August) im 93. Lebensjahr in Hungerburg am Baltischen Meerbusen. — Fürst I. Tarchanow, Akademiker und bekannter Physiolog, Verfasser von Arbeiten über Physiologie, Biologie und Übersetzer ausländischer Lehrbücher über diese Fächer, Redakteur der Zeitschriften -Medizinische Chemie und Organotherapie- und -Der Hausarzt-, starb am 11./24, August, 63 Jahre alt, in Öster reich. — E. Rjedtn, Professor der Theorie der Kunstwissenschaft, bekannter Forscher auf dem Gebiete der christlichen Kunst, Gründer des Altertumsmuseums an der Universität Charkow, Verfasser von Werken über Kunstgeschichte, starb in Charkow. — F, Seleno- gorskij, Professor der Charkower Universität, Philosoph, Verfasser von Werken über die Geschichte der Philosophie, starb, 70 Jahre alt, in Charkow.— K. Pankejew, ein namentlich in Siidrußland bekannter Publizist, Herausgeber der Zeitschrift -Südrussische Memoiren- und des Moskauer Sborniks -Sarnitza-, starb in Moskau. — W. Michejew, Belletrist und Dramaturg, Leiter der oppositionellen Zeitung -Ssewernyj Kraj-, starb in Jaroslaw. Seine Erzählungen aus Sibirien erregten Aufsehen. II, Buchhandel. Die bisherige Benennung des Russischen Buchhändler- und Verlegervereins wurde in »Verein der Verleger und Buch händler Rußlands« geändert, und in einer Generalversammlung dieses Vereins wurden die 260 Paragraphen der neuen Satzungen beraten und angenommen. — Die Zahl der Mitglieder dieses Ver eins betrug im August d. I. 306. — Die Spenden der Vereins mitglieder für die Handelsklasscn des Vereins erreichten bis Ende Mai 792 Rubel. — Der Moskauer Buchhändlerverein hat fol gende Beschlüsse gefaßt: I. An Privatleute soll weder Rabatt gegeben, noch sollen Prämien verabfolgt werden; 2. Öffent lichen und Volksbibliotheken und solchen, die unentgeltlich Bücher verleihen, ferner Gesellschaften zur Verbreitung der Volksbildung, Lehranstalten und Schulen kann Rabatt gewährt werden, wenn die Bestellungen mit der offiziellen Bezeichnung der Bibliotheken, Gesellschaften oder Anstalten versehen sind. (Der Knishnyj Wjestnik bemerkt hierzu, es wäre interessant zu wissen, wie der Moskauer Verein seine Beschlüsse durchzuführen gedenkt.) — Aus einer Rede, die Herr Lemke beim Mittagsmahl zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des Vereins der Ver leger und Buchhändler Rußlands hielt, ist noch folgendes zu er wähnen: Auf seine Frage, welchen Eindruck die in Madrid ver sammelten Verleger auf ihn gemacht haben, hat Herr Ettinger ge antwortet: Sie sind uns durchaus unähnlich, gehen mit erhobenen Häuptern einher und sind von dem Bewußtsein erfüllt, daß sie eine kulturelle Mission vollbringen. Bei uns ist das nicht der Fall, mir haben nicht das Bewußtsein, vollwertige Bürgerrechte zu be sitzen, obwohl wir hier in Rußland, nicht weniger als sonstwo, ge wissenhaft unsere Pflichten erfüllen. Hundert Millionen unsrer Bevölkerung können weder lesen noch schreiben; wir aber tragen dazu bei, daß es damit anders und besser wird. Dazu dient unsre Organisation. Hoffentlich wird auch bei uns die Zeit kommen, wo wir erhobenen Hauptes einhergehen können und wo sich nicht nur einige Dutzend, sondern einige Hunderte unserer Berufs genossen im eigenen Hause versammeln können. Zur Geschichte des Vereins der Verleger und Buchhändler Rußlands wurde noch folgendes veröffentlicht: Der Gedanke, einen solchen Verein zu gründen, entstand bereits am Anfang des Jahres 1880, und er wurde damals von E. Hartjes »Russischer Bibliographie« befürwortet. Am 13./26. Oktober fand eine erste Versammlung von etwa 50 Verlegern und Buchdruckern statt, die folgende Beschlüsse faßten: 1. Es soll eine Vertretung gewählt werden, um mit der Regierung in Verkehr zu treten. 2. Es soll eine Erleichterung der gegenseitigen geschäftlichen Beziehungen erstrebt werden. 3. Im Handel mit Erzeugnissen der Presse Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. soll eine gewisse Ordnung eingeführt werden. 4. Für den Schutz gegen die Böswilligkeit von Berufsgenossen und für gegenseitige Hilfe soll gesorgt werden. — Eine aus sieben Mit gliedern bestehende Kommission wurde beauftragt, Statuten zu entwerfen. Im Dezember desselben Jahres wurde dieser Sta tutenentwurf einer Versammlung vorgelegt; es wurden einige Änderungen beschlossen und die Regierung ersucht, diese Statuten zu genehmigen. Die Ratifikation wurde jedoch versagt. Die Satzungen mußten nun revidiert, ergänzt und geändert werden und wurden dann schließlich am 11./22. Juni 1883 vom Mini sterium des Innern genehmigt. Beiläufig möchte ich hier noch erwähnen, daß ich als russi scher Verlagsbuchhändler schon 1861 den Versuch machte, einen Verein von russischen Verlegern zu bilden, um den Buchhandel im Innern des Reichs zu organisieren und um gemeinschaftliche Lager unserer Verlagsartikel in den Provinzstädte» zu errichten, damit das Publikum nicht genötigt wäre, alles aus den Haupt städten zu beziehen, sondern seinen Bedarf an Ort und Stelle decken könne. Ich berief eine Anzahl Verleger zu einer Be sprechung dieser Angelegenheit und legte ihnen einen gedruckten Statutenentwurf vor. Es wurde eine Kommission zur Be gutachtung desselben gewählt, mein Entwurf ganz bedeutend er weitert und von vielen Verlegern unterzeichnet. Inzwischen waren die Sommermonate des Jahres 1862 herangenaht, einige der Kommissionsmitglieder verreisten oder zogen aufs Land, und die Angelegenheit geriet ins Stocken. Als dann eins der Kom missionsmitglieder, Sserno-Ssolowjowitsch, seiner politischen Tätig keit wegen administrativ nach Sibirien verbannt wurde, zogen sich viele Mitglieder zurück, und die Sache konnte nicht weiter verfolgt werden. In einer Nummer des Knishnyj Wjestnik besindet sich das Gruppenbild der 44 Mitglieder des Vereins der Verleger und Buchhändler Rußlands, die zur Fünfundzwanzigjahrfeier der Vereinsgründung versammelt waren. In zwei andern Nummern des Vereinsorgans sind die Porträts der Ehrenmitglieder N. P. Karbaßnikow und A. F. Zinserling abgedruckt, nebst Skizzen ihres Lebens und ihrer beruflichen Tätigkeit. Im Jahre 1907 gab es in Warschau 171 Buchdruckereien, 100 Lithographien, 7 Schristgießereien, 36 stereotypische Werk stätten, 271 Buchhandlungen, 119 Leihbibliotheken, 103 Kunsthand lungen, 5 Gemäldeausstellungen, 96 Photographien, 28 graphische Anstalten, 25 Geschäfte für den Handel mit Druckereimaschinen und dergleichen, 401 Zeitschriften- und Zeitungskontore und 30 Zeitungskioske. In den Druckereien und Lithographien waren 1763 Arbeiter beschäftigt. Unter dem Titel »Was liest man in der Provinz« erschien in der »Nowoje Wremja« ein Artikel folgenden Inhalts: Nach dem Abflauen der revolutionären Bewegung fing auch der Buchhandel an abzuflauen. Ein Teil der neu entstandenen Buchhandlungen ging wieder ein, teils weil es an Nachfrage fehlte, teils weil sie administrativ geschlossen wurden. In Samara waren fünf neue Buchläden entstanden, die ausschließlich mit revolutionären Druck sachen handelten,— sie wurden alle geschlossen, und an ihre Stelle traten die Straßenverkäufer, die jetzt ausschließlich mit Sherlock- Holmes, Pinkertons, Lecocqs und ähnlichem Zeug handeln. Die Buchhandlungen klagen, daß jetzt fast nichts anderes verlangt werde. Die Zeitung bemerkt hierzu: Es scheint, daß im Innern Rußlands und auch in den Grenzbezirken des Reichs die von den Hauptstädten ausgehende Mode nachgeahmt wird. — Ferner wird behauptet, daß die sozialdemokratische Literatur — alles von Marx, Lassalle, Kautsky, Bebel usw., die massenhaft verbreitet und gierig gekauft wurde —, jetzt gar nicht mehr begehrt und zu jedem Preise losgeschlagen wird. Der Moskauer Verleger Ssytin wurde wegen des von ihm herausgegebenen Buches »Phantastische Wahrheiten« von Amfi- teatrow zu einer Strafe von 3000 Rubel verurteilt und das Buch konfisziert. — In Riga wurde der bekannte lettische Buchhändler Krustyn, als an der revolutionären Bewegung beteiligt, verhaftet. — Die Buchhandlung Iwanow (früher Anissimow) in Moskau soll wegen Feilhaltens ungesetzlicher Literatur geschlossen worden sein. 1339